1. Sonntag nach Epiphanias (9. Januar 2011 - BAd Soden a. Ts.)
Predigttext: Mt. 4, 12-17
12 Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangen gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. (Mt 14,3)
13 Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali,
14 damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1):
15 »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa,
16 das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« (Joh 8,12)
17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Thema: Gelebte Zukunft – zukünftiges Leben (Mt 4, 12-17)
Was steckt dahinter? Was macht es aus? Was ist die Aufgabe?
Was steckt hinter Geld,
Arbeit, Schule, Ausbildung, Häusern und dem Leben?
Betrachtet man unser Leben,
betrachte ich mein Leben, so scheint häufig nur eines den Sinn meines und
unseres Dasein zu bestimmen.
Das Leben im Konsum, das
Streben nach Anerkennung, das Leben sich zu versüßen. Weihnachten ist der
Konsumfeiertag unserer Nation, an dem wir uns Handys, Parfüme, Elektroartikel,
Bücher, modische & erotische Assessoires schenken. Ich schließe mich da gar
nicht aus. Ein wirres Gerennen und Getue.
Was ist aber dahinter? Was ist
es, das unser Leben gestaltet und unseren Antrieb zum Leben ausmacht. Welchen
Hoffnungen hängen wir nach und was trägt uns durch das Leben? Ist Konsum ein
möglicher Kern, eine Basis, das Dahinter für unser Leben, der Weg aus den
Krisen?
Betrachtet man sich die Krisen
im jungen 21. Jahrhundert, so sind diese außergewöhnlich, exorbitant und keine
Steigerungsworte waren zu gering. Die Börsen waren zweimal vertreten bei den
Krisen: Zunächst die Internetblase im Jahr 2000/2001 (schon lange wieder
vergessen) und die so genannte Bankenkrise 2008/2009. Nie zuvor wurden
gigantischere Geldmengen vernichtet. Nie zuvor. Und schon wieder nach nur
einem Jahr, einer Abwrackprämie, einem Kanzlerin-Versprechen, dass unsere
Bankkonten sicher seien, und einem gigantischen Rettungsschirm zur
Eurostabilisierung springt alles wieder an. Wie gern lassen wir, ich doch mein
Leben beruhigen. Alles in Ordnung. Trink. Iss. Sei frohen Mutes. Alles in
Ordnung und wieder Stabilität dahinter.
Aber was steckt dahinter? Was
macht uns sicher? Was hilft, was trägt und wie werden wir die nächsten
Schritte gehen?
Sicher – Konsum ist eine nette
Form der Gewissheit, dass alles so weiter geht. Warmes Wasser aus der Dusche,
Strom aus der Steckdose und Nahrungsmittel im Vorrat. Sicher Fernsehen, DSL
und Mobilfunk müssen auch gehen. Sicher ist auch ein Kontoauszug eine
Beruhigung, zumindest wenn die Zahlen darauf positiv sind. Sicher ist ein
Zeugnis eine Tür für eine berufliche Zukunft, zumindest wenn die Quersumme der
Einzelnoten nicht riesig ist. Sicher ist eine Kranken- und Pflegeversicherung
ein Schutz, zumindest wenn man Sie nicht benötigt.
Was ist dahinter? Was trägt
uns in die Zukunft? Was macht uns sicher und geborgen gerade im Nachgang der
Krisen?
Betrachtet man die Prognosen
für Deutschland, so dürfte es ziemlich super werden. In 5 Jahren wird es ein
Fachkräftemangel geben. Ade Arbeitslosigkeit? Die Konjunkturdaten sind
dramatisch gut und die 2-3 Billionen Euro Staats- und Stadtschulden lockern zu
refinanzieren.
Tolle Lösung; eigentlich: Bei
Krisen wracken wir mal kurz ab. Wir ersetzen das alte Auto, bereinigen mal
Bilanzen, wir tapezieren mal neu, wir kaufen ein neues Parfüm, wir machen eine
neue Strategie und schon wird es wieder super, stabil & sicher.
Ist das der Weg in unsere
Zukunft? Ist das der Sinn, der hinter dem Leben steht, wie wir mit Krisen und
Neuaufbrüchen umgehen müssen?
