2019.04.21 (Joh. 20, 11.18). Thema: Ostern = Durch - Sicht

Joh, 20, 11-20

11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein

12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.

13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen.

16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! (Mariam, meine Geliebte Maria) Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.

18 Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe.

 

1.      Einleitung

Alles begann mit einem Diebstahl.
Einem Diebstahl, der letztlich die Welt auf den Kopf stellte. Der Diebstahl öffnete den Himmel in einer Art und Weise, wie die Menschen diesen bisher noch nie gesehen hatten. Und die Folgen dieses Diebstahls halten bis heute an, weil durch diesen Diebstahl der Blick, der Durchblick, die Durch-Sicht eine unvergleichliche Öffnung des Horizontes und des Himmels für die Menschen bedeutete. Alles begann mit einem Diebstahl.

Nein – ich rede nicht von den Diebstahls-Gerüchten aus der Bibel, dass der Leib des toten Jesu aus dem Grab gestohlen werden könnte.

Ich rede von dem Diebstahl bei dem Deutsch-Holländern Hans Lipperhey (oder Melitus; Jansen) im Jahr 1608, dem Erfinder des Fernrohres.
Es war kein geringer als Galileo Galiliei, der die Erfindung des Fernrohrs schlicht klaute und schon 1609 deutlich verbessert nachbaute (Galilei-Fernrohr). Mit seinem geklauten und verbesserten Fernrohr, das er am 25. August 1609 öffentlich vorstellte, hat er schlicht die damalige Weltsicht aus den Angeln gehoben: Nicht die Erde als Gottes Schöpfung ist Mittelpunkt der Sonnensystems oder gar des Universums. Revolutionär – bis heute – war, dass mit einem menschlich erfundenen Hilfsmittel empirisch, also mit den Sinnen wahrgenommene Sichtweisen eine NEUE DURCH-SICHT zur Welt, dem Himmel und der Stellung der Erde im Universum gefunden wird. Nun, neu war es eigentlich nicht, weil die Araber und Chinesen schon längst auf dem Trichter dieser Erkenntnis waren.

Aber dieses Beben, das auf einem Diebstahl beruht, hat eine Sicht auf die Welt beschert, die eine Abkehr der Annahme, alles, was man wissen müsse, stehe in der Bibel oder werde durch Kirche vorgesagt. Mit dem Erfindungsdiebstahl konnte Galilei dann in den Himmel blicken und „sichtbar“ Regelmäßigkeiten der Bahnrotationen der Planeten, neue Jupitermonde entdecken, und vieles mehr feststellen. Galilei bewies quasi damit die von Kopernikus (1543), ca. 70 Jahre vorher aufgestellte These, dass das Planetensystem ein Sonnen-System und kein Erd-System sei; also NICHT die Erde, die Schöpfung Gottes, im Mittelpunkt stehe.
Johannes Kepler setzte zwei Jahre später, im Jahr 1611, auf Galilei noch eines oben drauf und stellte dann aus empirischer und mathematischer, also aus nicht biblisch-religiöser Sichtweise die ersten naturwissenschaftlichen Basisgesetze für die Planetenrotation auf.

Die Welt wurde messbar, sichtbar & erklärbar - und das alles ohne Gott.

1611 wurde Galilei hoch geehrt, bejubelt und vom Papst wohlwollend empfangen. Später erst, ab 1615 regte sich Widerstand gegen die neue Sichtweise und die Durchsichtigkeit der Planetenrotationen. Dass Galilei ab 1633 dann zu Hausarrest verurteilt wurde, hat aber die neue Art der Wahrnehmung von Welt durch unsere Sinne nicht aufhalten können.

Neue Erkenntnisse, Durchsichten sind also ein gefährliches Unterfangen, wenn man diese neue Transparenz, das neue Durch-Sichtige für sich so erkannt und bestimmt hat.

