14.02.2018: 2. Kor 7, 8-10 (11-13a): Umkehr mit den Augen des Evangeliums

2. Kor. 7, 8-10(11-13) 

8 Denn wenn ich euch auch durch den Brief traurig gemacht habe, reut es mich nicht. Und wenn es mich reute – ich sehe ja, dass jener Brief euch wohl eine Weile betrübt hat –,

9 so freue ich mich jetzt, doch nicht darüber, dass ihr betrübt worden seid, sondern darüber, dass ihr betrübt worden seid zur Umkehr. Denn ihr seid betrübt worden nach Gottes Willen, sodass ihr von uns keinen Schaden erlitten habt.

10 Denn die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Umkehr, die niemanden reut; die Traurigkeit der Welt aber wirkt den Tod.

11 Siehe, eben dies, dass ihr betrübt worden seid nach Gottes Willen, welches Mühen hat das in euch gewirkt, dazu Verteidigung, Unwillen, Furcht, Verlangen, Eifer, Bestrafung! Ihr habt in allen Stücken bewiesen, dass ihr rein seid in dieser Sache.

12 Darum, wenn ich euch auch geschrieben habe, so ist's doch nicht geschehen um dessentwillen, der Unrecht getan hat, auch nicht um dessentwillen, der Unrecht erlitten hat, sondern damit euer Mühen für uns offenbar werde bei euch vor Gott.

13 Dadurch sind wir getröstet worden. Mehr noch als über diesen Trost aber haben wir uns gefreut über die Freude des Titus; denn sein Geist ist erquickt worden von euch allen.

 

1.      Einleitung

„Fasten“ Blick man sich in der Landschaft des Fastens um, so fällt eines auf. Die heutige Gesellschaft hat – vom muslimischen Fastenmonat abgesehen – kaum einen Bezug zu Fasten hinsichtlich eines religiösen Anlasses. Sicher werden um die Passionszeit immer wieder, selbst von den Kirchen Hinweise mit 7 Wochen ohne irgendetwas oder aktuell mit Bibel ausgerufen. Aber Fasten wird vielmehr als ein Lebensprinzip oder unter dem Aspekt des Heilfastens aufgefasst, weniger aus einer religiösen Besinnung. Die Entschlackung des Körpers ist vordergründiger als die Besinnung auf die religiöse Dimension des Fastens.

Es geht mehr um Gewichtsreduzierung in einer Gesellschaft die im Überfluss isst, trinkt, chattet, tindert oder sich durch andere Güter berieseln lässt; schlicht konsumiert. Fasten wird zu einem Konsumverzicht stilisiert, und weniger im Blick auf religiöse Themen ausgedehnt. Fasten und Konsum stehen dabei in einem interessanten Gegensatzpaar.

Beim ersten (dem Fasten) geht es um den Verzicht auf – in der Regeln – Nahrungs- oder Genussmittel. Fasten ist also eine Art temporärer Enthaltsamkeit. Auch wenn das Wort „Fasten“ so widersinnig in unserer Konsum-Gesellschaft ist, wird es gerade in einem unglaublichen Maße bestimmend für eine neue Lebenskultur, in der das Gesunde, das reduzierte Maß (an Gewicht, Kalorien, an Haben und was auch immer) zu neuen Lebens und Leistungsprinzip wird.

Beim Konsum geht es um das Gegenteil von Fasten. Es geht nicht um den zeitlichen Verzicht auf etwas, sondern um den Verbrauch von etwas - vorrangig Gütern. Es geht weniger ums Essen als vielmehr um den Lustgewinn durch – neuhochdeutsch – Shopping. Der Genuss von Gütern wird zu einem Lebensprinzip. Shoppen zum Lebensinhalt und vor allem das Bewusstsein, dass allein die Fähigkeit des Shoppens das Leben erst lebenswert macht.

Beides – Verzicht/Enthaltsamkeit und auch Verbrauch von Gütern – ist in uns allen angelegt. Aber nicht immer ist klar, ob das eine freiwillige Enthaltsamkeit oder eine erzwungene ist aufgrund von Krankheiten oder einfach von Geldmangel.