Auch der heutige Bibeltext
beschäftigt sich mit der Frage, wie soll es weitergehen; was soll ich tun
angesichts einer Krise? Matthäus hinterlässt uns einen Text aus der
biografischen Frühphase Jesu.
Jesus ist geboren, was wir am
25.12. jedes Jahr feiern. Die Kindheit Jesu ist in den Evangelien (fast
gänzlich) ausgespart. Jesus Taufe von Johannes dem Täufer und seine
Versuchungen werden als erste Aktivitäten genannt. Der heutige Predigttext hat
deshalb eine besondere Stellung in den Evangelien. Er berichtet von dem
eigenständigen Wirken Jesu und warum er dies tut. Auslöser ist die Gefangennahme
Johannes des Täufers. Johannes war ein Idol der Zeit – so
berichten die Texte. Er lebte asketisch. Ein einfaches Gewand mit Gürtel, aß
Heuschrecken und wilden Honig Das heißt: Er baute nichts an und hatte keine
irdischen Güter. Johannes rief die Menschen zur Umkehr auf, zur Besinnung und
zu einem Neuanfang im eigenen Leben. Seine Taufe war ein Reinigungsbad, um
sich neu zu fühlen. So eine Art Peeling für die eigene Seele, für neue
Vorsätze. Gerecht zu leben, freundlich und friedlich zu sein, nicht dem Geld
hinterher zu rennen. Also ähnlich der Silvestervorsätze. Johannes hatte nach
den biblischen Berichten viel Zulauf. Er scheute auch nicht politisch seine
Stimme zu erheben. Er tauft auch Jesus, wie wir gehört haben.
Nun ist Johannes verhaftet worden. Diese Verhaftung bringt Jesus an einem Scheideweg. Sein bisheriges zaghaftes Wirken wird nun durch die Verhaftung in eine Krise geführt. Was soll er tun? Was soll er predigen? Wo und wie soll er aktiv werden? Soll er in die Fußspuren von Johannes treten und in der Wüste – fernab von der Gesellschaft predigen? Soll er Umkehr predigen und dazu taufen? Soll er der Gesellschaft als Kritiker gegenüber stehen? Viele Fragen und Jesus steht an einem persönlichen Scheideweg. Diese Krise fordert eine Handlung heraus. Es ist die gleiche Frage wie heute: Was ist dahinter? Was ist davor? Was ist die Aufgabe?
Zunächst berichtet der Predigttext vom Drängenden. Jesus rettet erstmals sein Haut, indem sich zurück zieht. Von Seinesgleichen zieht er sich zurück. Er verlässt seine Heimatstadt Nazareth. Er geht nach Kapernaum am See Genezareth. Kapernaum ist zurzeit Jesu eine junge Stadt, keine 200 Jahre alt, in der vornehmlich Handel und Fischerei betrieben wird. Die Menschen sind keine Bevorzugten oder Sonderlinge, sondern aus dem normalen Volk. Jesus geht in die Mitte der Gesellschaft, nicht in die Wüste. Und verwendet das Motto des Johannes: „Tut Buße, das Himmelreich ist nahe“. Aber Jesus meint es ganz anders. Nahe bedeutet für ihn: Das Himmelreich ist vor uns.
Buße ist eben nicht Besinnung,
nicht Umkehr nur für einen Wellness-Wochenende samt Seelenpeeling, sondern
Buße ist Besinnung auf die Zukunft; Umkehr zur Zukunft, die uns Menschen aus
Gottes Hand kommt. Nicht Askese ist die Losung, nicht die Abkehr von den
Menschen. Jesu Botschaft geht in die Mitte des Lebens der Menschen. Er
unterscheidet nicht (wie irrigerweise die Pharisäer damals und die
Kirchenleitungen heute) in „Kirchennahe“ und „Kirchenferne“. Er sieht die
Menschen und ihre Zukunft im Angesicht der Gnade Gottes. Denn – so Jesus – die
Gnade Gottes ist nicht teilbar. Ganz oder gar nicht.
Und letztlich wird die
Botschaft Jesus von ihm erfüllt mit neuem Leben. Die Gewissheit seiner
Botschaft ist die Gewissheit seiner Tat. Niemals haben wir Jesus nur als
ethischen Wellness-Lehrer in Birkenstock. Nie können wir vom ihm reden als
Asket, Anreger und Gerechtem. Der Weg zu Jesus geht unweigerlich über die
Botschaft, die er erlebt, erlitten und auferweckt hat. Nur durch Kreuz,
Auferstehung wird das Neue verständlich. Das Neue ist einfach: Wir retten uns
nicht. Wir überwinden die Krise des Menschen nicht durch Buße. Wir können die
Krise nicht wegdiskutieren oder mal abwracken, hinter uns lassen und alles
wird wieder gut.
