Thema: Der Zukunft entgegen (Genesis 1, 1-4a. 26-31; 2,1-4a)

Die Schöpfung

1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.

4 Und Gott sah, dass das Licht gut war.

 ...

26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.

30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.

31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

Kapitel 2

1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.

2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.

3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

 

 

1.       Ordnung und Chaos

Auf die Frage, was diese Welt zu regieren scheint, hätte man problemlos bis 2008 antworten können: Geld. Nun haben wir aber den Salat. Die Banken sind eingebrochen und haben ein Chaos der Unsicherheit, der Geldentwertung, der Vernichtung von Vermögen hinterlassen. Und das Geld auf Pump, sprich die Schulden, haben uns seit der Griechenland-Krise 2010 in ein weiteres Chaos, nun Zypern, gestürzt. Da wird heute Geld entwertet, indem die Ein- und Anlagenwerte einfach nicht mehr voll ausgezahlt werden. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen etwas für 10 €, geben einen 50 Euroschein zur Kasse, erhalten aber lediglich 20 Euro zurück. Zwangsabgabe. Geld hat nun aktuell wirklich keinen guten Ruf. Wer sorgt denn nun für Ordnung, Klarheit, Sicherheit? Alternative Gold vielleicht? Nun gerade geht es dort mal drunter und drüber. Was gestern etwas Wert war, entwickelt sich heute zu einem reinen Chaos. Und im Chaos ist es schwer sich auf die Zukunft zu konzentrieren, denn man weiß ja nicht genau was noch kommt. Nach Häuserkrise, Bankenkrise und Schuldenschnitt nun auch noch den Vermögensschnitt?

Das alles scheint ja ein rechtes Chaos, die Zukunft kaum noch sichtbar. Und wie sieht es mit Moral, mit Anstand, Ehrlichkeit aus? Wie stabil sind Familie und der Staat? Irgendwie haben sich alle gegen alle verschworen und die Ordnung scheint den berühmten Bach runter gegangen zu sein. Wenn das Chaos regiert, dann gelten keine Regeln. Auf nichts kann man sich mehr verlassen. Manche von Ihnen haben existentielles Chaos um Vertreibung, Entrechtung und Tod im und nach dem zweiten Weltkrieg noch erlebt. Chaos gebiert existenzielle, Angst, Unsicherheit, Verzagtheit, Hunger, Leid, Tod und Hoffnungslosigkeit. Jede Ordnung, jede Sicherheit, jedes Vertrauen wird zerstört. Chaos - ein Tohuwabohu?

2.       Bibeltext

Tohuwabohu ist ein Begriff der hebräische Bibel und steht gleich im 2. Satz unseres Schöpfungsberichts. Tohuwabohu meint damit: WÜST und LEER. "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer." Tohu wa bohu - das ist also KEIN CHAOS, sondern beschreibt das Unbearbeitete, Ungeformte, Öde, Wüste; so wie es eine leere Leinwand eines Malers oder der Felsblock eines Steinhauer ist. Unbebaut! Die Schöpfung der Welt beginnt bei Gott also nicht als das Ordnen von Chaos, sondern als das Erschaffen, das Gestalten, das Kreativ-Werden Gottes an etwas, was vorher unberührt war. Nicht ein Urknall mit seinem Chaos ist der Ausgangspunkt für die Schöpfung der Welt und alles was darinnen ist, sondern der kreative Akt, Neues zu schaffen.

Es geht also weniger um eine naturphysikalische Abhandlung über die Entstehung der Welt (wer hätte diese auch aufschreiben können), sondern um das Versteh - wie Gott seine Welt sieht. Nämlich als Schöpfung, als Kunstwerk, als kreative Macht, Unberührtes in etwas Gutes, Schönes, Anmutiges zu verwandeln.

Gerade bei dem ersten von mehreren Schöpfungstexten können eine Vielzahl von Predigtrichtungen eingeschlagen werden: Dort wäre Gott zu preisen als der Schöpfer aller Dinge zum Beispiel. Oder die geordnete Abfolge der Schöpfung, wo alles aufeinander aufbaut. Oder - immer wieder gern bei evangelischen Pfarrern genommen - die Ebenbildlichkeit Gottes. Oder auch - je nach Aktualitätslage - das Ausruhen Gottes am siebten Tag. Nur wenige versuchen diese Schöpfungsbericht als wörtlich anzusehen (auch eine Möglichkeit der Auslegung); die - wie zuletzt die ehemalige hessische Kultusministerin - dann kreationistisch vorgehen und beharrlich naturwissenschaftlicher Erkenntnisse leugnen.