Leute, die hungern, weil ihnen das Geld fehlt, fasten nicht. Wenn ein Freund, der von Hartz IV lebt, also 400€ pro Monat abzgl. Stromkosten, von Genuss redet, hat er den Monat aufgeteilt in bis 20 des Monats, in dem er lebt und sich auch mal einen Kaffee gönnt und die restlichen 10 Tage in denen er bewusst hungert, um nicht 30 Tage im Monat komplett verzichten zu müssen. Fasten ist nur dann Mode, wenn man genug hat!

Konsum wird auch zu einer Krankheit, wenn man nur noch Endorphine, als Glückshormone ausschüttet, wenn ein Kaufrausch einem Beflügelt.

Intelligenz säuft, Dummheit frisst – trifft nicht mehr zu, denn die Grenzen funktionaler Ausrichtung sind lange Schnee von gestern.

Betrachten wir das Wort „Fasten“ mal etwas anders. Im Englischen wird das Wort [Fa:sten] ausgesprochen. Fasten your seatbelt. Befestige deinen Sicherheitsgurt.

Würden wir den Sinn vom deutschen FASTEN ins englische Übertragen würde der Satz lauten: FASTEN YOUR LIFE – Befestige dein Leben, Zurre dein Leben fest in die richtige Richtung.

2.      Bibeltext

Auch Paulus beschäftigt sich mit der Frage der richtigen Sache, des angemessenen Handelns, der Umkehr in seinem zweiten Brief an die Korinther, dem heutigen Predigttext.

Predigttext lesen: 2. Kor. 7, 8-13.

Hinsichtlich des zweiten Korintherbriefes hatte ich ja am 4.2. ausführlich den Aufbau des Briefes deutlich gemacht.

Kurzer Rückblick auf die Predigt von vor 10 Tagen: Der sogenannten zweite Korintherbrief besteht aus zwei einzelnen Briefen: Dem Tränenbrief auf Kapitel 10, der zuerst an die Korinther geschrieben wurde. In diesem Brief, der unserem Predigttext voraus geht, wird Paulus in einer Klarheit und Wurt deutlich gegenüber den Korinther, weil diese seine Arbeit durch Eigeninterpretationen oder andere Apostel schlecht machen.

Nachdem Paulus denen die Leviten heftig gelesen hat, schreibt er nun unseren Brief mit dem Kapitel 1-9, der als Versöhnungsbrief angesehen wird. Auch die Hinweise in unserem Predigttext auf den Brief betreffen den genannten Tränen oder Wutbrief.

Paulus erläutert nochmals, dass diese Umkehrruf und die harten Worte nötig waren, damit die Korinther sich nicht auf einen falschen Weg, weg von der Botschaft des Evangeliums machen.

Was ist nun der Unterschied zwischen Fasten, Umkehr, Buße.

Das deutsche Wort Buße ist häufig mit einer Betonung auf Strafen verbunden. Man muss büßen, weil man etwas verkehrt gemacht hat. Dieser Schritt zur Strafe hin basiert auf einem Übersetzungsveränderung. Buße im Lateinischen ist eigentlich mit paenitentia (Buße Umkehr). Das Wort ist aber zu poenitentia, als Ableitung von poena (Strafe) umgedeutet worden. Hierauf – auf diese Bußstrafthematik baut auch die katholische Barmherzigkeitstheologie auf. Ein übergroßes Schwergewicht auf das Büßen, auf die Bußstrafe führt letztlich dann in die Reformation, die die Bußschulden eben durch (käufliche) Ablässe letztlich als Geschäft einführt.

Demgegenüber ist im Alten Testament mit dem Wort „beschu“ (שוב) die Umkehr zu Jahwe gemeint. Die Propheten rufen zur Umkehr von falschen Göttern, falschen Praktiken und Riten auf, um sich dem Gesetz Gottes wieder zuzuwenden.

Im Neuen Testament wird das Gesetz Jahwes in Christus umgedeutet auf die Gnadentat Gottes in Kreuzigung und Auferstehung. Umkehr wird mit dem Wort „metanoia“ (μετάνοια) beschrieben. Meta & Noia sind eine Zusammensetzung aus dem Verb DENKEN (noiein) und UM (meta). Es geht also bei der Buße und Umkehr im Neuen Testament immer auch ein Umdenken, eine Sinnesänderung, eine Umkehr des Denkens.

Bei Luther geht es um die Erkenntnis, dem „Erschrecken“ über die eigene Handlungen und damit um die gläubige Reue zu Umkehr des Denkens und des Handelns.

