24.06.2018 (1. Petr. 3, 8-17): Die evangelische Suppenfrage

1. Petr. 3, 8-15a(15b-17)

Mahnungen an die ganze Gemeinde

8 Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.

9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.

10 Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.

11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.

12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber sieht auf die, die Böses tun« (Psalm 34,13-17).

13 Und wer ist's, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?

14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;

15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.

Vorgelesener Predigttext:

15b Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist,

16 und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.

17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

 

 

1.      Einleitung

Freunde ich will heute mal über die Suppenfrage der Christen reden?
Ja die Suppenfrage. Ich nenn das so, weil anhand der Suppenfrage eigentlich deutlich wird, was uns der Predigttext, den ich später noch in Auszügen vorlese, sagen bzw. worüber wir heute nachzudenken hätten.
Aber zunächst zu der evangelischen Suppenfrage. Ich erzähle diese mal in ihrer jüngsten Begebenheiten.

Jüngst war ich bei meiner Mutter; natürlich auch zum Essen, weil meine Mutter eigentlich ganz gut kochen kann.

Die Suppe, die ich mir gewünscht hatte, war aber mit einem säuerlichen Geschmackston durchzogen, so dass die Markklöschen-Suppe insgesamt einen komischen Geschmack bekam. Da wir im hessischen Hinterland ein ganz besonders sensibles Völkchen sind, fragte ich: Was hast du den mit der Suppe gemacht? Meine Mutter mit Pokerface ‚Wie ich das meine?’ stellt eine Rückfrage. Sie merken, die heimatliche Kommunikationsverfahren für Kritik sind bei unserer Familie in einer höchst ausdifferenzierten Weise erprobt.
Mir war natürlich bewusst, dass meine Mutter selbst den – falschen - Geschmack der Suppe wahrgenommen hat, aber sich zunächst nicht die Blöse eines Fehlers geben wollte.
Die kritische Gesprächsführung setzte ich dann – in guter Kommunikationsmanier des Hinterlandes höchst sensibel - mit dem Hinweis fort: Die Suppe schmeckt nicht.“ Und ergänzte: „Was hast du anders gemacht.“
Die klassische Gesprächskritik im Hinterland führt dann dazu, dass die angegriffene Seite, einen kommunikativen Ausfallschritt macht, um zur Verwirrung und zur Eigenirritation des Zweiflers/des Kritisierenden, also meiner Person führt. Meine Mutter führte aus, dass der Nachbar Herwig, der einen Topf Suppe erhalten habe (er und seine Frau war gerade vom Krankenhaus zurück und meine Mutter hatte das Mittagessen übernommen). Herwig habe die Suppe klasse geschmeckt.

Um die weiteren Kommunikationsschritte abzukürzen: Natürlich habe ich mich von der kommunikativen Technik des „Vernebelns“ (hier der kranke Nachbar Herwig) nicht beirren lassen und nach einer sachlichen Präzisierung (die Suppe schmeckt sauer/säuerlich) in die Ursachenfindung begeben. Letztlich – nachdem meine Mutter dann die Vernebelung aufgegeben hat und den komischen Suppengeschmack selbst zustimmte – haben wir – durch Anrufe einer Hotline - rausgefunden, dass die Suppenwürfelfirma eine neue Rezeptur hat, die scheinbar die gute Markklößchensuppe der Mutter in ein Alp- statt Traumessen verwandelt.

Es geht bei der Suppenfrage also um die Frage, wie man sich richtig im Leben verhält – auch im Angesicht von Schwierigkeiten, von Fehlern, von Auseinandersetzungen oder banal bei der Frage im Ungang von Kritik, der wir uns ausgesetzt sehen oder die wir geben.

Und natürlich wissen wir, wie wir uns verhalten müssten, richtig und korrekt verhalten müssten: Wir sollten gleich gesinnt sei, Sympathie zeigen, hilfsbereit, zuvorkommend. Also: Wie wir oder unsere Suppe, in die wir unser Leben hineinbrocken, sein sollten, das wissen wir; eigentlich.