Ich dagegen möchte mich heute auf den schon erwähnten Aspekt des Textes konzentrieren: Kern der Botschaft ist der kreative Schöpfungsakt bei der Erschaffung der Welt und damit der Zukunft. Es geht nicht um Rettung vor dem Chaos oder eine IN-ORDNUNG-BRINGEN.

Das erste Buch Mose (auch Buch: Genesis genannt) ist keine chronologische Geschichtsschreibung über die Entstehung der Welt. Es fließen eine Vielzahl von alten Mythen und Geschichten ein, die etwas aussagen wollen. Ätiologie - nennt man das. Geschichten, Legenden, die uns etwas von Bedeutung erklären wollen, sind ätiologisch, erklärend.. Wie die Legende der Hirschkuh, die den Franken die Furt durch Main weist: Franken-Furt => Frankfurt). So ist auch die Bibel voll von Erzählungen mit Tiefgang.

Auch diese Schöpfungsgeschichte will uns etwas erzählen: Nämlich, wie der Gott Israels die Welt erschafft; und so völlig anders als die Götter der anderen Völker. Die Schreiber unseres Bibeltext sind wahrscheinlich Gefangenen, Vertriebene aus Israel, wohl Sklaven und sitzen in der Hauptstadt der damaligen Welt; in Babylon im 6. Jahrhundert vor Christus. Wir wissen von einigen Stellen im Alten Testament, in die Erfahrungen dieses 50 Jahre dauernde Babylonischen Exils (Dauer von 586 bis 538 v. Chr.) eingeflossen sind. Bei meiner letzten Predigt in der Gutleutkirche Ende September ging es um Jesaja 49 und Heilspropheten; dort waren die gleichen Schreiber am Werk. Auch unser Schöpfungsbericht ist von Ihnen. Sie wollen mit dem kreativen Schöpfergott ein Gegenbild zu der Schöpfungsvorstellung der Babylonier bieten. Der babylonische Schöpfungsmythus "Enûma elîsch" liegt uns seit Ausgrabungen im 19. Jahrhundert in Ninive (auf Tontafeln in Keilschrift) vor.

Dort - im babylonischen Weltenstehungsmythos - ist - wie wir das auch von den griechischen Göttern vom Olymp kennen - eine Götterkampf der Auslöser für die Erschaffung der Welt und der Menschen. Ich erzähle mal etwas daraus von Tontafel 1 (von 9) um das Chaos zu verdeutlichen, was dort Schöpfung heißt:

Die Urgötter, Vater Apsû und Mutter Tiamat, schaffen die Götter. Nach der Erschaffung der Götter, übertrifft der Gottsohn EA seinen Vater Aspû. Die Götter (Kinder) stören ihre Eltern Aspû und Tiamat. Die Eltern rangeln um das Vorgehen: Apsû will sie töten, Tiamat nicht. Der (Unternehmens-) Berater Mummu gibt Apsû Recht, dass die Götter zu töten sind. Sohn Ea schläfert aber den Vater Apsû mit Beschwörung ein und tötet ihn. Ea besetzt das Elternhaus, entmachtet den Berater und die Mutter Tiamat. Mit seiner Gattin Damkina zeugt Ea den jungdynamischen Marduk. Die anderen Götter finden den besserwisserischen Marduk unmöglich und stiften dessen Oma Tiamat zur Rache an. Dann werden noch Dämonen gegen Marduk geschaffen und ganz zum Schluss noch Sklaven der Götter, nämlich die Menschen.

Also. Ich kürze ab. Das ganz normale Chaos, wie man es auch täglich im Fernsehen bei Gute Zeiten, Schlechte Zeiten oder Lindenstraße oder so was mitbekommt.

Gegen dieses Chaos, die Intrigen, den Neid, die Unordnung der Götter setzen die Schreiber unseren Schöpfungstext das Tohuwabohu. Das Unbefleckte, wüste, leer, das nach Gestaltung schreit und eben nicht das Chaos. Die Welt ist - so die Botschaft der Schreiber - kein Ränkespiel der Götter, sondern ein kreativer Akt des einen Gottes, geordnet, strukturiert aus einer wüsten/öden/leeren Welt. Menschen sind Herr ihrer Zukunft und keine Sklaven der Götter. Kreativ, Ebenbild des kreativen Gottes, um etwas Gutes, Schönes zu schaffen. Keine anderen Familiengötter fummeln drin rum und selbst die Ruhe ist Bestandteil nach der Schöpfung, der kreativen Arbeit: Man oder hier Gott ruht sich aus und gönnen sich - sagen wir's mal salopp - ein Weizenbier nach getaner Arbeit. Die Schöpfung, das Kreative ist Arbeit und kein Ränkespiel irr gewordener Götterfamilien.