2.      Bibeltext

Auch heute geht es um Erkennen, Ein- und Durchsicht im Leben.
Es geht um die Frage, welche Durchsicht uns die Auferstehung Christi im Leben bieten kann? Was macht Auferstehung für uns sichtbar, transparent? Zu Antworten will der heutige Predigttext uns in einer unvergleichlichen Weise helfen. Predigttext lesen: Johannes 20, 11-18

Zunächst: Es sind nicht die Männer, die die ersten Botschafter der Auferstehung sind. Es sind auch nicht die Frauen, sondern es ist – nach Johannes – Maria, die aus Magdala. Auch wenn die Evangelien diesen Umstand höchst Eindrücklich beschreiben, Paulus kennt/nennt diesen nicht. Diese Erkenntnis ist beachtlich. Denn die ersten Schriftdokumente zur Auferstehung, schrieb Paulus im 1. Kor. 15, 3-8  also um 50 n. Chr. Evangelien, auch das Johannesevangelium, gab es da so noch nicht.

Warum erwähnt Paulus die Frauen nicht? Möglicherweise hat Paulus das auch einfach mal weggelassen, weil er ja in Korinther einen heftigen Gemeindekonflikt (nicht unähnlich wie auch hier) zu regeln hatte. Dieser Gemeindekonflikt, der auch wesentliche von den Frauen der Gemeinde gegeneinander geführt wurde, führt ja ein Kapitel (1. Kor. 14, 33-37) vor der Zeugenliste des Auferstandenen zu der bis heute heftig diskutierte Aussagen, dass die Frauen in der (Korinther) Gemeinde schweigen sollen. Da kann er schlecht ein Kapitel später davon reden, dass es eigentlich die Frauen waren, die die ersten Auferstehungszeuginnen sind.

Aber zurück zu Maria Magdalena. Um sie ranken viele Gerüchte und nach der Auffindung des Philippusevangeliums in Nag Hammadi 1945 noch mehr. Dort wird Maria als Liebling Jesu beschrieben und scheinbar (aber wissenschaftlich nicht beweisbar) als Geliebte; aber zumindest als Gefährtin. All das, und die wirren Romane von Dan Brown können wir heute mal an die Seite legen und uns nicht spekulativ, sondern durchsichtig, sinnhaft an den Bibeltext machen.

Letztlich sind es nur zwei Worte des Textes, die wirklich faszinieren.
Maria erkennt zunächst Jesus nicht und weint bitterlich (4 mal erwähnt!). Sie ist derart mit ihren Sinnen blockiert, dass eine empirische Wahrnehmung komplett getrübt ist. Auf die Augen und Ohren scheint Sie sich nicht verlassen zu können, weil Sie sich verlassen fühlt und komplett eingeschlossen ist von ihrer Trauer um den Tod ihres geliebten Lehrers Jesu. So hält sie auch den auferstandenen Jesus für den Gärtner. Guter Beruf!

a) Nur ein Wort weckt Sie auf: Mariam – Auch wenn die exakte Bedeutung des Wortes „Mariam“ (lateinsch „Maria“) ungeklärt ist, scheint es sich um eine Liebesansprache zu handeln; wie „meine Geliebte Maria“. Erst diese Ansprache wirkt durch alle verschwommene Sensorik hindurch zum Menschen Maria aus Magdala und macht das Leben durchsichtig.

b) Und die Antwort auf die Ansprache „Mariam“ lautet von ihr:
Rabbuni
– mein Meister. Ein Wort und die Sichten klären sich, die Durchsicht auf den Auferstandenen wird sichtbar, wie ein Blick durch ein Fernrohr. Die Sinne werden geschärft und fokussiert, die Ungeheuerlichkeit der Erkenntnis, die den Himmel neu werden lässt, mit einem Blick, einem neuen Blick.

Das Wort „Rabbuni“ kommt zudem nur ZWEIMAL in der Bibel vor: Hier bei der ersten Auferstehungswahrnehmung und bei einem Blinden (MK 10, 51) der sehend werden will und Jesus darum bittet.

