Thema: Evangelisch - Was ist das?

Johannes 3, 1-8

Jesus und Nikodemus

1 Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden.
2 Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.
3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?
5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.
6 Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.
7 Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden.
8 Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist.

 

 

1.       Einleitung

Evangelisch - was ist das?

Wir wollen uns heute mal dieser Frage zuwenden, weil in der jüngsten Jubelzeit um die 500 Jahre Reformation meines Erachtens zu häufig das Eigentliche und Wesentliche dessen aus dem Blick gerät, was eigentlich diese Reformation bedeutet und - vor allem wie - heraufbeschworen hat.

Lassen Sie ich das gerade im Blick auf die Evangeliumslesung, die wir gehört haben, mal zurück lehnen und etwas knackig formulieren.

Fangen wir mit dem einfachsten und schillernsten Ereignis der Reformation an: Dem Thesenanschlag von Luther am 31.10.1517.

Ob diese Thesen - nicht nur lediglich in Briefen am 31.10. damals verteilt wurde, oder nun doch auch an die Tür der Wittenberger Stadtkirche als Diskussionsbrett genagelt wurde, lassen wir mal etwas offen.

Wichtiger ist vielmehr, das, was mit diesem Thesenanschlage symbolisiert wird.  Also Was ist evangelisch.

Erstes: Mit dem Hammer an Tür schlagen.

Es geht um Aufmerksamkeit, um zuhören und letztlich etwas in die Welt hinein sagen zu wollen.

Wir feiern eigentlich somit eine Art ADS Luthers. Das Aufmerksamkeitdefizit Syndrom. Luther ist hyperaktiv und nagelt mit einer Selbstverständlichkeit seine Thesen an die Tür und sende diese in die Welt.

Also: Was ist evangelisch? Mit einen dicken Hammer Aufmerksamkeit in der lauten Welt erzeugen, damit man uns zuhört.

Nun haben wir Evangelischen eigentlich schon ein Problem. Ich habe im Theologiestudium beispielsweise und auch nicht in der Ausbildung zum Pfarrer den Umgang mit dem Hammer oder Schaufel gelernt. Wie sollte also ein heutiger evangelischer Pfarrer letztlich ohne eine ernsthafte Selbstverstümmelung in der aktuellen Zeit das Thema des wahren Glaubens und der richtigen Anwendung erlernen? Selbst bei den Konfirmanden ist das ein Problem; der Umgang mit dem Hammer.

Der handfeste Umgang mit lebensnormalem Handwerk ist derart auf dem Rückzug, dass jede Betätigung mit Hammer, Schippe oder Hake immer in der Gefahr steht, zur Frage der Notarztversorgung führt.

Das geschieht vor allem dann, wenn der zweite Punkt nicht beachtet wird.

Sofern wir noch mit dem Hammer an die Tür klopfen, um in dieser lauten Welt Aufmerksamkeit zu bekommen, ist es eine wesentliche Aufgabe, NICHT BLÖD RUMZUSCHWÄTZEN.

Was ist evangelisch:

Zweiter Punkt - Bedeutsames aussagen.

Es gilt die Angesprochenen oder aus dem Bett Geklopften zu erreichen. Das tun man nicht mit Geschwätz und Weisheiten, die heute millionenfach der Apothekenumschau entnommen werden können.

Heute scheint "Kommunikation" alles zu sein. Ich über setze das Wort am liebsten mit "Komm" - "Uni" - "Aktion", also mit alles wird mit Geplapper uni - gleich gemacht. Es wird einfach in der Gegend rumgeplappert und das am besten ohne viel Sinn und Verstand. Da ist Geplappere alles. Wenn man nur auf die Whatsapp Nachrichten schaut oder auf die nichtsagenden YouTube Channels oder auf die Shows im niedergehenden Fernsehen. Dort wird ALLTAG als besonders wichtig angesehen.

Da gibt es Menschen, die kochen. Wow. Super. Es gibt Menschen, die können kochen. Wirklich sensationell.

Oder es gibt Menschen, die von dreckigen Windeln erzählen. Wow. Super. Das ist wirklich weltumwälzend. Dreckige Windeln. Oder die Youtube Girlys, die Ihr Geld mit Schminken und Alltagtipps zu 100.000 Euro pro Monat verdienen. Wow. Super und Geld verdient man auch noch.

ABER - Das ist nicht evangelisch. Was sollte BEDEUTSAM an Kochen, Windeln oder Schminken sein.

So dummes Gewäsch gab es auch bei Luther. Der Marktschreier hieß damals Tetzel und brüllte sich die Seele aus dem Leib, um das Fegefeuer durch Ablassbriefe mit Geschwätz schmackhaft zu machen.

Ein Konfirmand hat mich mal gefragt, was denn Fegefeuer sei.

Heute muss man ja alltäglich bedeutsam reden. Also habe ich mit einem Bildwort geantwortet: Fegefeuer ist ein Grillfest. Und wir kleine Würstchen werden so lange gegrillt bis wir in den Himmel dürfen. Dazu muss man natürlich wissen, dass dieses Grillfest eine katholische Erfindung ist. Wir - so die bedeutsamen Wort der 95 Thesen Luthers - brauchen kein Geld um in den Himmel zu kommen. Das ist schon als Geschenk vorhanden. Wir müssen uns von nichts und niemanden freikaufen, nichts und niemand unseren Glauben in der Welt beweisen. Und auf Geschwätz auch von und aus der Kirche müssen wir eh als Evangelische nicht hören.

Also 1. mit dem dicken Hammer an die Tür klopfen und 2. Wichtiges mitteilen.

Der Dritte Punkt was evangelisch ist: KEINE ANGST vor den Großkopferenden.

