29.10.2017 - 20. So. n. Trin.

Thema: Zukunft statt Willkür

Genesis 8, 18-22  

18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,

19 dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.

20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.

21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.

22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

 

1.       Einleitung

Als ich jüngst im Geschäft an der Kasse stand, merkte ich sichtlich wie die Zeitnot und die Ungeduld bei den Menschen drängend wurden.

In dem Moment, wo ein Artikel nicht in der Scannerkasse verzeichnet war, wurden die Menschen unmittelbar hinter mir schon ungeduldig.

Spätestens als die Kassiererin den Zeitpanikknopf aller Kassenansteher drückte, wurde es zeitlich echt eng: "Die Filialleitung bitte an die Kasse 2." Also Panik und dann die bösen Blicke auf mich. Wie konnte ich mich nur erdreisten, etwas in den Wagen zu laden, was nicht gescannt werden konnte. Die Schlange wurde größer und die Zeitnot fast riechbar. Und es war natürlich nur eine Kasse offen. Als der Filialleiter kam, schaut er sich den Artikel an und stockte. Statt eine Lösung zu finde, fing er an zu blättern. Und es ging ein Raunen durch die gehetzte Zeitschlange. Sofort änderte sich die Zeitnot in ein gehecheltes Interesse und mein Hintermann fragte zaghaft: "Ist es das neue? Wusste ich gar nicht. Wo liegt das denn?" Die Aufregung, die den Zeitverzug verursachte, war sofort weggeblasen und eine Aufregung waberte durch die Schlange. Der Filialleiter riss sich los. Das haben wir, fragte er? Muss ich auch haben. Und ebenso ging es allen anderen. Und schon schwirrten die ersten Schlangenmenschen aus, sich das gleiche ohne Scannercode zu holen.

Ich hatte scheinbar das erste Exemplar des neuen Asterix aus der geöffneten Packung genommen. Und die Panik, die Zeitnot wurde - schwups -von der Schlange in Richtung Zeitschriftenständer gelenkt. Lassen wir mal Asterix weg und widmen uns mal dem, was uns so rastlos macht.

Zeit. Die Erfindung der "Zeit" ist noch gar nicht so alt. Natürlich gab es schon immer eine "Verständnis" von dem, was die Dauer einer Sache betraf oder wie lange ein Ereignis einem andren Ereignis folgt. Aber die Erfindung von dem, wie wir heute unter Zeit verstehen, ist recht jung in der Geschichte der Menschheit. Wie alles, was genormt, abgestimmt und aufeinander zugeordnet werden muss, ist es die Industrielle Revolution im 17 und vor allem im 19. Jahrhundert. Wenn man einheitliche Maschinen, Schuhe oder Kleidung oder auch Kriegsgerät und Waffen industriell fertigen will, sind genormte, also einheitlich festgelegte Maßeinheiten unerlässlich. Das fängt bei einem Längenmaß wir einem Meter oder Millimeter und hört letztlich nicht bei dem, was 1 Kilogramm ist auf.

Zeit ist ebenso eine "Erfindung" wie das Kilogramm. Etwas einfacher war es bei der Zeit schon, weil man sich an einem Naturereignis orientierte: Tag und Nacht; also die Dauer einer Erdumdrehung. Letztlich ist unsere Annahme eine TAG habe 24 Stunden ziemlich genau. Aber die Dauer der Tage variieren aktuell um bis zu 30 Sekunden pro Tag aufgrund der Rotation der Erde. Und mit jedem Erdbeben nimmt die Rotationsgeschwindigkeit - unwesentlich ab und damit auch die Dauer eines Tages.  

Zeit so wie wir das kennen, und damit die Rastlosigkeit, ist letztlich nur eine Erfindung von vor ca. 150 Jahren, als es galt die steigenden Geschwindigkeiten des Reisens durch Eisenbahnen und später Auto oder Flugzeuge irgendwie aufeinander abzustimmen. So wurden auch Zeitzonen erfunden, um in den verschiedenen Ländern sicherzustellen, dass ein Aufeinandertreffen auf abgestimmt wird und werden kann.