2.      Bibeltext

Und so beschäftigt sich der Schreiben des 1. Petrusbriefes mit der Suppenfrage, nämlich wie Christen sich im Leben zu verhalten hätten.

Der Text aus 1. Petrus 3, 8-17 ist ein Sammelsurium von derartigen guten Vorschlägen. Ich fasse mal die Verse 8-15a zusammen:

Sei gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.
Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort.
10: Redet nichts
Böses, betrügt nicht mit Lippen.
11 
Tut Gutes; sucht Frieden
13
: Eifert dem Guten nach.
14 
Leidet um der Gerechtigkeit, fürchtet euch nicht vor Drohungen, erschreckt nicht. >Und zusammenfassend: <
15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.

In der alten Kirche und seit den ersten Gemeinden als um 30-100 nach Christus waren diese Handlungsanweisungen für die alltägliche Suppenfrage scheinbar ein wesentliches Thema. Man nennt das dann Ermahnungsrede oder Paränese. Häufig wird bei Paulus noch ein ermunternden Wort hinzugefügt, die sogenannte Protrepsis, damit die Ermahnung nicht ganz so schlimm rüberkommt. Wir Evangelischen, das sollte aus dem Beispiel der Suppenfragen mit meiner Mutter klar geworden sein, scheuen uns aber nicht, auch Tacheles, also klare Worte zu finden ohne auf die Blümchensprache zu achten, um niemanden für eine versalzene Suppe weh zu tun.

Hier wird auch deutlich, dass Paulus eher eine evangelische Sicht der Dinge einnimmt. Unser Predigttext ist aus dem Petrusbrief. Und Petrus vertrat teils eine andere Theologie, die us auch heute noch mehr katholisch anmutet. Während die katholische Theologie und das katholische Leben eine ausgeprägte Moral- und Barmherzigkeitstheologie ausformuliert, bis hin zum Ablass, also der bis heute gültigen Form der Sündenvergebung, also der Vergebung bei Suppenfragen, ist das bei den Evangelischen anders.

Wir haben keine Moral. Wir haben Ethik! Und was der Unterschied zu den Ermahnungen ist, machen die nächsten Verse des heutigen Predigttextes überdeutlich (V15b-17):

15b: Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist,

16 und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.

17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

Die evangelische Art mit der Suppenfrage umzugehen ist eine, die sich anhand eines generellen Grundverhaltens orientiert und nicht an einer konkreten Übertretung. Die Zukunft, die Bereitschaft zur Verantwortung, vor jedermann mit Rechenschaftspflichtung und vor allem der Bereitschaft diese Rechenschaft über unser Handeln zu geben, steht unweigerlich im Vordergrund; nicht das Aufzählen und Abarbeiten von Sündchen; oder von einzelne Markklößchen. Bildlich gesprochen geht es bei uns um die Suppe und nicht um das Haar, die Nudel oder den einzelnen Klops, den wir in die Suppe haben fallen lassen. Das unterscheidet uns eigentlich bis heute. Was „besser“ ist, wenn es um den Umgang innerhalb der Kirche geht, keine Ahnung. Da aber uns als Evangelische idie Verantwortungszusammenhänge, die Rechenschaftspflicht und Bereitschaft der Evangelischen zur Rechenschaft anerzogen werden (sollten), führen wir diese Besonderheit der Suppenfrage als generelle Frage fort.

3.      Christus

Diese Frage der Alltagssituationen, oder wie man oder Frau oder Kind oder Konfirmand oder Asylant oder wer auch immer zu verhalten hätten, ist für uns recht einfach. Wir wissen einerseits um die Fehler und andererseits um die Vergebung im generellen Falle; für alle Einzelfälle. In Christus ist uns diese Zukunft zugesagt, so dass wir uns auch nicht fürchten sollen und brauchen vor der Zukunft, die Rechenschaft fordert, keine Angst zu haben.