3.      Christus ist auferstanden=Gott lässt sich in die Karten blicken.

Also. Was ist die Auferstehung anderes als nur dies: Die neue Erkenntnis, dass Himmel und Erde, Leben und Tod, Auferstehung und Kreuz dann eine neue Einheit bilden, wenn wir unsere Sinne schärfen. Die Botschaft lautet: Ihr seid Geliebte Gottes und wenn Ihr diese Botschaft in euch und euren Sinnen empfangt, sie einen Anklang, Widerhall finden, dann erst kann das Erkennen des neuen Himmels, der neuen Erde letztlich auch zur Durch-Sicht werden. Auferstehung ist also nur dies: In Christus entsteht die Transparenz, das Durchscheinende zum Himmel, zu Gottes Plan und zu seiner Liebe uns Menschen gegenüber. Nicht mehr, nicht weniger. Alles andere zur Auferstehung ist und bleibt letztlich Spekulation. Selbst die empirische Forschung des Thomas, der die Wunden des Auferstandenen anfassen will, hilft nicht. Zu was auch? Jesus lebt – das ist es; er ist über Alles erhöht und auferstanden; wahrhaftig auferstanden.Und mit diesem revolutionären Ereignis – ohne Diebstahl übrigens – wird für die Menschheit Himmel, leben und Erde neu bestimmt. Transparenz zu Gott hin erzeugt. Der Himmel reißt auf und zeigt seinen Willen.

Letztlich ist es einfach: Tot – wieder lebendig, aber nun unter komplett anderen Vorzeichen, Denkweisen und einer neuen Durchsichtigkeit.  

4.      Auferstehung heute

Was bedeutet dies aber für uns, dass sich Gott in seine Karten schauen lässt? Was bedeutet es, wenn wir als Kinder Gottes gerufen sind durch den Tod hindurch den Himmel als Zukunft des eigenen Lebens zu sehen? Was bedeutet es, auf Auferstehung mit Rabbuni, mein Herr, mein Lehrer heute zu antworten?

Wie alles, ist es ganz einfach; wie ein Fernrohr, welches nur die menschlichen Sinne schärft, aufweckt, das Denken anregt und letztlich die Synapsen der Vergangenheit mit und zu neuem Leben weckt.

Letztlich musste dies auch die katholische Obrigkeit einsehen, dass die Verurteilung Galilei wider die Auferstehungsbotschaft des Evangeliums ist. Die DURCH-, EINsicht fast 360 Jahre bis 1992 gedauert, immerhin.

Denn: Mit Auferstehung wird jegliche bisherige Tradition, jegliche geprägte Sicht der Vergangenheit, also jegliche VOR-Sicht vor der neuen Transparenz oder der Zukunft Gottes überflüssig. Denn Auferstehung ist DURCH-Sicht, Transparenz auf Gott selbst.

Und: Mit der Auferstehung wird auch jegliche Angst vor Zukunft, also jegliche NACH-Sicht vor der neuen Transparenz, der DURCH-Sicht auf Gott, letztlich überflüssig, ja sogar hinderlich.

Jedem Bedenkenträgertum, jeglicher Angst vor Neuem, jeglichem Beharren auf dem Gestern, jeglichem Ausweichen vor der Zukunft ist in Christus und seiner Auferstehung eine neue Dimension, ein neuer Himmel in der Gnade Gottes eröffnet.
DURCH-Sicht ohne Scheu. AUF-Bruch ohne Rückblick. GEWISS-Heit – ohne Restrisiko. Das ist Auferstehung. Und unsere Antwort kann und darf lauten: Vertrauen! Oder Rabbuni! Mit neuen Sinnen und Wahrnehmung!
Gott lässt sich an diesem Sonntag vor 1990 Jahren – erstmals von Maria Magdalena, der „Apostelin der Apostel“ nach Hippolyt, in die Karten schauen. Gott öffnet den Kanal der Transparenz von Vergangenheit über Gegenwart in die Zukunft hinein. Keine Scheu vor Veränderung. Schärft heute eure Sinne, und tretet hinein in die Zukunft, die in der Auferstehung für Christen sichtbar, durchscheinenden, durchsichtig, transparent wird.

Denn was soll uns geschehen, wenn uns die Zukunft Gottes offen steht?

Das ist Ostern. Das ist Auferstehung. Das ist Evangelium! Amen

Herr, schärfe unsere Sinne, unser Denken, unser Sein. Amen