2019.08.25 (Mk 12, 28-34): Gaukeln und schaukeln durchs Lebens?

Neue evangelistische Übersetzung (Mk 12, 13-40 als FANGFRAGEN überschrieben)

28 Einer der Gesetzeslehrer hatte ihrem Streitgespräch zugehört und bemerkt, wie treffend Jesus den Sadduzäern antwortete. Nun trat er näher und fragte ihn: "Was ist das wichtigste Gebot von allen?"
29 "Das wichtigste", erwiderte Jesus, "ist: 'Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist der alleinige Herr.
30 Und du: Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Verstand und mit all deiner Kraft!'
31 An zweiter Stelle steht: 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!'7 Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden."
32 Da sagte der Gesetzeslehrer: "Rabbi, das hast du sehr gut gesagt. Es ist wirklich so, wie du sagst: Es gibt nur einen einzigen Gott und außer ihm keinen.
33 Und ihn zu lieben von ganzem Herzen, mit all seinen Gedanken und mit ganzer Kraft und seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, das ist viel mehr wert als alle unsere Opfer."
34 Als Jesus sah, mit welcher Einsicht der Mann geantwortet hatte, sagte er zu ihm: "Du bist nicht weit weg vom Reich Gottes." Danach wagte niemand mehr, ihm eine Frage zu stellen.

 

1.      Einleitung

Zu Kerweburschen gewandt: Seid ihr eigentlich immer noch betrunken?
Freunde – bevor ihr antwortet, Vorsicht. Nicht weil wir in der Kirche sind, und man als Christ angeblich nicht betrunken sein darf, SONDERN weil das eine FANGFRAGE ist.

Denn je nachdem wie man die Frage stellt und beantwortet, ist entweder die Antwort falsch oder führt einem in einer unlogische Antwort.
Beispiele für Fangfragen oder Fang-Ausagen sind:

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Wenn du mich lieben würdest, wüsstest du, was ich zum Geburtstag will. (Je antwort falsch, weil man eh Schuld ist)

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Bist du eigentlich immer noch so geizig? (Egal wie, ich bleibe geizig)

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Waren sie betrunken und haben deshalb den Unfall gebaut? (Entweder war ich betrunken oder hab den Unfall gebaut)

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Ist dein IQ immer noch beim Gefrierpunkt? (Ja, Gefrierpunkt; Nein-Gefrierpunkt war mal)

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Hast du schon wieder blau gemacht, weil dein Firma dich entlassen hat?

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>Nur Deppen und Alte gehen in die Kirche. Warst du am Sonntag da?<

O.k. – Mal genug der Fangfragen.

Fangfragen sind eine besondere Form rhetorischer Fragen: Die Fangfrage ist meist so gestellt, dass ein unaufmerksamer Mensch eine zu schnelle Antwort gibt, die dann entweder falsch ist oder der Antwortende sich selbst widerspricht. Häufig werden dabei zwei Dingen oder Vorannahmen (auch Präsuppositionen genannt) gegenüber gestellt, die für sich gesehen uns in ein Dilemma bringen. Deshalb sind Fangfragen sehr heimtückisch sein. Denn gebe ich eine Antwort auf die Frage: Musst du dich eigentlich immer auf der Kerb besaufen? Ja – dann bin wir die Säufer. Nein, aber ich besaufe mich häufig auf der Kerb. Zudem: Menschen, die Fangfragen stellen, stellen sich selbst an die bessere Instanz dar. Eine Form von Vorwurf oder Schuld soll auf uns, die gefragt werden, hängen bleiben. Also egal wie ich antworte. Es bleibt ein schaler Beigeschmacl.

„Musst du eigentlich immer andere Männer anhimmeln?“
Sage ich: „Ja“, schon setzt man oder frau sich dem Vorwurf der Schlampe aus. Oder Nein, dann macht man das nur gerade jetzt nicht, Anhimmeln.  

Diejenigen, die fragen, wollen uns dann in eine Ecke drängen oder letztlich uns was andrehen. Nehmen Sie nun den Gasgrill oder den mit Strom? Ähem – eigentlich schaue ich nur nach dem Grillbesteck!

Also auch bei Verkaufsgesprächen ist das üblich: Wollen Sie die Sportsitze mit Sitzkühlung oder ohne? Ähem – ich benötige keine Sportsitze.
Ganz subtil: Darf’s etwas mehr Ausschnitt sein, wenn die Waage schon mehr anzeigt? Oder haben Sie schon mal gehört: Darf es etwas weniger sein?

Wie auch immer. Fangfragen kommen im Leben vor. Auch in der Kirche.
Und Freunde wisst ihr was? Bei Fangfragen geht es um die Schuld anderer. Deshalb haben wir in Raunheim so etwas Geniales wie Einfaches erfunden. Etwas Einmaliges. Ich sprach schon letzte Woche davon.

Die Lösung auf alle Fang- und Schuldfragen ist die Antwort: Wer außer Pfarrer Becker kann’s denn gewesen sein? Klar: Niemand. Becker ist schuld. Und wenn es noch immer wieder in der Zeitung steht, muss es ja wohl stimmen. Ich finde das ´ne gute Lösung. Egal ob die Flörsheimer Fluglärm haben, ein Eisberg wegen Klimawandel kalbt, am Badesee-ein Parkproblem ist oder dass es einen Stau vorm oder im Rathaus gibt:

Der Parre Becker war es. Und irgendwann lautet es nur noch: Also – Was hast du jetzt wieder angestellt? Fangfrage. Ähem – ich Schuld.

