Thema: Gerettet für die Zukunft (Jes 49, 1-6)

Predigttext: Jes 49, 1-6

 

Der Knecht Gottes das Heil Israels und das Licht der Heiden

1 Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.

2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt.

3 Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will.

4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.

5 Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, - darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke -,

6 er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.

1.       Einleitung

Zu allen Zeiten und in allen Kulturen werden Geschichten von Heilbringern erzählt. Gerade in Zeiten der Not werden dann Ideen, Personen, politische Überzeugungen, Wirtschaftsmodelle oder ein Rettungsschirm als das Heil, als Rettung aus der Not dargestellt. 

Ohne Not - keine Heilsbringer, ohne Retter, kein Heil - so die These. Und die Insel der Glückseligen, die Völker hier und in der Ferne, lassen sich gerne von derartigen Märchen der Rettung aus der Not verführen. Wenn das Gejammer am größten scheint und die Not oder die Pseudonot am drängensten werden Bilder von Lichtgestalten und Heilsbringern aufgebaut. Hört man auf das Gejammer gerade in dieser unseren Welt, so scheint man den Eindruck zu haben, dass alles drunter und drüber geht. Der Euro verbrennt. Die Renten sind für die Jungen ein Witz. Die Kirchen verlieren ihre Mitglieder und die Wirtschaft an Dampf. Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer. Es gibt doch keine Nachrichtensendung, keine Talk Show, kein Zeitungsaufmacher, in denen nicht von einem neuen Untergang, dem Moralverlust, dem Rückgang der Gewohnheit oder sonst was gefaselt wird.
Die Welt um uns und wir in ihr sind scheinbar ein dunkles Fass ohne Boden, welches uns alle in den Abgrund zu reißen scheint.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht? Fühlen Sie sich wohl bei dieser Schwarz-Dunkel-Malerei? Benötigen Sie täglich die Dosis an negativen Nachrichten, die uns Krise, Jammer und Untergang vorgaukeln. Alles ist schlecht und wenn es nicht so sein soll, finden wir etwas, was uns zwickt (und natürlich sofort unheilbarer Krebs ist), was nervt (und sofort, weil es ja die Gegenwart verändern will, elimiert werden muss), was mein Geld will (und deshalb ein Dieb ist, einschließlich dem Finanzamt oder der Tankstelle). Aber sind diese wirklich so, dass wir einen Heilbringer benötigen, der uns gerade von der konkreten Pein retten muss? Problem, Krise, Geschrei, Retter muss helfen - so lässt sich die Abfolge beschreiben.

Sicher und das braucht eigentlich nicht betont zu werden, es gibt Sorgen, Nöte, Ängste, unheilbare Krankheiten. Auch gibt es Finanz-, Banken-, Renten-, Glaubenskrisen. Die gab und gibt es immer. Leben kann sich böse und kummervoll entwickeln. Krankheiten, Leid, Altern, Unfälle, Sterben können persönliche Jammertäler sein. Hier ist Hilfe nötig. Sicher.

Aber brauchen wir wirklich die Krisengeschrei, um Zukunft zu gestalten und Hoffnung zu haben und sehen?

Oder leben wir nicht auf einer Insel der Glückseligen. Das Talk Show-Gejammer in Deutschland ist nahezu unerträglich. Und selbst unsere Kirche beteiligt sich daran. Wir seien in einer Krise. Wir müssten uns verändern. Blödsinn. Noch nie ging es der Kirche so gut wie heute. Kirchesteuern sprudeln und nur weil Getaufte sterben und zu Engeln werden, werden wir doch nicht in eine Krise schlittern. Krise, dann wir nach dem Heilsbringer, dem Rettungsschirm, der Mama oder einem Führer geschrien.

