29.04.2018 (Apg. 16, 23-34): Fake News versus Evang. Wahrhaftigkeit

 

Apg. 16, 23-34

 Paulus und Silas im Gefängnis

23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen.

24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen.

26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.

27 Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.

28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!

29 Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.

30 Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!

32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.

33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen

34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

 

1.      Einleitung

Der Europäische Gerichtshof hat vorletzte Woche entschieden, dass Kirchen eine abweichende Religionszugehörigkeit nicht mehr als Ausschlusskriterium für eine Einstellung verwenden dürfen. Die EKHN hat darauf hin auf der gestrigen Landessynode in Frankfurt eine Kommission eingesetzt, die nun prüft, ab welchem Termin die Wahl des Kirchenpräsidenten oder eines evangelischen Bischofs auch für muslimische Imame geöffnet werden muss. ..... (Schweigen)

Fake News. Das war gerade eine falsche, eine verfälschte Nachricht.

Fake News sind heute das Thema der Predigt. Fake News das sind gefälschte oder verfälschte Nachrichten; früher hätte man von Propaganda gesprochen. Aber konkret: bei Propaganda/Fake News wird meist ein wahrer Kern einer Nachricht durch eine verfälschende Ergänzung oder Schlussfolgerung auf den Kopf gestellt. Durch diese Ergänzung wird eine verfälschte Nachricht, eine Fake News erzeugt. Die Fragen sind also:

Wo ist Wahrheit? Wo Wahrhaftigkeit? Wo ist Lüge? Wo Propaganda?

Zunächst: Unsere Nachricht vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist korrekt. Wobei es eine Einschränkung gibt: Natürlich gibt es weiterhin berechtigte Ausnahmen, z.B. dass kein Muslim evangelischer Bischof oder auch nur Pfarrerin werden kann. Und: Die EKHN hat keinen Ausschuss eingesetzt, der sich mit der Imam-Frage beschäftigt.

Die falsche, verfälschte, die Propaganda- Nachricht beginnt mit einer Verallgemeinerung, die aber nicht in dem Urteil des EuGH enthalten ist.

Insofern ist die Nachricht nicht korrekt komplett wiedergegeben, sondern schon für die nachfolgende falsche Aussage vorbereitet. Kurz: die Nachricht ist seitens der Person nicht wahrheitsgemäß oder wahrhaftig wiedergegeben. Hier beginnt das eigentliche Übel von verfälschten Nachrichten, von Gerüchten, die letztlich eine besondere Form versteckter Propaganda sein wollen. Das Ziel dieser Art von Lügen wird mit dem Mittel der Ungeheuerlichkeit getragen; also vom Spiel mit der Angst.

Fake News sollen ängstigen. Sie sollen Angst machen. Nicht die Vernunftteile des Gehirns werden angesprochen, sondern andere Synapsen, die Gehirnregionen der Angst. Bösartige und böse Gerüchte sowie deren Verbreitung dienen allein dem Ziel jene Regionen im Hirn anzusprechen, die Urinstinkte auslösen. Gefakte, verfälschte Nachrichten sollen über Angst den Raubtiermodus in uns zum Vorschein bringen.

Ja, den Raubtiermodus. Wir sollen auf die Jagd gehen, um mit Unverstand, Aktionismus und blinder Wut gegen etwas vorzugehen. Dieser Raubtiermodus ist in uns allen angelegt, egal ob Mann, Frau, Junge oder Mädchen. Selbst bei Kleinstkinder funktioniert dieser Modus. Und je nach Kultur und Gesellschaft und auch nach Religion sind die Grenzen vom zivilisierten Menschen zum Raubtiermenschen sehr dünn. Eine Sekundenbruchteilsentscheidung - und es kann in Übergriffen, Messerstechereien oder zügellosem Hass ausarten. Die Opfer sind dann völlig überrumpelt, hilflos und teils traumatisiert, wie wir diese aus Übergriffen, von den Silvesterhandlungen seinerzeit in Köln oder auch von Ehestreitigkeiten kennen. Mit blinder Wut einerseits oder hilfloser Erstarrung andererseits explodieren selbst bei scheinbar zivilisierten Menschen die Sicherungen der Zivilisation. Durch Übersprungshandlungen werden Hass, Panik, Wut und Verzweiflung tragend. Sind Sie im Raubtiermodus? Lassen Sie mich mal den Modustest machen: Sind Sie im Raubtiermodus, wenn ich Reizworte wie „Kopftuch/Verschleierung“, wenn ich „Asylanten“, wenn ich „Multikulti“, wenn ich „Ehe für alle“, wenn ich „mein Nachbar“ oder „Hartz IV“ sage? Oder noch einfacher: Sind Sie im Raubtiermodus, wenn ich von „Bayern München“ rede; und von „Pokalfinale“?

