Thema: Befreit zur Zukunft

 

Phil. 1,3-11

 

Dank und Fürbitte für die Gemeinde

3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke -

4 was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden -,

5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute;

6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.

7 Wie es denn recht und billig ist, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige.

8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus.

9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung,

10 sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi,

11 erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.

 

 

 

1.       Einleitung

Das wesentlichste Gut, welches wir in den westlichen Gesellschaften sehen, ist: Freiheit.

Freiheit ist ein Begriff, der heute die Herzen höher schlagen lässt.

Dahinter verbirgt sich eigentlich nichts anderes als die Erklärung, dass der Einzelne, das Individuum als freies, unabhängiges Wesen leben, handeln und seine Zukunft gestalten kann. Das Individuum und seine Freiheit ist das NON PLUS ULTRA, das worüber hinaus nichts anderes gilt. Das Grundgesetz kennt diese Freiheiten des Einzelnen als Grundrechte: Menschenwürde, Existenzgarantie, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Allgemeine Handlungsfreiheit, Freiheit der Person, Recht auf Leben, Recht auf körperliche Unversehrtheit, Frei Wahl der Wohnung, Partner, Religion. Alles Freiheitsgarantie, die der Staat zu schützen hat; und letztlich ist es Recht, welches wir bei dem Anderen schützen müssen.

Freiheit äußert sich heute im Leben auf vielfältiger Weise

Die Diskussionen um eine Schleier, ein Kopftuch, ein Glatze, ein Tattoo ist immer nur dann eine Freiheitsfrage, wenn überhaupt freiheitlich ein Bereich entsteht, indem diese Freiheit gelebt werden kann.

Ob Menschen Wohnung, Arbeit, Ehepartner, Kleidung frei wählen können ist doch keine Frage des Einzelnen, der einen Wunsch hat, sondern wesentlich eine Frage des Umfeldes, in die hinein ein Freiheitswunsch erfolgen kann.

Es besteht nicht die Freiheit auf deutschen Straßen mit dem Auto auf der linken Spur zu fahren. Oder: Die Freiheit in einen Urlaubsort der eigenen Wahl zu fahren, ist natürlich dadurch begrenzt, dass ich das Erreichen des Urlaubsortes vom Fahren auf der rechten Fahrspur abhängig mache.

Die Freiheit, einen Beruf zu wählen oder den eigenen Ehemann, ist doch abhängig davon, ob ich in einer Kultur und Nation leben, die mir diese Freiheit zuspricht; und nicht allein, ob ich das möchte.

Grundrechte des einen sind immer auch die Grundrechte der anderen, mit denen ich eine Gemeinschaft, eine Ehe oder eine Nation aufbaue. Wer fahrlässig das eigene Wohlergehen über das der anderen stellt, kann sich letztlich - im evangelischen Sinne - auf Freiheit berufen. Und natürlich schränkt die Freiheit des anderen meine eigene Freiheitsentfaltung gerade dort ein, wo das Zusammenleben tangiert, berührt oder verletzt wird. Nehmen wir den Staat: Ich kann nicht beliebig bauen, meine Grenzen versetzen oder das Eigentum des Nachbar rauben. Diesen Freiheiten sind Grenzen des Zusammenlebens gesetzt.

Auch - und hier wird es höchst sensibel - können Kulturräume in Deutschland die Freiheiten Einzelner begrenzen. Gerade bei uns in der Kirche dürfen nur Evangelische beschäftigt werden; und früher war Ehescheidung auch bei Evangelischen durchaus eine Entlassungsgrund. Problematisch wird es dann, wenn kulturelle Begrenzungen die Freiheiten Einzelner so einschränken, dass sie in Kollision mit der Gemeinschaft treten; also dann wenn durch Zwang Verschleierung, Cousinen- bzw. Kinderehen, Kinderarbeit, Verzicht auf Berufsausbildung etc. "verordnet werden.

2.       Bibeltext

So beschäftigt sich auch unserem Bibeltext mit der Frage des Gestaltens und Verhaltens für Christen. Paulus schreibt an seine Lieblingsgemeinde, nämlich in Philippi, gleich zu Beginn: TEXT

Die ersten Verse machen deutlich, dass Paulus sich über die Gemeinde überaus freut.

Es ist eine erste Gemeinde, die er in Europa gründet; in Philippi; Makedonien. Seinerzeit ein römischer Außenposten. Die Gemeinde besteht mehrheitlich aus Christen, die vorher keine Juden waren. Als aus Menschen, die die Heilszusage Gottes an das jüdische Volk nicht kennen und erst durch die Ausweitung des Heils durch Christus auf alle Völker kennen lernen. Sie sind die Empfänger der weiteren Gnade für die Heiden.

Heute ist Philippi eine Ruinenstadt, Unesco Welterbe im Osten Griechenland. Heute ca. 15 Km von der Küste von Kavala entfernt und ca. 450 km westlich des türkischen Istanbuls.

Wie sehr Paulus die Fragen und Anfechtungen dieser Gemeinde am Herzen liegen, hatte ich mit meiner ersten Predigt hier in Raunheim am 24. Juli deutlich gemacht. Paulus wendet sich mit einer klaren und direkten Sprache (σκύβαλα) gegen Irrlehrer und Verführer. Ich hatte ausgeführt, dass Paulus die Gemeinde heftig ermahnt, eben nicht jedem Scheiß also σκύβαλα hinterher zu laufen, der gerade durchs Dorf getragen wird, sondern sich an die Botschaft des Evangeliums zu halten. Die die damals da waren, wissen es. Die anderen können es ja nochmals nachlesen.