2.       Bibeltext

Auch der Bibeltext des heutigen Tages schreit nach einem Retter, Heilsbringer in einer Krisenzeit. Die Not der Judäer ist das Exil in Babylon mit großen Worten propagiert. Und dann wird eine Geschichte entworfen:

Ein Gottesknecht entspringt pathetisch dem Mutterleib, der das Licht der Welt sein soll. Er ist schon von Geburt auserwählt, um mit seinem scharfen Schwert, spitzem Pfeil zu beschützen und mit seiner Hand Schatten und Trost zu spenden. Und dieser Gottesknecht wird sogar noch durch das Berufen auf Gott selbst verherrlicht. Der Schreiber nutzt das Bild des Knechtes in seiner Doppeldeutigkeit: Vers 3 "Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will." Wow. Und weil dieses Bild vom Heilsbringer, Retter in der Krise so hübsch ist, haben es auch die christlichen Kirchen jahrhundertelang verwendet, um die jüdische Bibel auf Christus verweisen zu lassen. Jesus sei der Retter aus der Not, das Licht der Heiden. Aber diese Deutung muss scheitern. Denn Jesus retten nicht aus einer Krise oder einer konkreten Not, wie die Verfasser der Bibelstellen erhoffen. Wenn dem so wäre, müssten wir eins sein mit der Not der Judäer in Babylon im Exil vor fast 2.700 Jahren.

Schauen wir uns mal das Buch Jesaja kurz an. Der Prophet Jesaja hat um 740 v. Chr. gewirkt (2.750 Jahre in der Vergangenheit; 91 Generationen zurück!). Seine Geschichte können wir in den Kapitel 1-39 nachlesen. Sie berichten von Bedrohung des Staates Juda, welcher sich 926 (vor über 3.000 Jahren) vom Nordreich Israel nach Tod des König Salomos getrennt hat. Jesaja bericht in den ersten 39 Kapitel von der Bedrohung durch die Großmacht der Assyrer, ein vergangener Staat, der heute im nördlichen und Mittleren Irak gelegen wäre.

Die Kapitel 40 bis 55 des Jesajabuches, zu denen auch unser Bibeltext gehört, sprich dagegen von einer anderen Not als der Bedrohung durch die Assyrer. Diese Kapitel, theologisch auch der zweite Jesaja (Deuterojesaja) genannt, weiß schon um die Zerstörung des Südreich Juda im Jahre 587 v. Chr. Der babylonischen König Nebukadnezar II (640-562 v. Chr.; Ischtar-Tor im Pergamonmuseum in Berlin!) hatte mit der Zerstörung des Südreiches ein Vielzahl von Judäern nach Babylon verschleppt. Erst im Jahr 539 v. Chr. wird auch der Staat Babylon [heutiger Irak] durch den persischen König Kyros II [580-530 v. Chr.] - heutiger Iran, erobert und die Judäer dürfen heimkehren. Von der Heimkehr des Jahres 539 weiß der Schreiber der Kapitel 40-55 noch nicht. Er kennt nur die Not des Exils des Volkes Juda. Er beschreibt die Flüsse Babylons (44,27; 45,1), die Schifffahrt (43,14) und das Leben in Babylon (47). Und darin eingebetet sind mehrere Heilsbringer-Botschaften unter dem Titel "Gottesknecht". Auch hier wir um einen Heilbringer für eine konkrete Not angefleht. Also: Die konkrete Errettung aus dem Exil. Hoffnung soll der Heilbringer bringen.

3. Christologisch - das Heil ist schon da!

Was kann uns, als Christen, diese Heilsbringerbotschaft heute sagen ohne dass wir diese jüdische Bibelstelle dadurch vergewaltigen, darin Jesus Christus zu sehen?

Zunächst: Heilbringer haben nichts mit Jesus als Christus zu tun. Christus kommt nicht um eine Not, eine Krise oder Gejammer zu überwinden.

Nicht für diesen einen konkreten Notfall bringt Christus das Heil, sondern es ist eine Errettung in der Welt, mit all ihren Nöten und Jammertälern. Christus ist kein Rettungsschirm für eine konkrete Bankenkrise, sondern Retter unserer Zukunft. Und Retter unserer Zukunft bedeutet nichts anders als dass wir befreit sind, nach Heilsrettern in Not zu schreien, weil Gott selbst uns das Heil für die Zukunft zugesprochen hat; unabhängig der konkreten Nöte.

