Thema: Leben mit Zukunft (1. Petrus 1, 3-9)

1.      Einleitung

Blickt man heute in die Themen, die uns als Menschen bewegen, scheint nur eines vorzuherrschen: Angst. Angst vor dem was noch auf uns zukommen kann. Angst, dass die Rente nicht mehr sicher ist. Angst, dass die Kranken- und Pflegekosten nicht mehr bezahlt werden können. Angst, vor dem Untergang der Währung im Euroland.

Diese Ängste werden uns überall zugetragen und man muss schon recht abgehärtet sein, wenn man sich dieser Angst nicht selbst ergibt und zaghaft, zögerlich und – das ist die Folge – egoistisch wird.

Jede Angst wirft uns auf uns selbst zurück. Jede Angst wird deshalb so bedrohlich, weil sie individuell, nur für uns spürbar, erlebbar, fühlbar wird.

Bei Schulprüfungen, bei ungewissen Wegen, bei Neuanfängen, bei der Frage, wo mein Erspartes noch sicher ist oder auch wer mich im Alter pflegt.

Angst an sich ist nichts Schlimmes. Wenn aber die Angst überhand nimmt, dann kann sie das eigene Leben und das Handeln derart beeinflussen, dass wir nicht mehr Leben gestalten, sondern allein versuchen, das Bestehende abzusichern. Menschen, die Phobien (das griechische Wort für Angst) haben, wissen, um was es geht. Nicht mehr die Zukunftsgestaltung, das Leben zu leben, ist dann Ziel, sondern die Abwehr der Angst und der Angstursache wird zum lebensbestimmenden Inhalt.

Nehmen wir die Ablutophobie. Die Angst vor Waschen oder Baden. Sicher eine sehr ungewöhnliche Phobie, also Lebensbestimmende Angst.

·       Oder die Agaraphobie: Angst, angefasst zu werden.

·       Bekannter ist, Claustrophobie: Angst vor engen Räumen.

·       Agraphobie: Angst vor sexuellem Missbrauch.

·       Cacophobie: Angst vor Hässlichkeit; die scheinbar mit jeder Modellshow zuzunehmen scheint.

·       Didaskaleinophobie: Angst vor der Schule. Irgendwie heute weit verbreitet.

·       Mysophobie: Angst, vor Schmutz (bekannt aus dem Film über den Flugzeug-Unternehmer Howard Hughes – gespielt von Leonardo Di Caprio, der sich permanent die Hände waschen musste)

·       Pathophobie: Angst, krank zu werden. Heute häufig verbreitet bei Eltern, wenn es um ihre Kinder geht.

·       Arachnophobie: Angst vor Spinnen.

·       Oder Lygophobie, Nyktophobie, Scotophobie, Achluophobie: Ängste vor Dunkelheit. Gerade in der Kindheit spielt diese Angst eine wichtige Rolle,; vor allem wie man als kleiner Mensch lernt damit umzugehen.

·       Es gibt die Angst vor dem Älterwerden: Gerascophobie. Oder sogar die Angst vor alten Menschen: Gerontophobie

·       Und krankhafte Perfektionisten leiden häufig an Atychiphobie: Die Angst, Fehler zu begehen.

Liest man die Liste der Phobien beispielsweise bei Wikipedia im Internet bekommt man schon beim Lesen ein grauseliges Gefühl und man kann erahnen, wie viele lebensbestimmende Ängste Menschen im Griff haben; wie lähmend eine Angst sein und werden kann.

Was hat mit dem heutigen Predigttext zu tun?

2.      Textbezug: Angst als Christ zu leben

Der Predigttext aus dem Petrusbrief beschäftigt sich mit der Frage, auf was Christen um 90 n. Chr. im Süden und Südosten der heutigen Türkei verlassen können, wenn die Angst vor Verfolgung, die Angst als Christ erkannt zu werden, überhand nimmt. Der Briefschreiber verwendet dabei einen heute eher ungewöhnlichen Begriff, wenn er von der Abwehr der Ängste redet. Er spricht von der Wiedergeburt des Christen.

Wiedergeburt, dieser Begriff ist heute eher bekannt aus Dämonenwelten oder aktuellen Vampirserien. Jemand stirb und wird nochmals geboren; eben wiedergeboren. Aber dieser Nonsens hat nichts mit unserem heutigen Predigttext und dem, was wir als Christen unter Wiedergeburt verstehen. und sonstigen Unsinn besetzt. Auch in einigen christlichen Splittergruppen spielt das Wort "Wiedergeburt" eine wichtige Rolle.

Der Schreiber des Petrusbriefes schreibt aber in eine Zeit der Angst. Der angst der jungen Religion der Christen, die sich vielen Verfolgungen und Tötungen ausgesetzt sehen. Der Brief richtet sich an die sieben kleinasiatischen Provinzen (Galatien, Kappadokien, Asien, Bithynien, Lykien, Pamphylien und Kilikien) mit einer Ausdehnung vergleichbar mit der heutige Bundesrepublik. Es geht um die heutigen Regionen von Alanya über Antalya bis vor die Tore Istanbuls in Kleinasien. In diesen Provinzen herrscht die Angst der Christen, den eigenen Glauben leben und zeigen zu dürfen. Denn Verfolgungen, Folter, Verlust von Gütern, Eigentum und auch von Ermordungen von Christen kann die Folge des Christsein werden. Und diese Angst vor dem Leben als Christ gerät in die Gefahr lebensbestimmend zu werden.

