01.03.2020 (1. Mose 3, 1-24): Sünde, Hingabe, Erlösung

Lutherbibel 2017: Der Sündenfall oder die Selbständigkeit der Geschöpfe

1 Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?

2 Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;

3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!

4 Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,

5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

6 Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.

7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.

8 Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN zwischen den Bäumen im Garten.

9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?

10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.

11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?

12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß.

13 Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.

14 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen dein Leben lang.

15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.

16 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.

17 Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.

18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.

19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.

20 Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben.

21 Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.

22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und nehme auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!

23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war.

24 Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.

 

1.      Einleitung

Als ich als Kind zum ersten Mal den Begriff „gefallene Frau“ aufschnappte, fragte ich, warum der niemand aufhilft.
Mit jungen 19 Jahren als Zivildienstleistender, also Ende 1982, der auch die Gemeindeblättchen im Dekanat drucken durfte, hatte ich die zweite Begegnung mit sogenannten „gefallenen Frauen“. Ein Pfarrer aus dem heiligen Land, also dem heiligen hessischen Hinterland wollte von mir ein Aufruf gedruckt haben: Die Zeitung, also der Hinterländer Anzeiger, solle keine Anzeigen mehr von Prostituierten abdruckt. Begründung: Damit die ehrbare Männer von gefallenen Frauen nicht zu sündhaften Handlungen verführt würden. Ich muss anmerken, dass meine damalige Art weit revolutionärere war als die sanfte Art des heutigen Dr. Beckers ist. Oh ha.
Ich – also der 19 jährige Zivi – sagte zu dem Pfarrer einfach: „Nein“. Und – er solle sich den Quatsch dorthin stecken, wo er hingehört.
Sie werden sich vorstellen können, dass in Sekunden die Eskalation da war. Der Leiter des Rentamtes, wo die Gemeindebriefe gedruckt wurden, redete auch mich ein. Mein verheirateter vorgesetzter Dekan wurde nicht gefragt; nun ja der war – was damals keiner aussprechen konnte oder durfte – halt am anderen Ufer – trotz Ehefrau; und hielt sich aus der Prostituiertennummer des Pfarrers – verständlicherweise-  raus.
Kurz: Ich habe diesen Unsinn über die ruchbaren, gefallenen Frauen, die ehrbare Männer verführen, nicht gedruckt. Ein ach so frommer Kollege des Rentamtes, im Übrigen Frau galant immer schleimend zugewandt, brachte das Ganze als Druck aufs Papier.

Ich muss gestehen, dass dieser Akt des Pfarrer für mich selbst ein Sündenfall war, weil er das, was Sünde letztlich ist, selbst zum Guten zu stilisieren versucht; dass nämlich Instinkthandlungen – hier Sex – als Verführungsthese anderen wie Brandmarkung aufgepresst wird.
Sünde ist ja das, wie ich immer sage, dass wir nicht unseren Instinkt besiegen können. Sicher gehört auch Sex und Sexualität zu diesen Instinkten, aber es gibt deutlich mehr Instinkte wie Neid, Gier, Macht, Hass, Selbstsucht oder Besserwisserei, also alles was uns letztlich auch mit antreibt. Dabei ist unser Instinkt nicht per se schlecht oder Sünde, sondern wird es erst dann, wenn wir daraus ein UR-ANTRIEB werden lassen, WENN DIE INSTINKTE JEGLICHE Vernunft in uns ausblenden. Gier um der Gier willen. Macht um der Macht willen. Sex und des Sexes willen.

Letztlich ist der Instinkt ein jedem Menschen innewohnende Antriebsfeder, deren Spann- und Schnellkraft letztlich von vielen Faktoren abhängt.

Es bleibt aber – so die Ansicht im Glauben – eine menschliche Illusion, dass wir als Menschen es vermögen, unseren Instinkt besiegen, also so eindämmen zu können. Also meinen, dass wir FREI von INSTINKTEN agieren könnten; letztlich also fähig wären, selbstlos und das heißt OHNE INSTINKT sein zu können.