Der Einleitung des Briefes an die Philipper spannt nun den Bogen zu dem damaligen Predigttext aus dem 3. Kapitel.

Zu was sind die Philipper aufgerufen - das ist hier in der Einleitung sehr klar ausgeführt.

Die Liebe soll reicher werden, AN Erkenntnis und Erfahrung.

Das Ziel ist es durch Erkennen und Erfahren zu prüfen, was das Beste sei. Das Beste für das eigene Handeln, um Frucht der Gerechtigkeit in Christus zu sein. Diese Gerechtigkeit, die wir als Samenkorn in uns eingepflanzt bekommen. Die durch Liebe das wesentliche der Botschaft des Evangeliums kundtut.

Die wirkliche Freiheit des Menschen liegt nicht in dem Rennen nach den eigenen Rechten oder Freiheiten, sondern in der Gewissheit, dass die Freiheit ein unverfügbares Geschenk ist. Ein Geschenk, dass nicht eingeklagt, nicht eingefordert wird, sondern schlicht darin beseht, dass Gott selbst sich für diese Freiheit verbürgt.

3.       Die Freiheit in Christus

Die Begriffe "Kreuz", "Auferstehung" sind letztlich nur Synonyme für dieses Freiheitsgeschenk. Christi ist der Heiland. Heiland - ein scheinbar altertümlicher Begriff, der aber letztlich nichts anderes bedeutet, als das Freiheitsgeschenk. Christi befreit zur Freiheit. Weil alle weltlichen Aspekte von Freiheit, Gleichheit, Menschenrechten, Gerechtigkeit, Zusammenleben letztlich nichts anderes sind, als Selbstversuche der eigenen Errettung. Und keine der zu Beginn genannten Freiheiten vermag es uns letztlich, von dem zu befreien, was die Begrenzung von allem ist. Die Endlichkeit selbstgewählter Freiheiten. Das Ende dessen, was wir mit Sterben, Tod bezeichnen. Welche Freiheit soll wirkliche Befreiung uns vermitteln, wenn wir diese wieder abgeben müssen und verlieren.

Die Hoffnung auf das, was die Befreiung durch diesen Heiland, durch Kreuz und Auferstehung uns verinnerlichen will, ist nun aber nichts anderes, als ZUKUNFT. Und zwar eine Zukunft, die befähigt, aufbaut, ermutigt, selbst dann den Weg zu gehen, wenn das Ende menschlicher Freiheit und Existenz offenkundig wird.

Paulus versucht seiner Lieblingsgemeinde diese Freiheit in Christus sichtbar, fühlbar und einprägsam vor Augen zu führen: Wir sollen der Nährboden für Gottes Gerechtigkeit sein. Wir, jeder einzelne von uns ist gerufen, seine Gaben, seine Neigungen, seine Talente und letztlich sein Leben für die Sache Gottes, seine befreiende Gerechtigkeit einzusetzen.

4.       Heute

Wie geht das? Im Grund recht einfach:

1. Liebe - als Basis; das ist nichts anders als ein Verständnis welches nicht mich allein in den Mittelpunkt der Welt setzt, sondern den anderen.

2. Erkenntnis - Hirn einsetzen, Synapsen bewegen und sich seine Gedanken für die Gerechtigkeit und die daraus folgende Freiheit zu machen.

3. Erfahrungen - Nur wer Erfahrungen macht, ist kein Dunnbrettbohrer. Nur wer etwas auch am einen Körper erlebt, erfahren hat, weiß von der tiefen Bedeutung von Freiheit, die auf der Gerechtigkeit Gottes basiert.

Was war das für ein Gefühl, Fahrrad fahren zu können. Zu erleben, dass der Körper Gleichgewichtssinn erfindet; und zwar nur für mich. Was bedeutet es zu erleben, wenn das Gefühl der Weite und der Gerechtigkeit einem durchströmt. Sicher - ohne aufgeschrappte Knie geht es auch hier nicht ab. Ohne die Erfahrung an Verlust

Letztlich sind das die Voraussetzungen dafür. was Paulus von den Philippern fordert: Prüft, was das Beste sei für Gottes Freiheit und Gerechtigkeit. denn darin ist nicht ein Recht auf Freiheit enthalten, sondern eine Gewissheit von Freiheit, die geschenkt wird.

Was sind das für jämmerliche Gestalten, die permanent nach Gerechtigkeit schreien und allein die Freiheitsrechte für sich selbst einfordern. Erbärmlich. Jammern auf unglaublichem Niveau. Jawohl und wir sind dann vielleicht die Dummen.

Deshalb ist es auch unsere Aufgabe als Christen, Freiheit nur dann als ein wirkliche Freiheit anzusehen, wenn es nicht um meine Rechte geht, sondern zum die Rechte der anderen. Denn: wie kann Freiheit existieren, wenn eine Aufforderung an Andere ist und nicht Aufgabe DEM anderen Freiheit zuzugestehen. Letztlich ist auch die Frage des Grundgesetzes eine solche Frage: Sicher der Staat muss die Grund- und Freiheitsrechte garantieren und zwar individuell. Aber angreifbar, belastbar und zukunftsweisend wird doch dieses grundlegende Gesetz nur dann, wenn ich damit nicht meinen eigenen Vorteil im Blick habe, sondern die Begrenzung meines eigenen Freiheitsempfindens für andere.

Und so; mit Paulus:

9: Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung,

10: sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi,

11: erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.

Wow. Amen.

 

Herr, befreie uns zur Gerechtigkeit als dein Nährboden. Amen.