Zeit ist somit eine physikalische Erfindung, die versucht aufeinander folgende Ereignisse abzustimmen. Zeit und das ist nun das wesentliche ist nicht umkehrbar. Zeit ist eine Einheit und eine Erfindung, die uns eines deutlich macht. Gestrige Zeit sind vergangene Ereignisse, nicht wiederholbar. Heutige Zeit ist das Jetzt in dem wir leben. Und morgige Zeit ist das, was wir Zukunft nennen.

2.       Bibeltext

Auch in unserem heutigen Predigttext begegnet geht es um das was wir heute Zeit nennen. Gestern, Heute und Morgen. Text: 1. Mose 8, 18-22  

Mit unserer Noahgeschichte und vor allem dem Ende der Sintflut endet und beginnt eine neue Ära nach dem Alten Testament.

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und schließlich zerstörte nach dieser Erzählung Gott seine Schöpfung und das Leben darin.

Das Massaker, welches Gottes mit der Flut anrichtet, reißt alles bisherige in den Abgrund. Lange Zeit haben wir angenommen, es sein eine Mythologie. Aber wer sich von uns noch an den Tsunami 2004 erinnert, weiß wie grausam und vernichtend eine derartige Sintflut werden kann. Das Wasser strömt mit einer unaufhaltbaren Macht alles hinweg und reißt ganze Landstriche mit sich. Gott hat offensichtlich die Nase voll von seinen Menschen und seiner Schöpfung! Insofern ist auch das heutige Getue um die Bewahrung der Schöpfung genauso eine rastlose Erfindung wie die Zeit. Sie ist wie die Zeit so verwurzelt, dass wir allen Ernstes glauben, wir würden irgendwas bewahren, was vor Milliarden von Jahren oder Jahrmillionen geschaffen wurde. Zeit gestern ist vergangen und NICHT wieder herstellbar. Auch kein Schöpfungszustand. Es ist eine dümmliche Illusion, wenn wir uns diesem Götzenglauben hingeben.

Gerade hier im 8. Kapitel des Schöpfungsbuches unseres Glaubens wird von dem radikalten Schnitt Gottes mit uns gesprochen und ZEITGLEICH (das meint im gleichen Moment des Ereignisses) eine neue Vereinbarung, eine neue Zusammenarbeit, und einen neue Gegenwart und Zukunft ausgerufen.

Die ganze Noahgeschichte von Kapitel 5 bis zu unserem Predigttext ist zudem eine höchst irritierende Erzählung, die mit Göttersöhnen beginnt, die mit Menschen Kinder zeugen und wo Menschen irre alt werden wie Methusalem mit 969 Lebensjahren. Und wo Menschen vernichtet werden. Noah mit wenigen auf der Arche und paarweisen Tieren entkommt. Von diesen Tieren opfert er noch welche, was wohl bedeutet, dass er ein systematisches Artensterben fabriziert.

Unser Text beschreibt die Zeit VOR, WÄHREND und NACH dem vernichten der Menschen durch Gott. Gott macht einen neuen Bund für eine neue Zukunft. Die alte Schöpfung ist für Gott passé. Gott schränkt seine Wut selbst ein, indem er - bestochen durch das liebliche Brandopfer - nun sich selbst an die Menschen die Kommen binden will.

V 21: "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.

22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."

Gott bindet sich selbst an die Zeit vor, zu und nach der Sintflut. Gott sieht die Zukunft unter einem neuen Vorzeichen. Diese Vorzeichen werden durch den Bund mit dem Volk Israel und den 10 Geboten bekräftigt.

3.       Christus als Erfüller des Bundes

Und wir als Christen sehen in der Bindung Gottes an diese Jesus von Nazareth als seinen Sohn ebenso eine Zusage, die Zukunft verheißt.

Eine Zukunft, die eben nicht endet mit dem Leben, sondern Leben über den Tod hinaus zusagt, zusichert und gewiss macht.

In Christus - so Paulus - wird der alte Bund (in den Urvätern, in den 10 Geboten und in dem Bund) nicht beendet, sondern die unumkehrbaren Ereignisse Gottes mit seinem Volk Israel erhalten eine weitere Zukunftsvariante, eine Zusagen auch an die bisher nicht Teil hatten am Segen Gottes und an seiner Verheißung an die Menschen.

Christen sind nicht die Nachfolger des Volkes Israel, sondern die Nachfolger der erweiterten und neuen Zusage Gottes in Christus: nämlich, dass auch unsere Zeit, unsere Vergangenheit, Gegenwart und die Ereignisse, die noch kommen unter dem Regenbogen Gottes ihren Platz und Schutz haben und finden.  