2.      Bibeltext

Was hat das alles mit dem heutigen Predigttext zu tun?
Zur Vorgeschichte des Predigttextes: Paulus und Silas sind auf Missionsreise. Es ist die zweite Missionsreise des Paulus. Auf der ersten hat Paulus seine Heimatstadt Tarsus und die heutige Mittel-/Südtürkei bis Ankyra beim heutigen Ankara besucht. Die zweite Missionsreise unternimmt Paulus nun mit dem Ziel über Kleinasien hinaus nach Europa, konkret nach Griechenland zu kommen. Mit Silas, einem angesehen Judenchristen aus Jerusalem unternimmt er diese Reise. In Europa haben Sie gleich erste Erfolge und Lydia, eine Geschäftsfrau, lässt sich und das Gesinde in Philippi taufen. Nachdem aber Paulus und Silas aber eine Sklavin heilen, entstehen Gerüchte, und es werden Fake News über diese komischen „Christen“ verbreitet. Letztlich stürzt sich der Mob auf Sie und die Stadtväter sperren Paulus und Silas ein. Hier nun setzt der Text ein.

Apg. 16, 23-34 Vorlesen.

Was ist das besondere an dieser Erdbeben-Wunder-Geschichte?

Das Besondere ist, dass nicht der Gesang, das Loben vom Paulus und Silas im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern das Verhalten des Kerkermeisters. Der Kerkermeister gerät in Panik, weil – ungeachtet des Erdbebens - ihm die Flucht angelastet werden wird. Da er sich nicht vorstellen kann, dass die Gefangenen bei offenen Türen nicht fliehen, fängt er an, sich selbst Fake News zu produzieren. Er malt sich aus, was mit ihm passieren wird und steigert sich in eine Art Angstpsychose, so dass er selbst keinen Ausweg mehr außer Selbstmord sieht.

Achtung: Der Kerkermeister hat sein Gehirn nicht eingeschaltet um die Sachlage zu ergründen, sondern vermutet, er stellt sich vor und letztlich – sieht er nur einen radikalen Ausweg: Den Ausweg, dass es keinen Zukunft mehr für sein Leben geben kann. Hier nun springt Paulus ein und holt den Kerkermeister auf den Boden der Tatsachen zurück.

Was macht Paulus als Christ? Er hat KEINE ANGST, die ihn ÜBERwältigt. Paulus lässt sich nicht von Vermutungen leiten, er zeigt Wahrhaftigkeit gegenüber jedermann; auch gegenüber den Personen, die seine Freiheit radikal durch Gefängnis eingrenzen. Das erinnert an Bonhoeffer in seiner Zelle. Er hatte auch Angst, aber Zutrauen. Er war hin- und her gerissen und doch blieb er wahrhaftig. Er sah Zukunft! Aber: Warum?

3.      Christus

Weil Christen keinen Fake News, keinen verfälschten Nachrichten aufsitzen oder verfallen. Wozu auch? Wozu sollten wir uns von dem Gesabbel, den Gerüchten, den Verleumdungen, den Halbwahrheiten, von dem Unsinn – selbst von Lokalredakteuren – erschrecken lassen?

Warum sollten wir uns überhaupt in dieser Welt erschrecken?

Glauben wir der Zusage Gottes nicht mehr? Vertrauen wir nicht auf die Gewissheit des Lebens, des ewigen Lebens. Klammern wir uns lieber fest am vergänglichen Leben, am Vermögen hier - wie der reiche Kornbauer? Und hier sind wir nun der wesentliche Frage des Textes auf der Spur.