Gleichwohl: Die Freiheit der Wahl, also etwas „Vernünftiges oder Selbstloses tun zu können“, treibt uns an. Wir lernen durch dieses Leben. Wir werden nicht erwachsen durch Alter oder mit 18, sondern in der Befähigung die eigene Gier in einen Zusammenhang des eigenen Lebens und anderen Menschen zu stellen. Wir haben Freiheit, nicht weil wir Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen dürfen, sondern weil wir frei entscheiden dürfen, welchen Weg wir für unser Leben einschlagen wollen.

Dieser Drang nach Eigenständigkeit auch gegen die Geborgenheit eines Zoos, des Gefüttert-Werdens im Elternhaus, des gebügelten Hemdes im Schrank oder des geputzten Bades, des vollen Kühlschranks, des funktionierenden WLANS oder des Taschengeldes oder des Lohns. Diese Freiheit zum Aufbruch ist die wesentliche Bestimmung des Menschen.

2.      Bibeltext

Höre wir im heutigen Predigttext aus 1. Mose 3, 1-24, wie es dazu kam.

Der Sündenfall – und wieder haben wir einen Bibeltext, der letztlich uns durch die Überschrift gänzlich in die Irre führt. Denn, auch wenn in dieser urbiblischen Sage das Thema das Essen einer verbotenen Frucht ist, geht es um ein viel wesentliches Thema: Nämlich den Drang dieser Menschen nach Freiheit im Zoo Gottes, also dem berüchtigten Garten Eden, in dem diese von Gott gehaltene Zoo-Menschen eine heile Welt vorgeführt bekommen. Essen, Bespaßung, Friede, Freude, Eierkuchen; aber eben eine BEGRENZTE FREIHEIT durch die Grenzen des Garten Edens, damit Gott ein Ebenbild zum Spielen hat.

Aus dieser Umklammerung Gottes will der Mensch – so die Botschaft der Sage – ausbrechen, weil er der Ansicht ist: Freiheit überwiegt Essen, Trinken und Bespaßung. Der Menschen will unabhängig von Gott erwachsen werden und sein.

Eigentlich eine gute Geschichte, ein guter Anlass.

Wer auch immer die Schuld am Rauswurf aus der beheizten, gemütlichen, umsorgten ZOOKULTUR, genannt Eden hat (Schlange, Frau oder Mann; Namen gab es erst anschließend), ist letztlich unerheblich.

Vielmehr erzählt diese Ur-Sage etwas Alltägliches. Die menschliche Befreiung von Bevormundung. Ja – Adam und Eva - befreien sich von der Bevormundung Gottes. Sie wollen nicht mehr wie menschliche ZOO-Tiere im Käfig, genannt Eden, gehalten werden, sondern selbst entscheiden, wann, wo, was Sie tun, essen und verantworten müssen.

Dass es nach dem Rauswurf aus dem Zoo Eden in der Bibel auch schon andere Menschen gab, irritiert zwar den normalen Leser, macht aber die Aussage der Sage noch deutlicher. Der Mensch will mündig werden und das treibt ihn an. Ob es ihm gelingt, gut und böse letztlich zu unterscheiden, das bleibt fragwürdig.

Denn der erste Feldversuch außerhalb des Zoos gescheitert: Kain erschlägt aus dem Instinkt des Neides heraus seinen Bruder Abel, weil Gott geopfertes Fleisch von Abel will und kein gedünstetes Gemüse von Kain. Diese banale Entscheidung Gottes führt zur Eskalation, weil der Instinkt Neid Kain überkommt und er diesen wesenhaften Instinkt nicht mehr von seinem Verstand steuern kann und zu einem Tier ohne Mitmenschlichkeit wird. Der Versuch, selbstlos zu sein, „selbst der Instinkte los“ zu sein, scheitert kläglich. Und dieses klägliche Scheitern wird durch das Kainsmal in die Welt getragen. Die Versuche in der Menschheitsgeschichte, Selbstlosigkeit (Instinkte) zu steuern, werden immer strukturierter. Man nennt das Recht oder Gesetz oder Ordnung.