Der Autor des will mit dem Begriff der Wiedergeburt von der Mut und der Gewissheit reden, die ein Mensch erlebt, wenn er Christus und seinem Evangelium begegnet. Er berichtet von dem lebensspendenden Erfahrungen, die die frohe Botschaft vermitteln will. Es geht um das Leben mit Zukunft, ein Leben, dass sich nicht mehr den irdischen Ängsten ausliefern muss, sondern im Angesicht der Gnade Gottes in Jesus Christus mutig für jeden Tag gestaltet werden kann. Die Angst der Welt wird im Angesicht der Kreuzigung und Auferstehung zu einer neuen Geburt, einem Eintritt in ein neues Leben; eben eine Wiedergeburt.

3.      Christologischer Bezug: Leben mit Zukunft

Wiedergeburt unter dem Aspekt der christlichen Botschaft lässt sich für heute recht einfach über setzen: Wiedergeburt ist das Leben mit Zukunft. Leben mit Zukunft beschreiben für uns heute ziemlich genau das, was die ersten Christen unter dem Begriff Wiedergeburt gefasst haben.

Es geht um die Erkenntnis, dass die von uns als Christen geglaubte Handlung Jesu am Kreuz und durch die Auferstehung es uns als Mensche ermöglicht, mutig und zuversichtlich nach vorne zu schauen. Nicht der Blick zurück ist das Entscheidende. Nicht die Angst vor sich, vor dem Leben oder ein wohlgefälliges Leben spielen dabei die Lebens-Rolle, sondern der Blick auf ein Leben mit Zukunft; gerade und durch die Gewissheit, dass wir alle sterben werden.

Es ist die Gewissheit, dass wir als Menschen eben nicht der Welt beweisen müssen, wie toll, wie hübsch, wie intelligent oder wie vollkommen wir sind. Dies prägt sich letztlich im evangelischen Glauben tief ein. Es wird zur Triebfeder des evangelischen Lebens, zu einem Leben mit Zukunft.

Wir wissen um unsere Fehler, unsere Unvollkommenheit und lassen uns durch die einfache aber stabile Zusage Gottes, du bist angenommen, so wie du bist, zu einem Leben mit Zukunft.

Es zählen keine gestrigen Errungenschaften. Nicht das Geld von den Eltern oder die Schul- oder die Uni-Abschlüsse oder das Vermögen oder das Geld auf der Bank oder die Kompetenz-Urkunden oder die Titel, die wir tragen. Nichts von alledem trägt wirklich durch das Leben von mir oder dir.

Es ist allein die Gewissheit: Ich bin wiedergeboren, ich lebe ein Leben mit Zukunft über alle innerweltlichen Erfahrungen und Errungenschaften hinaus. Allein diese Gewissheit ermöglicht es das Gestern, gestern sein zu lassen und das Morgen neu zu gestalten.

Eigentlich ist die christliche Botschaft nur dieses eine: Wir dürfen uns zu einem Leben mit Zukunft berufen fühlen.

Jede Phobie, jede Angst, die lebensbestimmend und damit Leben behindert oder verhindert, wird vor diesem neuen Lebensgefühl in seine Schranken gewiesen. Denn es hat Gültigkeit und wird bleiben: Unser Leben als Leben mit Zukunft.

  4. Leben als Zukunftsaufgabe

Und so wir das Leben mit Zukunft zu einer Zukunftsaufgabe für einen jeden von uns. In der Gewissheit, mit allen Fehlern, Problem und Schwierigkeiten behaftet zu sein, dürfen wir uns frei machen von den Phobien dieser Welt. Sicher ist dies einfach gesagt, wenn jemand eine Phobie als Krankheit ausgeprägt hat. Und doch ist es unsere Aufgabe, täglich neu das Leben mit Zukunft als die eigene Aufgabe anzusehen, die kleinen und großen Dinge im Alltag zu bewältigen. Das verzagen ist nicht eine Lösung, sondern eine Behinderung, die uns schwach und arm und mutlos macht.

Die Aufgabe ist jedem von uns gegeben. Manche haben kleine Aufgabe, manche große zu bearbeiten. Nicht immer ist die persönliche Kraft mit der Kraft der Zukunftsaufgabe identisch. So werden wir, die wir kräftiger, mutiger und vorausschauender sind, auch all jene neben und hinter uns unterstützen dürfen, damit ein Leben mit Zukunft auch für die meisten eine bewältigbare Zukunftsgestaltung bleibt. Sicher wird nicht alles gelingen, aber wir dürfen um Kraft beten, nachfragen und bitten; selbst bei denen die scheinbar sich nicht mit dieser christlichen Gewissheit vertraut gemacht haben. Denn eines ist sicher: Leben mit Zukunft ist eine Aufgabe, die jeder Mensch, ob gläubig oder nicht, als Bewältigung vor sich sehen wird.

Nicht die Angst uns überwältigen lassen, ist das Motto der verfolgten Christen damals und auch von uns als Menschen in einer sich selbst verängstigenden Welt.

Die Macht, die das Leben mit Zukunft ausprägt, lässt uns neu spüren, dass es wie Geburt ist, die uns jedes Mal neu die Chance auf Gelingendes Leben als Aufgabe gibt.

Und das ist die Botschaft am heutigen Tag. Lebe deine Wiedergeburt. Lebe dein Leben mit Zukunft, denn es ist die Gnade, die uns zuteil wird und die wir zeigen dürfen.

 

Amen

Und Zusage Gottes für uns Menschen, Leben mit Zukunft leben zu dürfen, bewahre unseren Mut, unsere Herzen für morgen und ünbermorgen in Christus Jesus. Amen.