3.      Christus, die Befestigung des Lebens

Um was geht es bei dieser Umkehr des Denkens, von der Paulus und das neue Testament spricht?

Die Umkehr, die Metanoia des Denkens ist die neue Sicht der Welt.

Diese neue Sicht der Welt wird in Christus offenbart.

Nicht mehr Gesetze oder die Opfer oder die Erfüllung von Normen und Vorgaben oder auch die Erfüllung selbst gewählter Ziele sind das wesentliche um die Welt zu erfassen, sondern Handeln Gottes in, mit und für diese Welt. Dieses Handeln hat einen Namen: Jesus, der Christus. Jesus von Nazareth, der außerordentliche Menschen, der die Mitmenschen in unglaublicher Weise angesprochen und berührt hat, ist mehr als nu Mensch. Er ist der Erwählte Gottes, der in seinem Kreuzestod den Weg für uns Menschen ging, um deshalb in seiner Auferstehung erhöht zu werden. Umkehr des Denkens ist die völlig Neusicht der Welt, der Menschen und letztlich jeglicher Handlung in der Welt.

Umkehr ist die Sicht der Dinge von ihrem Inneren Zusammenhang her. Wollte man ein – unzutreffendes – Bild entwerfen, was diese Umkehr ist, so könnte man sagen: Mit der Umkehr zu dem gnädigen Gott in Christus sehen wir klar, wie wenn man Liebe faktisch sehen könnte, wie wenn man die Atome der Substanzen sehen könnte. Wie wenn man nicht nur Gedanken lesen, sondern Intentionen von Menschen sehen und erfassen kann.

4.      Heute

Wenn wir heute am Beginn der Passionszeit, der Fastenzeit stehen, und uns mit der Frage der Umkehr beschäftigten, dann nur mit einem Ziel: Die Welt mit den Augen des Evangeliums zu sehen.

Was wäre das? Die Welt mit den Augen des Evangeliums zu sehen ist nun zuerst dieses. Ich sehe NICHT in einen Spiegel, sondern hebe den Kopf und nehme wahr. Ich erkenne das gegenüber als Mensch, der ebenso in die Gnadenwelt Gottes eingefügt ist wie ich auch. Ich erfasse die Zerrissenheit der Welt, weil ich die eigene Zerrissenheit zwar mit Kleidung, Schminke und Mascara überdecken kann, aber nicht im Angesicht des Evangeliums. Letztlich sehe ich den Menschen in einer emotionalen Nacktheit, die weit über die Scham oder sexuelle Lust hinausgeht.

Liebe sehen und erkennen können, ist gar nicht so schwer, wenn man oder frau nicht auf sich selbst schaut, sondern auf die anderen wie diese mit anderen umgehen. Ob eine Mutter eine Muter ist, entscheidet sich doch nicht durch die Nutzung eines Geburtskanals, sondern in der Hinwendung an die eigenen Kinder. Ob ein Vater ein Vater ist, entscheidet sich doch nicht aufgrund biologischer Zeugung, sondern darin, ob jemand fähig ist, sein Leben dem anderen Leben zur Entwicklung, zur Gestaltungsfähigkeit überlässt. Umkehr ist geben können, wollen und einfach geben ohne eine Cashback Aktion einzuleiten oder Payback Punkte zu sammeln. Payback ist letztlich ein gutes Beispiel für die Eigensucht, die die Umkehr verhindert. Man erwartet eine zusätzliche Gegenleistung.

Umkehr ist aber eine Umkehr im Denken und Handeln, bei der KEINE Kreditkarte oder Bonuskarte mich antreibt. Die Welt mit den Augen des Evangeliums zu sehen, ist eine pure Art des Lebens in der Wirklichkeit der Gnade Gottes.

„Fasten your life“ (befestige dein Leben) statt „faste für deinen Body, deinen Körper, dein Ego“. Das ist die wirkliche Botschaft des heutigen Aschermittwoch. Nicht für die Sünden der Altweiberfasnacht, der Ausschweifungen der letzten Tage zu bücken und sich selbst zu bestrafen, sondern freudig, neu gestärkt und mit offenen Augen in die Welt Gottes gehen.

 

Amen

Herr, vertreibe den grauen Schleier vor unseren weltlichen Augen und schenke uns die Umkehr zur Sicht mit den Augen des Evangeliums.

Amen.