04.03.2018 (1. Petr. 1, 13-21): Geheiligt - Leben als Ermöglichungsgrund

1. Petrus 1, (13-17) 18-21

Geheiligtes Leben

13 Darum umgürtet eure Lenden und stärkt euren Verstand, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.

14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet;

15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.

16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«

17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben in Gottesfurcht, solange ihr hier in der Fremde weilt;

18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,

19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.

20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,

21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

 

 

1      Einleitung

Das Besondere am Leben ist nicht, wie glücklich, erfolgreich oder zielführend wir unser Leben gestalten, sondern etwas anders.

Dieses Besondere am Leben ist, wie wir unser Leben im Angesicht der menschlichen Begrenztheit gestalten. Es ist dies die Frage, wie wir im Bewusstsein, dass wir nicht alles vermögen, nicht alles erreichen können, nicht allen gerecht sein können und nicht ewig leben, mit unserem Leben umgehen. Wie gehen wir mit unserem Leben um? Für die Bibel lässt sich diese Frage darauf reduzieren: Wie heilig gestalten wir unser Leben? Ja, heilig. Wie heilig ist unser Leben? Ja - Heilig.

Das Wort „heilig“ an sich, ist dabei in unserem alltäglichen Sprachgebrauch eher verschwunden. Wo reden wir heute noch davon, dass etwas, jemand oder eine Tat heilig sei? Wenn man früher davon sprach, dass jemandem etwas „heilig“ sei, war damit eine ganz besondere Haltung, eine ganz besonderes Verständnis verbunden. Ehe – das war heilig. Selbst – man glaubt es kaum – Obrigkeit galt als besonders schützendwürdig. Heilig, dass bedurfte eines besonderen Schutzes, einer besonderen Tradition oder auch einer besonderen Erziehung.

Die 10 Gebote, Vater/Mutter zu ehren, den Feiertag heiligen oder das Leben des anderen. Alles Themen, die mit dem Begriff „heilig“ besetzt waren; häufig durch biblische, christliche Themen begründet

Heute ist das anders. Wann und wo ist Ihnen das Wort „heilig“ zuletzt über die Lippen oder über den Weg gekommen? Was ist heute heilig, also in einer besonderen Art schützenswürdig, was man von Generation zu Generation pflichtschuldig weiter zu geben habe.

Wenn wir heute von solchen Dingen reden, bezieht es sich häufig auf das Thema Grund- und Menschenrechte oder – häufiger auf die Themen der Selbstbestimmung, Selbstfindung, autonome Lebensgestaltung.

Heilig ist unmodern; und die Mehrzahl der Lieder bei Bestattungen sind heute von einer Band, die „Unheilig“ heißt.

Das Heilige ist schlicht out, wie die Beständigkeit von Dingen. Und letztlich ist die Frage nicht, ob Eltern der Kinder wegen zusammen bleiben, sondern wie man geschickt mit den ständigen Veränderungen umgeht.

Und wenn wir ehrlich bleiben, ist auch die Tradition nichts anders als eine Selbstvergewisserung einer Generation oder vielleicht zweier Generationen. Das, was wir als Tradition oder Heilig ansehen, war in der vorletzten Generation überhaupt nicht sicher auch schon Tradition oder heilig.

Unsere Elterngeneration entstammt einer politischen Zeit der Kriege, des Unrechts und der Rassensicht. Wir einer Aufbruchgeneration, einer Generation der Neugestaltung und der Geschichtsverarbeitung.

Die heutige Generation, Mia Elena oder Aaron Benjamin werden den kompletten Verlust des Heiligen erleben und wieder – das ist Tradition – sich diese wieder neu erkämpfen und gestalten müssen. Nichts hat Bestand und unser Versuch in der Veränderung des Lebens einen festen Halt zu finden, ist oft nicht mehr als ein Klammern an Äußerlichkeiten, ein Festhalten wollen an Gewohnten, wobei das, was geklammert wird, schon lange nicht mehr als Heiliges bei uns wohnt. Denn das Heilige ist letztlich das für uns Unverfügbare, das Geschenkte, das, was uns trägt; nicht das, was wir tragen.