Es geht um Furchtlosigkeit, wenn wir für die Sache des Evangeliums evangelisch eintreten.

Luther hatte keine Angst vor dem Kaiser und dem Papst.

Was das heute bedeutet, kann man wieder an einem Bild deutlich machen. Das wäre so, wie wenn die Raunheimer Fußballer die Bayern herausfordern ... und Real Madrid  - zusammen.

Gerade diese Furchtlosigkeit vor den scheinbar Wichtigen der Welt und der Kirche gründet sich in der Bedeutsamkeit dessen, was wir zu sagen haben: Im Evangelium sind evangelisch gesehen alle gleich.

Und natürlich fragt man sich, warum dies so sei.

Die heutige Evangeliumslesung macht das deutlich.

Es gibt den heiligen Geist. Dieser Geist Gottes ist der Mutmacher, der Tröster und der Helfer in einem. Aber ganz anders, als wir das denken. Es geht - evangelisch gesehen - beim Heiligen Geist eben nicht darum, dass wir uns zurück lehnen und warten, dass ein anderer die Arbeit macht. Nein, die Evangelischen packen da an, wo es dran ist und sie haben das Bewusstsein, dass sie mit Sinn und Verstand das Leben gestalten.

Was macht der Geist, während wir säen und arbeiten? Der Geist Gottes baut auf diese unsere Arbeit auf, WO ER WILL. Nikodemus, einer der Obersten in Jerusalem muss lernen, dass Strategien und Ziele der Menschen eben nicht die Garantie einer Zielereichung in sich tragen. Sondern in der Option verborgen liegt, dass Zukunft gelingen kann, indem das wächst, was wir vielleicht gesät haben; oder in dem es untergeht ohne Frucht. Letztlich ist dies die Gewissheit des Evangelischen: Wir sind endlich auf Erden und nicht alles gelingt oder wird erwachsen. Wir sind fähig, LOSZULASSEN; ebenso wie laut an die Tür zu poltern. Es gilt, den Kindern, der Arbeit, der Theologie und dem, was vor uns liegt, NICHT den LETZTEN Stempel aufzudrücken. Sondern wir sind es, die getrost auf das Wirken Gottes schauen und warten können. Das ist nicht immer einfach. Aber - und das ist der 4. und vorletzten Punkt des Evangelischen:

Vierter Punkt, was evangelisch ist: Für die Sache einstehen. Es geht um die Klarheit und Deutlichkeit, wie wir auftreten und für die Sache eintreten, der wir nun Aufmerksamkeit, Bedeutsamkeit gegenüber auch den Großen hervorgebracht haben.

Es geht um das Eintreten für die Sache Gottes in der Welt.

Im Grunde hat auch die Reformation gezeigt, was es ist. Wir sind aufgerufen, immer und jederzeit dem Evangelischen zum Sieg zu verhelfen. Das geht leider nicht immer ohne Auseinandersetzung ab. Die Reformatoren haben dafür einen Begriff gefunden: Ecclesia semper reformada. Die Kirche ist eine immer zu reformierende.

Eine Kirche, die stillsteht; eine Kirche, die sich selbst feiert - wie man aktuell bei unseren Bischöfen den Eindruck haben kann; und eine Kirche, die glaubt, dass Reförmchen oder Marketingmaßnahmen als Reformation und Evangelisch deuten, irrt.

Die Reform der Kirche beginnt an einer bis dahin eher unbedeutenden Kirchentur durch einen noch weniger bedeutsamen Mönch. Was bedeutet dieser Reformationsanspruch anderes, als das die Evangelischen immer gegenüber ihren Leitungspersonal kritisch und aufmerksam sein müssen. Evangelisch bedeutet, dass uns die Mitglieder, die, die nicht die Großen sind, bei Bedarf abmahnen dürfen, um auf den rechten Weg des Evangeliums zu kommen. Jawohl - das ist das Wahrhaft Reformatorische, dass die Leitung uns auffordert, sie abzumahnen, wenn Sie irre geht. Und das es echt irre zugeht, nun ja ....

So bedeutet der Ausspruch "einer immer reformierende Kirche", dass die Basis die Bischöfe, Kirchenpräsidenten, Pröpstinnen und Dekaninnen und auch Pfarrer ermahnen und abmahnen darf, im Glauben an die Sache für diese einzustehen.

Und so wird auf der 5 und letzte Punkt zum Gelingen im Geist beitragen.

Punkt Fünf. Den Morgen gestalten/ Die Zukunft evangelisch gestalten

Die Aufgabe des Evangelischen ist nicht die Traditionen gegen alle Vernunft zu bewahren, sondern mit Wachem Verstand, ruhiger Planung und zielsicherer Ausführung, die Zukunft als evangelische zu gestalten.

Der Gestaltungswille des Evangelischen und in Kombination mit dem Wollen und Willen des Heiligen Geistes, der die Zukunft für uns und die nachfolgenden Generationen offenbart - das IST EVANGELISCH.

Und so sind es lediglich 5 Punkte, die das Evangelische damals, gestern, heute hier in der Mönchhofkapelle und vor allem morgen ausmachen.

1. Mit Engagement mit dem Hammer an die Kirchentür pochen.

2. Dabei wichtiges der Aufmerksamkeit folgen lassen und kein Geplapper.

3. Keine Angst vor den Großkopfernden zu haben. Diese sind es, die wir bewegen sollen, bewegen dürfen und bewegen können.

4. Das gelingt aber nur, wenn wir für die Sache vorurteilsfrei und widerstehend eintreten.

und letztlich wir uns so gelingen, was die Aufgabe des Evangelischen in dieser Welt ist: Die Zukunft evangelisch zu gestalten.

Amen