Das Neue ist einfach: Die / Unsere Zukunft, die Gnade kommt außerhalb von uns
(lat. extra nos) auf uns als gnädige Zukunft zu. Dies macht die Gewissheit der
guten Botschaft aus. Nicht wir tragen die Zukunft, sondern sie wird uns – so
unsere Gewissheit – durch Gott selbst uns von vorne entgegen gebracht. Und
weil Zukunft uns geschenkt wird, gestalten Christen Zukunft.
Sicher - viele andere Menschen
gestalten diese Zukunft auch. Unsere Gewissheit der Zukunft ist aber keine,
die sich Planzahlerfüllung niederschlägt oder anderen messbaren Gewissheiten.
Sie ist eine Gewissheit, die auch der letzten menschlichen Zukunft, dem
Sterben, einen Weg in eine neue Zukunft eröffnet.
Dies ist das Neue, das Unbegreifliche und das Schöne zugleich. Wir erben etwas, was unsere Eltern nicht angelegt haben. Wir erhalten Zukunft, weil wir NICHTS dafür tun. Wir bekommen, ohne zu geben, Zukunft geschenkt. Nicht weil wir von gestern über heute ins Morgen gehen haben wir Zukunft. Sondern die Zukunft ist nicht planbar oder erzwingbar. Nichts nützt sicher, weil die Zukunft den Nutzen anders bestimmen kann.
Die Aufgabe von uns Christen
gegenüber den Krisen der Welt ist denkbar einfach. Weder sollen wir verzagen,
noch uns auf das Alte verlassen. Die Zukunft war nicht gestern, sondern sie
kommt uns entgegen. Wir sind die Träger der Gnade und Zukunft Gottes; auch
über den Tod hinaus. Nichts ist so gewiss wie der Tod im Leben. Nichts
empirisch gesicherter als mein und ihr Sterben. Nichts ist totsicherer als der
Tod. Und weil wir diese empirische Gewissheit des Todes haben und weil wir
wissen, dass Evangelium >Zukunft auch über den Tod hinaus< heißt, können wir
in dieser Welt der Zukunft mutig entgegen sehen.
Zukunft ist keine Fortsetzung
der Gegenwart und Vergangenheit. Zukunft ist auch keine Hoffnung, sondern eine
Gewissheit, die mit jedem neuen Atemzug ins uns hineinströmt. Zukunft ist die
zu gestaltende Aufgabe des Lebens. Das ist es, was dahinter ist, weil es vor
uns hergeht. Und weil die Gnade Gottes uns in der Endlichkeit des eigenen
Lebens von vorne entgegenkommt, können, dürfen und werden wir unserer Aufgabe
gerecht werden: Das Leben von morgen zu gestaltet und die Zukunft als Aufgabe
zu sehen.
Ob mit Rollator, mit
Facelifting oder mit einem Abschlusszeugnis; ob mit einem Kapitalkonto oder
einem Kredit; ob mit einem Partner oder als Single; ob mit IQ oder ohne; ob
wir unseren Kindern durch Bildung und Erziehung oder unseren Gebrechlichen,
Armen und Ausgeräuberten mit Nächstenliebe und Erstversorgung Zukunft
erleichtern - die Voraussetzungen zur Zukunft sind heute für alle gleich;
zumindest aus Sicht Jesu und unseres Glauben. Weil uns die Zukunft über den
Tod hinaus trägt, tragen wir uns in die Zukunft, indem wir diese mit Hirn,
Hand und Können gestalten. Nicht alles gelingt. Nicht jeder Schritt ist fest.
Und doch heißt die Botschaft für den heutigen Tag: Blicke auf. Sehe der
Zukunft entgegen, damit unsere Zukunft unser Leben hier und jetzt wird.
Amen.
Und die Gnade Gottes weise uns den Weg in diesem neuen Leben. Lass uns Buße tun und die Zukunft als Auftrag annehmen.
Amen.