2      Bibeltext

Ich lese den Predigttext für den Sonntag Okuli 1. Petrusbrief 1, 13-21.

Dieser Text ist ein einziger „Aufruf zur evangelischen Besonnenheit.“ In der Lutherbibel wird dieser Text mit „Geheiligtes Leben“ überschrieben. So sollen sich Christen verhalten: verständig, besonnen, offen, gehorsam gegenüber dem Heiligen.

In diesem ersten Petrusbrief wird in unglaublicher Weise den Christen - vor allem in Kleinasien - vor Augen geführt, was die Lebensbesinnung auf das Geschenk der Heiligkeit in Christ bedeutet.

Ob Petrus oder einer seiner Jünger im Jahr 60 oder 90 nach Christus diesen Brief verfasst hat, ist ziemlich unwesentlich. Denn diese Phase des jungen Christentums in Kleinasien ist eher eine Wirtschaftswunderzeit. Und die Verfolgungen, die wir alle so im Kopf haben, hat es in dieser Form wohl eher nicht gegeben. Sicher sind einige Christen wegen Stress mit der Obrigkeit verfolgt oder eingesperrt worden. Aber die Streitigkeiten zwischen Juden und den Judenchristen, also der häufig hochstilisierten Urchristen, waren teils höchst unwürdig für die damalige Gesellschaft.

So ist auch der Aufruf dieses „Rundschreibens“ sich besonnen, korrekt, friedfertig oder der Heiligkeit der Botschaft des Evangeliums gemäß zu verhalten, wohl eher eine Ermahnung, denn eine Beschreibung wie es eigentlich war. Wie auch in den anderen Briefen. Die Apostel rufen in Erinnerung, was es zu schützen gilt. Sie beschreiben, was das Heilige in Christus zu bedeuten habe. So auch hier. Wir sollten diesen Abschnitt nicht als typische Beschreibung des IST Zustandes ansehen, sondern SOLL-Aufforderung verstehen, endlich so zu sein und zu handeln.

Jede Generation betrügt sich selbst; jede Tradition auch, weil Sie im Nachhinein die eigene Lebensgeschichte schönt und glättet und letztlich nur so zu der Erkenntnis kommen kann, dass sie oder wir BESONDERS waren und sind. Jede Generation lässt heilige Kühe entstehen, die - sofern diese angetastet werden – zu einem Aufschrei des Entsetzens führen. Entsetzen deshalb, weil man nicht an dem eigenen Heiligensockel rütteln will. Die Wahrheit ist aber evangelisch.

3      Christus – Geheiligt zum Leben

Denn dem Evangelium allein steht die Heiligkeit zu, die es zu leben gilt.

Heilig ist kein menschliches Werk und keine menschliche Institution wie Ehe, Obrigkeit, Kirche oder das Pfarramt. Sondern das Besondere, das Heilige liegt allein im Evangelium, nämlich in der unverfügbaren Gnade Gottes in Christus.

Das Heilige ist das, was uns rettet. Das Heilige ist das, was so unverfügbar ist, wie die Fähigkeit Zeit zurück zu drehen.

In dieser Heiligkeit liegt letztlich all das verborgen, was wir in unseren heutigen Predigttext hören: Die Aufforderung zur evangelischer, dem Evangelium entspringende Besonnenheit, weil nicht wir selbst die Träger, Eigentümer des Heiligen sind, sondern dessen Beschenkte.

Einfaches Beispiel: Eltern schenken Leben. Dieses Geschenk ist unumkehrbar und dennoch unverfügbar. Eltern bestimmen nicht über Leben, sondern sind Träger dessen, was dieses Besondere des Lebens ausmacht. Unterstützen, Fördern, Fordern – und ja sich bis zu einem Grad ausnutzen lassen – dass sind die besonnenen Handlungen der Elternsein. Denn dieses Elternsein entwickelt kein Besitzanspruch am Leben der eigenen Kinder. Nein – genau das Gegenteil: Es ist die Aufgabe, im Leben zu geben.