Nichts kann uns diese Gewissheit nehmen, weil nichts gegen diese Zusage Gottes auch nur einen Hauch einer Chance hat. Die Vergebung Christi ist keine Vergebung, wenn wir was versalzen haben oder einen dicken Klops in die Suppe plumpst, sondern dass wir unser Leben im Angesicht der eigenen Fehler und Endlichkeit verantwortlich führen dürfen, können, sollen und werden.

4.      Heute

Wollen wir heute mal offen, klar und ehrlich sein: Meine Mutter mag keine Suppenfragen. Ich kenne eigentlich niemand der Suppenfragen in seinem Leben mag; mich eingeschlossen. Natürlich werde ich nicht gerne auf – bei klarem Wetter und Sonnenschein im Hirn – so offensichtliche Mängel angesprochen, dass man eigentlich von selbst schon hätte tätig werden müssen.

Niemand mag Suppenfragen, die einem die eigene Fehlerhaftigkeit und offensichtliche Unzulänglichkeit vorhalten. Noch weniger sind Suppenantworten gefragt; also wenn man eine aktive Rückmeldung erhält. Wie war das >Essen? Wie findest du die Predigt? Hat meine Tochter nicht toll gesungen, oder mein Sohn super Fußball gespielt.

Als ich vor nunmehr einer Ewigkeit vor 2 Jahren nach Raunheim gerufen wurde, um Suppenfragen zu stellen und Suppenantworten zu geben, war wahrscheinlich den wenigsten bewusst, was es deutet, den Fall „Raunheim“, wie es in der EKHN hieß, dem Becker anzudienen. Dass mich nun der KV samt dem Kollegen Hesse einstimmig wieder gewählt hat, muss an einer speziellen Hypnosetechnik liegen oder kann nur ein Irrtum sein.

In diesen beiden Jahren habe ich sicher so vielen Menschen auf den Füßen gestanden, Gewohnheiten mit Suppenfragen und – antworten bequält oder auch einen anderen Stil des Pfarrer als Hirte seiner Schafe eingeführt, dass es manchmal nicht leicht fällt, zwischen der messerscharfen Grenze von Jubel und Buhrufen zu unterscheiden.

Dass ich fehlerlos vorgehe, glaubt nur wirklich niemand, ich auch nicht. Dass ich Menschen verletzt habe mit meiner Art, verletzt im eingeborenen Traditionssinne, das betrübt mich. Dennoch sollte immer deutlich bleiben, dass die Suppenfragen und die entsprechenden Antworten letztlich nur eines sind: EVANGELISCH. Das bedeutet: Nur im Bewusstsein der Gnade, die mich, die euch durch Gott geschenkt ist, DESHALB – sind wir nicht aus ethischen Gründen gehalten uns selbst die Suppenfragen zu stellen und zu beantworten, sondern weil wir um des Evangeliums so sind. Wir sind keine Politiker oder Unternehmer oder sonstige Vereinsmenschen, sondern Christen, die allein ihrem Auftrag und ihrer Bestimmung Raum, Zeit und Verantwortung geben dürfen.

Und so sei es an meinem nun dritten Gottesdienst auf dem Bahnhofstraßenfest hier deutlich gesagt: Das Evangelische in Raunheim hat seinen Auftrag, an dem es festhält; ungeachtet von ideologischen oder politischen oder sonstigen Strategien.

Wir sind die Strategie Gottes, die für Raunheim Evangelisch und Evangelium in vielfältiger Weise darstellt und darzustellen hat. In Kitas, die wir ausbauen werden; in Jugendarbeit, die wir neu gestalten müssen; in Vermögensfragen, die uns besondere Verantwortung auferlegt; in Begleitung und Betreuung; in Gruppen und Bibelarbeiten und vor allem im Bewusstsein, dass Suppenfragen immer nur ein Ziel haben:

Das Salz in der Suppe zu sein und zwar in der exakt dosierten Menge.

Dem möchte und werde ich mich auch in den nächsten Jahren widmen.

Mein Wort drauf: Denn so wir die Suppe schmackhaft.

Amen.

Herr, gib Kraft für den klaren Blick für unsere Fragen in dieser Welt zu stellen und dass wir uns bereit sind, verantwortlich Zukunft zu gestalten. Amen.