Auch die aufblühende Religion Israels zu diesem Schöpfergott, der sogar die Israeliten vorab aus der Sklaverei führt, lässt den Versuch wagen, dass wir mit Gesetzen, also Verhaltensregeln wie die 10 Gebote (du sollst, du wirst…) den Instinkt in den Griff bekommen. Diese positive Denkweise, „Weil Gott dies aus der Sklaverei geführt hat, wirst du Selbstlos sein“, schlägt aber schnell in eine Verbots-Gesetzlichkeit um, was man nicht mehr darf oder wie Übertretungen zu bestrafen sind. Das Gesetz selbst wird zu dem neuen nicht mehr beherrschbaren Instinkt der gewollten, gesetzlichen Selbstlosigkeit.

3.      Christus – Instinkt und Verstand in eins als Hingabe

Mit Christus wird deutlich, dass der Gebots- als auch der Verbotsglaube gescheitert sind. Denn mit den Gesetzen, um Gott gerecht zu werden, erreicht der Mensch KEINE Erlösung von der Sünde, also der dauerhaften Befreiung, dass des Menschen Instinkt seine Menschlichkeit auffrisst.

Christus wird zum Symbol, dass Instinkt und Verstand in der Hingabe für den anderen in eins fallen kann. Dass wir dem Instinkt keine Angriffsfläche (also eine verkleinerte Angriffsfläche) für seine Menschen verletzende und Menschen verachtenden Handlungen bieten möchten.

Erlösung bedeutet nun, dass Christus für uns eintreten muss und will.

Christus wird im Kreuz zum Hingabeopfer Gottes selbst, damit wir in seine Auferstehung hinein, uns vor dem Instinkt gerettet wissen können.

Die Selbstlosigkeit Gottes überwindet letztlich unseren Instinkt nicht mir Verstand sondern Hingabe.

4.      Heute – Freiheit und Begrenztheit

Und heute? Hier im Jahr 2020, mit Klima, Corona Bier und Virus, Rentenproblemen, instinktiven Hamsterkäufen, Panikattacken, und Wetterkapriolen. Wir Menschendrängen nach Freiheit, wenn Menschen von Ost nach West gehen von Süden nach Norden, um auch ein Leben in Geborgenheit, in Wohlstand oder Freiheit zu führen. Unser Instinkt treibt uns an und vertreibt die anderen, je mehr wir unsere Selbstlosigkeit dem Instinkt opfern. Das ist letztlich auch das Dilemma jeder übersatten Gesellschaft; die Angst vor Verlust der Überfülle und des Wohlstandes in eine instinktive Kehrwende umwandelt.

Bekommt das Gegenüber ein Gesicht, kann das helfen; wie in unserem Kirchenasylfall Loveth Osaro. Muss aber nicht, wie Kain bei Abel zeigt.

Die Sage, die uns heute begleiten möge, bietet eben nicht einen rotbäckigen Apfel der süßen Erkenntnis ALLEIN, sondern auch eine bittersüße Wurmstichigkeit eines jeden Bisses der eigenen Natur.

Was hilft, ist dieses: Wir dürfen, können und sollen uns auf die Selbstlosigkeit Gottes in Christus vertrauen. Uns so wir jeder Bissen im Hals nicht stecken bleiben, sondern einen neuen Horizont für die Freiheit als auch gegen Gott erkämpfte Ebenbildlichkeit.

Amen

 Herr, schenke die Gier nach Freiheit, die Lust zur Hingabe, die Macht, mit anderen zu teilen und Gerechtigkeit, die neidisch macht.  Amen.