Genauso verhält es sich mit der Liebe und Gerechtigkeit Gottes uns gegenüber. Das Heilige des Lebens erhalten wir als Geschenk und Gott übergibt es dieses Besondere als unsere Lebensaufgabe.

Das unverfügbare Heilige ist also Ermöglichungsgrund. Also die Grundlage Leben zu ermöglichen. Es ist niemals ein Ermächtigungsgrund. Also ob mein Leben mich ermächtigen würde, über das Leben und das Wohl und Weh anderer zu urteilen, andere zu beschränken oder einzukreisen.

4      Heilig als Aufgabe zur Lebensgestaltung

Und insofern ist es die Aufgabe zur Richtungsbestimmung im eigenen Leben, wenn wir Christen von Heiligen und von heilig reden.

Heilig – das bedeutet nichts anderes als die Gnade Gottes, die wir empfangen haben; gerade, auch und im Besonderen als den Ermöglichungsgrund für den Menschen neben mir zu sehen.

Ob dieser Menschen neben mir seinen oder ihren evangelischen, also den im Evangelium grundgelegten Ermöglichungsgrund für das eigene Leben nutzt, wahrnimmt, annimmt, das ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden.

Unsere Aufgabe ist es, diesen Ermöglichungsgrund in Wort und Tat und in unserem Leben für den anderen sichtbar werden zu lassen.

Früher haben die Eltern und Großeltern die biblischen Geschichten erzählt. Wer macht das heute? Früher wurde dazu erzogen, Hilfe und Bereitschaft für Hilfe anderer zu sehen. Wer macht das heute? Früher wurde Nahrung als Gabe angesehen und nicht als Konsummittel. Wer macht das heute? Früher wurde Gebet als Quelle der Hilfe und des Beistands vorgelebt. Wer macht das heute?

Und früher war das auch nicht so, auch wenn wir es uns einreden wollen. Sicher es war mehr verbreitet. Aber wo ist diese Hilfsbereitschaft, das Gabenverständnis, die Gebetsgewissheit eigentlich geblieben?

Was ist aus unserem eigenen Besonderen, dem eigenen Ermöglichungsgrund eigentlich geworden. Wo ist Hilfe, Gabe und Gebet, die nötig wäre? Wo ist unser Grund, unser Lebensgrund, der uns ermöglicht. 

Und so ist die evangelische Frage eben nicht, wie man sich traditionell abgrenzt oder auf das Gestern beharrt, sondern letztlich für jeden von uns nur dies: Wie gestalten wir unser Leben heute?

Es ist die Frage, wie wir mit dem Geschenk des Heiligen, der Gnade im Evangelium umgehen. Diese Frage stellt der heutige Predigttext.

Die Frage nach dem Heiligen ist heute für uns eine Frage der Richtungsbestimmung oder der Richtungskorrektur.

Die Frage danach, wie wir unser tägliches Leben ausrichten auf die im Evangelium enthaltenen Zusagen an uns. Das Beständige des Heiligen gilt es durch sichtbares Zeugnis weiterzugeben. Nicht mehr und nicht weniger. An die Umwelt, an Kinder, an Konfi, an wen auch immer.

Seit verständig, besonnen, klug und immer im Bewusstsein, dass das Besondere eures Lebens, das Heilige des Lebens in der Fähigkeit begründet liegt, das Geschenk Gottes anzunehmen und so beschenkt zu leben.

Christus ist und bleibt der Grund deiner Ermöglichung im Leben und im Sterben.

 

Amen

Herr, öffne unsere Herzen für deine Heilige Gnade und schenke uns Mut und Zutrauen es zu zeigen. Amen