3. Christologisch - Kreativität, Schaffenskraft, Ruhe

Wenn wir nun als Ebenbilder Gottes diese Schaffenskraft und Kreativität quasi genetisch mitbekommen haben, dann richtet sich der Blick nach Vorne. Wir blicken nicht zurück und sind eben keine Bedenkenträger. Die Schöpfung wird somit auch nicht zum Nachhaltigkeitsprogamm des Himmels, sondern ein Auftrag, mutig, unbefangen, kreativ und gestalterisch zu sein. Und als Christen wissen wir, dass dieser Plan Gottes in Christus weitergeht; ja sogar der Vollendung entgegen strebt. Kreativ trotz Wehmut, Sünde, Chaos und Tod. Der Zukunft entgegen.

Das ist die Aussage der Kreuz-/Auferstehungsbotschaft Christi. Die Gnade Christi trägt uns eben raus aus dem Chaos und hinein in der Kreativität der eigenen Gestaltung. Christus öffnet uns den Weg für eine kreative Zukunft. Wir sollen Herren sein, über die Gestaltung, Künstler, Macher, Kreative im Angesicht der Gnade, die vom Chaos befreit.

4. ... und heute?

In dem Schöpfungsbericht wird dieser Aufbruch so ausgedruckt. Herrscht über die Tiere, füllt die Erde mit Menschen, nutzt die Natur für eure Speise. Sicher ist es dumm, die Natur zu zerstören, die morgen noch Speise und Nahrung hervorbringen soll. Aber es gibt keinen Auftrag für die "Bewahrung der Schöpfung". Diese Schöpfung ist nicht mehr, weil Gott sie uns überlassen hat. Wir sind die Geschöpfe, die die Grundlage Gottes verändern und gestalten. Verändern dürfen. Gestalten sollen.

Bewahrung der Schöpfung - diese Lieblingskind evangelischer Kirchen ist eine bedauerliche Illusion, die eigentlich schon Züge der Verleugnung der christlichen Lehre hat. Wir werden nicht durch Windräder, Freilandhühner oder gar eine Schöpfungsbewahrung gerettet. Christus allein rettet, sonst nichts.

Sicher sollen wir verantwortlich, aber eben kreativ sein, um als Ebenbild Gottes zu agieren. Nicht Nachhaltigkeit und Verantwortung sind schlecht, sondern die Vergötterung der Nachhaltigkeit als eine modische und gesellschaftskonforme Ersatzdroge. Gott ist kein modischer Gott, der sich Neigungen, Befindlichkeiten, Mehrheitsmeinungen unterwirft. Er ist kein modischer Gott, der sich von anderen die Richtung diktieren lässt. Gott ist ein kreativer Gott mit einem heiligen kreativen Geist, der auch uns beflügeln und befreien soll, Zukunft, Möglichkeiten und Leben zu gestalten. Es ist zudem dumm, sich zum Bewahrer göttlicher Schöpfung aufzuschwingen. Wozu? Das und dieser vermeintliche Blick zurück führt unweigerlich in den Kampf der schon dem babylonischen Schöpfungsmythos zugrunde lag. Sie tötet Kreativität, Machertum und Freunde am Gestalten. Die gesellschaftsrelevante Vergötterung der Natur lässt den Blick zurückwandern und in einer Kritik der Selbstaufgabe münden, statt sich dem Tohuwabohu, dem Wüsten, dem Leeren, dem Unbearbeiteten, schlicht der Zukunftsgestaltung zuzuwenden.

Das Heil kommt uns von vorne in Christus entgegen. Dort liegt der Himmel, die Zukunft und Christi Gnade trägt uns in schöpferischer Kreativität dahin. Das Tohuwabohu ist die Antwort auf das Chaos. Der Mut zu Gestalten, statt der Hang zu Kritisieren, ist die Schöpfungsbotschaft, die wir heute am Sonntag Jubilate - laut, deutlich, jubelnd herausbringen dürfen. Wir sind Ebenbild Gottes und das bedeutet: Nutze deine Kreativität, deinen Mut, weil so Zukunft erst entstehen und Wachstum gedeihen kann.

...

Und die Zukunft Gottes in Christo schenke uns einen klaren, aufrechten Blick, einen wachen Verstand und zupackende Hände. Amen.