21.05.2018 (Eph 4, 11-15): Geprägt zur Einheit

Epheser 4

11 Und er selbst gab den Heiligen die einen als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,

12 damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden,

13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi,

14 damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.

15 Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.

16 Von ihm aus gestaltet der ganze Leib sein Wachstum, sodass er sich selbst aufbaut in der Liebe – der Leib, der zusammengefügt und gefestigt ist durch jede Verbindung, die mit der Kraft nährt, die jedem Glied zugemessen ist.

 

1.      Einleitung

Bayern München: 1. Eintracht Frankfurt: 3.
Was das Ergebnis am Tag nach der Pokalentscheidung mit dem heutigen Predigttext zu tun hat, mache ich gleich deutlich.

Denn unser Leben im 21. Jahrhundert ist bestimmt – eigentlich – durch gleichmäßige, wiederkehrende Prozesse und Arbeitsabläufe bestimmt. Viele der Arbeitsprozesse des alltäglichen und den beruflichen oder auch des privaten Lebens sind aufgrund der Zielsetzung nach einheitlichen Schritten und Vorgehensweisen aufgebaut. Einheitliche Arbeitsabläufe erzeugen Sicherheit. Sicherheit, an die wir uns in Deutschland gewöhnt haben und die einen guten Teil des „geordneten“ Lebens in Deutschland ausmachen.

Denn wie wäre es, wenn wir uns nicht mehr auf diese Sicherheit verlassen könnten, wenn das Wasser auf der Armatur, der Strom aus der Steckdose oder die Wärme aus dem Heizkörper käme. Wie wäre es, wenn die Arbeitslöhne und Renten, ebenso die Mieten, die Stromrechnungen oder die Kreditkartenzahlungen eben nicht mehr mit der gewohnten Sicherheit der Regelmäßigkeit und der Standardisierung erfolgen.

In einer funktionalen Welt, die industriell und mittlerweile digitalisiert abläuft, müssen sich Menschen auf Verfahren und Prozesse verlassen können. Funktional bedeutet, dass Lebensbezüge einer Funktion und einer Zielsetzung unterworfen sind. Dazu wurden vor ungefähr 100 Jahren auch die Industrienormen in Deutschland, Europa oder USA eingeführt. DIN – das Deutsche Institut für Normung legt dabei seit – ebenso wie das Amerkanische ANSI [American National Standards Institute; vormals AESA, ASA (1928-66: daher Filmempfindlichkeit ASA) und USASI] seit 1919 diverse industrielle Normen fest, damit auf dieser Basis letztlich wieder einheitliche Entwicklungen entstehen können. DIN A 4 – also die Papiernorm legt die Größe von 210 x 297 mm fest. Es gibt unzählige von Normen, durch die Standardisierung von Arbeitsabläufen letztlich erst wieder sichergestellt werden kann. Was wären Drucker, Heftmappen oder auch mein Ringbuch OHNE die Sicherheit von Normen. Normen bilden also den innersten Kern einer Sicherheit im Leben und auch der Arbeitsprozesse ab.

Und so können wir Kuchen backen, weil die Normen festlegen, was ein Kilogramm, ein Meter, ein Zentimeter ist oder wie Mehl, Zucker usw. - ungeachtet des konkreten Müllers - beschaffen sein muss. Oder so können wir auch problemlos einen neuen Fernsehen, ein Handyladegerät an die Steckdose anschließen ohne darauf achten zu müssen, ob die richtige Spannung oder die richtige Frequenz an liegt oder der Strom die richtige Richtung als Gleich-, Wechsel- oder Mischstrom aufweist.

2.      Bibeltext

Was hat das alles mit dem heutigen Predigttext zu tun? Und – später - vor allem mit dem Eintracht Sieg.

Der heutige Predigttext redet auch von einer Normierung. Einer Standardisierung – aber von Menschen, die Christen werden durch Christus.

Bibeltext lesen

Nun – auch wir sind durch Christus quasi auf Norm gebracht, damit wir als seine Heiligen in der Welt seinen diakonischen Dienst tun.

Ja – wir sind die Heiligen Gottes. Nicht weil ein Papst uns dazu erklärt, sondern weil Gott uns in Christus dazu gemacht hat.

Und um diese Ausrichtung, unsere auf Christus ausgelegt Einrichtung durch die Taufe zu erhalten, werden uns – wie der Schreiber des Briefes an die Epheser zu wissen gibt -  Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten oder Lehrer gegeben.

Dieses – die in Christus eingeprägte – Gnade führt letztlich auch zu der Zurüstung wie es im Vers 12 heißt: Zurüstung zur Arbeit der Hilfe.