Christen sind die Geschwister der Verheißung des Volkes Israel und trage in sich die Geschichte des Bundes Gottes mit seinem Volk Israel mit sich. Eine Trennung der Verheißung - wie häufig und wie blutig und wie vernichtend dies in der Geschichte oft ausgelegt wurde - ist nicht möglich; WEIL Zeit immer die Abfolge der Ereignisse ist, UNUMKEHBAR und auch nicht auslöschbar. Gegenwart und Zukunft bauen immer auf diesen vergangenen Ereignissen auf. Wir können nicht unsere Geburt rückgängig machen.

4.       Heute

Unsere Zeit ist also eine Folge der Dinge der Vergangenheit und der Gegenwart. Es ist keine mathematische oder physikalische Sicherheit, sondern so wankelmütig wie die Kassenschlange im Angesicht des neuen Asterix-Bandes. Zeit ist ein Mythos, den wir in einer unvergleichlichen Weise zu pflegen scheinen, weil wir offenbar der Ansicht sind, dass die Zeit es sei, die alles regelt, Wunden heilt oder Trauer lindert. Das ist Unsinn, denn die Zeit ist immer so mächtig und stabil und tragfähig wie wir uns von der Zeit bestimmen lassen. Von Anforderungen, Uhren oder scheinbar wissenschaftlichen Berechnungen von Zeitabschnitten.

Die wesentliche Aussagen der heutigen Predigt und des Bibeltextes ist aber eine andere: Die Zeit ist dein Horizont, in dem du dich, andere und für dich und für andere eine neue Zukunft, neue Zeit gestalten kannst. Es ist deine und meine Aufgabe, diese Verheißung von Zukunft - solange die Erde steht - (nun, wenn die Erde stünde, hätte wir keine 24 Stunden tag/Nacht mehr) gemeint ist: Wenn die Rahmenbedingungen der Weiterentwicklung für dich Geltung haben, dann liegt es nur noch an dir wie viel Zeit nicht eine Belastung wird, sondern eine Hoffnung, ein neuer Horizont selbst dann, wenn du im Leben nur noch wenig Zeit hast.

Manchmal bin ich ungerecht - ich gebe das zu. Ich stehe in der Kassenschlange und eine deutlich ältere Person drängelt sich nach vorne, weil es nur wenig sei, was sie habe oder was auch immer. Manchmal sage ich dann ungerechter Weise etwas lauter: Ich kann Sie verstehen, Sie sind ja schon älter - da haben sie nicht mehr viel Zeit bis es soweit ist.

Ich bin ungerecht, ich weiß das, aber wie soll man Menschen denn sonst vermitteln, dass Zeit, Hetze, Gedrängel, Sich in den Vordergrund schieben eigentlich nichts anderes ist, als den Horizont Gottes nicht mehr im Leben zu sehen. Wer kleinstteilig drängelt, hetzt und keine Zeit hat - wie ich das auch ab und an nötig zu haben scheine - der macht eines falsch: Er hat nicht verstanden, nicht erfahren, was es bedeuten kann, ruhig, gelassen und mit Vorfreude in die Zukunft zu blicken.

Am vorletzten Donnerstag hatte ich das Gefühl, dass ich so einen solchen Moment im Alltag erlebte habe. Die Zeit steht still. Alle Zeit der Welt offenbart sich im Angesicht dieser bärtigen Vertreter des gallischen Dorfes. Hier wird der Wunsch offenbart, dass man selbst aus dem Kleinen in die Welt der Cäsaren aufzusteigen und wesentlich am Rad der zeit mitzudrehen - dass im Angesicht dieser emotionalen Verbundenheit, die Welt plötzlich - für wenige Momente, Sekunden - zeitlos und vor allem Zukunftsfähig wurde. Das ist es, was wir als Christen erleben, erzeugen und gestallten sollen. Solche Momente, solche Räume und solche Horizonte, die uns und andere die Freiheit und Geborgenheit unter dem neuen Zukunftsbund Gottes deutlich werden lassen. Ein Blick in die Zukunft mit unserem Gott.

Amen

Herr, schenke uns Geduld, Einsicht und Momente der Gewissheit, dass wir in deiner Zukunft leben. Amen.