So dann: Das Heil für unsere Zukunft tragen wir durch die Taufe in uns. Wir müssen niemandem nachlaufen, nacheifern, uns ethisch richtig oder angemessen verhalten, um Heil eines Heilbringers zu erhalten. Kein ethisches Verhalten ist richtig, kein Verdienst verdienstvoll genug, um uns selbst für die Zukunft zu retten. Die Gnade Gottes in Christo ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das direkt in uns eingepflanzt ist.

Und schließlich: Das Heil in Christo in das Heil unseres Lebens, unserer Zukunft. Es sagt etwas simples aus: Gestalte Zukunft, denn ich habe dich schon erlöst und bei deinem Namen gerufen. Du kannst, darfst, wirst leben bis zum Tod und darüber hinaus. Es ist ein Heil in der Endlichkeit des eigenen Daseins, welches uns hindurch trägt.

Christus rettet nicht unseren Euro, die Obdachlosen, die Managergehälter, die Krankheit, die Not. Er rettet unsere Zukunft, unser Leben; losgelöst von einer konkreten Not. Als Christen können, dürfen und werden wir aufhören, uns mit den Heilbringer der Welt zu belasten. Wir finden Trost in der Zusage, in der Hoffnung auf Rettung in der Welt, weil wir schon gerettet sind.

4. Niemand braucht Heilsbringer - wir müssen gestalten.

Deshalb schreien wir auch nicht nach Heilsrettern. Mögen sie Merkel, Steinbrück oder Rettungsschirm heißen. Ist die Not rum, kommt eine neue und ein neues Geschrei um Heilsbringer. Unser Verhalten ist deshalb auch nicht das Lied vom Jammer, sondern das Lied für die Zukunft. Zukunft ist zu gestalten. Ungeachtet wie es mir finanziell, körperlich oder mental geht. Wir helfen doch Obdachlosen nicht, damit die weiter im Loch der eigenen Niedrigkeit sitzen, sondern weil wir eine Zukunft ermöglichen wollen. 

Nichts ist dabei, jemanden Essen zu geben. Alles ist dabei, im mit dem Essen Hoffnung auf eine eigene Zukunft zu geben.

Nichts ist dabei, Bildung zu ermöglichen. Alles ist dabei, wenn Mädchen nach Jahrtausenden der Bildungsarmut in ihre eigene (und nicht fremdbestimmte) Zukunft entlassen werden. So haben wir nicht zu jammern , sondern uns zu freuen. Niemals war der Wohlstand und Friede so langwährend. Niemals die Bildung so gut und die Zukunftsfähigkeit von Männer und Frauen so umfassend. Sicher gibt es eine Schere von Arm und Reich. Aber müssen wir als Kirche darüber jammern? Zumal wir mit der Kirchensteuer die Nutznießer von den Reichen sind. 60% der Kirchenmitglieder zahlen keine Kirchensteuer. Und lediglich 15% (also jeder 7) steuern 85 % der Gelder bei, die Kirche in der heutigen Form ermöglichen. Gerade die sogenannten Reichen finanzieren Neubauten, Pfarrstellen, Kitas und Jugendgruppen. Auch das Vermögen auch der Kirchenmitglieder ist gigantisch. Ich weiß nicht, ob sie Kirchensteuer zahlen. Es ist auch unerheblich. Erheblich ist, ob wir jammern über andere und alles und jedes. Anstatt uns mit dem zu freuen, was das Evangelium uns schenkt. Zukunft und keinen Heilsbringer.

Somit ist die Aufgabe eine einfache. Statt Jammer dürfen, sollen, können wir  froh sein (selbst in Altern, Krankheit und Not), dass wir eine Zukunft haben in Christus und nicht uns eine Zukunft durch Geld, gute Taten oder Lebensversicherungen erkaufen zu können.

Heilsbringer sind etwas für die Hoffnungslosen. Und wir sind alles andere als Hoffnungslos. Wir sind in Christo die Hoffnung und das Licht der Welt.

 

Amen

Und die Zukunft Gottes in Christo schenke uns einen klaren, aufrechten Blick, einen wachen Verstand und zupackende Hände. Amen.