Kurz auch: Arbeiten der Diakonie. Bei diesem Vers geht es WENIGER um das, was wir heute mit Diakonie verbinden, als vielmehr wesentlich darum, dass Christen Unterstützung benötigen, um sich des christlichen Lebens bewusst zu werden. Unterstützung durch die genannten Personengruppen, damit es zu einer Sicherheit kommt, was denn nun christlich sei und was nicht.

Der komplette Epheserbrief – wahrscheinlich zwischen 70 und 100 nach Christus geschrieben – betreibt eine solche Normierung, Standardisierung. Der Schreiber sieht die Ungleichheiten, die Verschiedenheiten und auch unter den Christen selbst; vornehmlich in Kleinasien. Hier sind meist nicht Juden als Christen getauft, sondern Menschen aus dem römisch-asiatischen Imperium. Sie kennen weder die jüdischen gesetze, noch den Glauben an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten. Diese Getauften müssen nun angelernt werden, zugerüstet oder auch quasi angeleitet werden wie das Schlüsselwort in Vers 12 (katartimos – Zurüstung, Anleitung, oder auch wieder Eingerenkt) ausweist. Es geht um die Anleitung weil Christen Heilige sind, die nun die Arbeit der Hilfe und der Unterstützung leisten sollen. Letztlich ist es die Aufgabe, die Gnade und Liebe Gottes durch aktives Handeln in die Welt weiterzugeben.

Sichtbar – so die Vorstellung des Epheserbriefschreibers – soll alle Welt wahrnehmen, dass es unter den Christen anders zugeht. Nun diese Hoffnung hatten und haben viele.

3.      Christus

Und dennoch sind die Christen in die Gnade Gottes als Heilige aufgenommen. Und wesentlich im evangelischen Sinne ist die Befähigung diese Normierung, diese Einheit der Christen als Chance zu begreifen. Es bedeutet aber nicht, dass Jesus als Weichei in die Welt gekommen ist, und wir den Konflikten der Welt aus dem Weg gehen sollen, sondern dann wenn es dran ist durchaus auch Normen wider das Christsein steht auch zu verwerfen.

In Christus sind wir befähigt - als Heilige – auch gegen das bisher Normierte und gegen die bisherigen Lehrer, neue Wege zu gehen und gegen Establishment zu agieren. Es gilt die Angst der Welt vor Veränderungen der Einheit des Christseins zu opfern. Wir sind nicht Opfer, sondern begnadete Heilige zu Entwicklung von neuem.

4.      Heute

Sofern wir das übertragen und uns selbst in Raunheim ansehen, sind wir gerade aufgebrochen, gegen das Establishment, die Gewohnheit, des Immer-Weiter-So aus evangelischer Sicht neues aufzubrechen und zu wagen.

Nur weil alles Gestern und vorgestern so, und auch bei anderen schon so war, muss das nicht bleiben. Neue Idee bringen neue Normen an den Tag. Denn die wenigsten brauchen noch Hinweise auf einen Holzofen oder den Stromanschluss.

Wie bei der Eintracht gestern, eben. Der Trainer hat –gegen die Mehrheit – ein System gespielt, welches unglaublich war. Doppelte Viererkette vor dem 16 Meter Raum. Wenn Ihnen das nichts sagt, dann so: Quasi hat der die Strafraummauer erfunden. Bayern war wie immer. Überlegen, Kraftvoll, der schon selbst erklärte Sieger. Diese Norm aber wurde durchbrochen durch neue ungewohnte Wege. Die Schadenfreude ist bei Bayern gefühlt doppelt. Aber wie bei uns in den letzten Jahrzehnten so auch bei den Bayern. Nur der Neuaufbruch und Neufang (nicht das System Heyneckes) führt zu einer alten Größe. Die Neue Größe ist gefragt. Auch für das Evangelische. Wo ist die neue Ausrichtung für die Einheit; als Paulusgemeinde, als Großdekanat, als schwindende Landeskirche.

Und so ist es auch die Hoffnung an Pfingsten, dass nicht die immer gleichen Siegen und das Sagen und Bestimmen haben, sondern der Geiste neu Wege auftut und – auch Schmerzhaft und durch Lernen durch Leiden einen neuen Standard entwickeln kann, entwickeln darf.

Somit benötigen wir keine Angst, wenn alte Normen und Gewohnheiten sich ändern, sondern des nötigen Mutes, der Gelassenheit und der Zuversicht, die uns im Vers 15 zusagt ist: „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.“

Amen

Herr, trage unsere Hoffnung, schenke Mut für die Zukunft und mache bereit, dich und deine Gewissheit in Geltung zu setzen. Amen.