Was konstruieren wir für Lebensängste - vielleicht wie der Kerkermeister, der sich eigentlich selbst in seinem Gedankengefängnis eingeschlossen hat – in unserem Hirn? Warum bieten wir dem Raubtiersegment oder dem Angstsegment in unserem Leben so viel Raum und Fläche?

Die Antwort des Paulus ist so einfach: Glaube an den Herrn Jesus!(V31)

Wenn Christus für uns in der Kreuzigung und in der Auferstehung wirksam sein kann, was 'zackern' wir so kleingläubig mit dem Alltagsunsinn; mit Fake News. Warum setzen wir für Gerüchte unser eigenes Leben aufs Spiel; aufs Spiel des Mobs oder des lächerlichen Zufalls?

Die Antwort des Christen, des evangelischen Christen muss lauten:

Weder Ritus noch Schuld, weder Angst noch Not kann uns letztlich von der Zusage Gottes trennen. Ohne Probleme scheint das leicht gesagt.

Aber die Aufgabe von uns allen als Evangelische in Raunheim ist es, diese Gewissheit allen und auch uns selbst immer wieder zuzusagen.

Diese Zusage, die Gott uns in Christus zugesagt hat, ist die evangelische Aufgabe!

4.      Heute

Blicken wir heute in die Runde der Welt, so haben an manchen Stellen seltsame Figuren die Königs-, die Präsidenten oder auch regionale Führungsposition erlangt. Statt zu dienen und zu helfen, wird gefakt, Propaganda betrieben, wird versucht, mit Geschrei Angst und Schrecken zu verbreiten.

Wir in Deutschland haben ein besonderes Erbe, wenn es darum geht, mit Propaganda, Fake News oder mit Angstmacherei umzugehen. Eigentlich sollten wir wissen, was es heißt, mit verfälschten Nachrichten Völker in den Abgrund zu drängen oder Menschengruppen umzubringen. Sicher dürfen wir auch nicht zu schnell unser Gehirn ausschalten, weil wir dieses Erbe haben. Aber eines ist sicher, vor allem heute am Sonntag Kantate. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.

Und je weniger Kirchenlieder wir in dieser Gesellschaft singen, desto weniger wird das Zutrauen!

Wer in das Horn der Verleumdungen, der verfälschten Nachrichten, beim Verbreiten von Gerüchten sich befleißigt, wer Menschen mit Unaufrichtigkeit schaden will, dem ist schlicht das eine entgegen zu setzen:

Wahrhaftigkeit. Wahrhaftigkeit – das ist nichts anderes als die Gewissheit– sich den Raum für die evangelische Gelassenheit zu bewahren, selbst und gerade in scheinbaren Krisenzeiten. Evangelische Gelassenheit – und der Raubtiermodus endet; auch der Angstmodus.

Zu Risiken und Nebenwirkungen dieser evangelischen Gelassenheit brauche ich nichts weiter zu sagen. Es ist in Raunheim und vor allem mir im letzten Jahr durch die Verleumdungen in der Mainspitze und den Redakteur Wien deutlich geworden. Und selbst meine Landeskirche verhält sich ängstlich gegenüber scheinbar öffentlichen, negativen Meinungen. Ohne Vertrauen auf die Kraft der Wahrhaftigkeit im Evangelium und die evangelische Gelassenheit wird die Kirche schlicht zu einem – wie mein Oma sagte - „explodiertem Hühnerhaufen“.

Auch deshalb wird die Aufgabe des „Evangelischen in Raunheim“ sein; wird es unsere, Deine, Eure und meine Aufgabe sein das Evangelische aus Raunheim heraus all jenen verschreckten, verängstigten, sich selbst verkrümmenden Menschen zu zusagen. Es gilt – wie auch beim Kerkermeister in Philippi vor 2000 Jahren - mit Wahrhaftigkeit entgegen zu treten und Vertrauen, Zutrauen zu zusprechen.

Letztlich sind wir alle beauftragt, die verschreckten Evangelischen - von Kinder, Konfirmanden oder Kirchenräten oder gar Präsidenten – wieder in die wahrhaftige Welt des Evangeliums zurück zu führen.

Denn Gott ist mit uns, abends, morgens und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

 

Amen

Herr, rüttel uns auf. Herr, schenke Kraft statt Angst. Herr, sende deinen Geist, um die Fake-Geister der Propaganda auszutreiben. Amen.