2.      Bibeltext

Warum rede ich von Fangfragen oder Schuldzuweisungen?

Ganz einfach: Jeden Sonntag gibt es einen Text aus der Bibel über den die Pfarrer predigen sollen und heute geht’s es im Text um Fang- und Schuldfragen Jesu gegenüber. Ich lese mal vor: Markus 12, 28-32.

Eine Fangfrage: Was ist das höchste Gebot? Denn es gibt 613 Gebote und viele sind sich ebenbürtig. Ungefähr so: Was ist das beste Bier?
Oder: Wer ist die schönste Raunheimerin? Beste Partie? Der reichste Raunheimer? Da gibt es ebenso wenig EINE einzige Antwort drauf wie auf die Frage nach dem höchsten Gebot. Oder: Was ist das höchste Gericht in Deutschland? Antwort: Das Amtgericht am Titisee, mit 826 Meter über dem Meeresspiegel wie Wikipedia zu berichten weiß.

Jesus durchschaut die Fangfragen, die ihn verfangen und damit als schuldig, fehlerhaft darstellen soll. Er antwortet letztlich mit DREI Antworten auf die Frage nach dem „höchste“ Gebot: 1. Gott lieben und 2. den Mensch lieben und 3. wie dich selbst.

Schon vorab im Kapitel 12 des Markusevangeliums nerven Jesus diese Besserwisser und Schuldzuweiser. Und Jesus dreht den Spieß um.

• In (Mk. 12) Vers 13-18: geht es um die Frage: Soll man Steuern zahlen. Antwort: Gebt dem Kaiser, was des Kaiser ist. Bei Gott zählt das nicht.

• In (Mk. 12) Vers 19-27 geht es um die Frage: Wie ist das bei der Auferstehung, sehe ich dann meine 4 geschiedenen Ehefrauen wieder?
Antwort: Gott ist ein Gott der Lebendigen, nicht der Toten.

• Dann (Mk. 12, 28-32) unsere Fangfrage nach dem höchsten Gebot.

• Danach (Mk. 12, 33-40) dreht Jesus das Spielchen mit den Fangfragen um und fragt: Wie kann der Messias Davids Sohn sein, wenn David den Messias als Herr anredet? Für diese Retouren liebte ihn das Volk, weil dem Volk – wie Jesus auch - das weltfremde und abgehobene Gefasel der Theologen auf den weltlichen Wecker geht.

• Zuletzt (Mk. 12, 41-45) berichtet Jesus von der Währung Gottes, die im Leben zählt: Die Witwe, die kaum was besitzt und dennoch mit dem wenigen was sie hat, den anderen hilft. Diese Witwe ist mit Herz bei der Sache und nicht einfach ein schwätzender Haufen von Wichtigtuern.

Es ist gerade diese Lockerheit, die an Jesus begeistert. Die Lockerheit im, am und für das Leben der Menschen, damit Sie leben; und sich nicht durch die Schwätzer, die Vorgaukler und Schaukler das Leben vermiesen lassen.

3.      Christus

Letztlich spiegelt sich in dem Verhalten Jesu nur eines wider: Unser Leben ist eine Ansammlung von Fang- oder Schuldfragen, wenn es um das Leben selbst geht; WENN wir uns diesem nicht entziehen.
Das Leben selbst fängt uns und wir schulden diesen Menschen nichts. Kein Schuldgefühl oder Eingeständnis. Denn: Wir müssen selbst das Leben leben und gestaltet. Eingebunden in diesem Leben fordert es von uns nur die eine Antwort: Bekennst du dich zur Freiheit, also dass das eigene Leben im Mittelpunkt dieser Freiheit Gottes steht? Und eben nicht eine Show des Vorführens, des Beschuldigens, des Besser-Sein-Wollens, des Besser-Sein-Müssens. Erst, wenn man/ frau ablegen kann, was andere von uns erwarten, fordern, fangfragen oder schuldzusweisen - wenn man das wie und mit Christus schlicht ablegen, einfach ignorieren kann, dann wird Leben sein Leben wert, lebenswert.

4.      Heute

Denn sonst ist das Leben, mein und dein Leben gefangen in Schuldzuweisung, Neid; eine Tretmühle, der man nicht entfliehen kann; weder durch Geld, noch durch Alkohol, durch Sex oder durch Wichtigkeit. Sicher Geld, Alkohol, Sex, Bewunderung sind nicht zu vernachlässigen, wenn wir uns nicht verfangen; das Leben im Leben aus den Augen verlieren.

Ich selbst bin dann jetzt mal drei Monate weg. Was macht Raunheim eigentlich dann ohne ihren Sündenbock? Wer ist dann schuld für den Klimawandel, die Entlassung, die Kurzarbeit, dass das Auto liegen bleibt?

Freunde wisst ihr was: Was solls? So what? Es ist ganz einfach, um es mit den Worten Jesu zu sagen: Liebt Gott und kümmert euch um den Nächsten, der euch braucht. Das schafft ihr problemlos. Oder?

Und in drei Monaten- tja, dann kann ich ja wieder Schuld sein. So einfach isses im evangelischen Raunheim. Amen.

Herr, schenke Raunheim Wonne, Sonne und den Drang zu leben. Amen .


 

Übersetzung nach Luther 2017: MK 12, 28-34 Die Frage nach dem höchsten Gebot

28 Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?

29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,

30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5).

31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Gott ist einer, und ist kein anderer außer ihm;

33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.

34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.