Thema: Ungleich sein ist Gottes Gerechtigkeit

Römer 6, 19-23 (Text vorlesen)

1.      Einleitung

Eins plus Eins ist gleich Zwei.

Zwei plus Zwei ist gleich Vier.

Drei plus Drei ist gleich Sechs. ….

Moment. Bevor Sie jetzt zum Handy greifen und einen besonders gravierenden Fall von Verwirrung abholen lassen wollen, warten Sie einen Moment.

Betrachtet man heute die Welt, so ist sie wirr und verworren. Alles andere als klar und stabil. Es ist verständlich, dass sich Menschen nach Logik, Stabilität und Klarheit wie die der Mathematik, wie die der Gesetze oder wie die von gestern sehnen. Es muss – so höre ich häufig - eine Gleichheit, eine Gerechtigkeit, eine Klarheit, eine Liebe, einen Weg für mich geben.

Es wird sich nach Gleichbehandlung gesehnt. Und was entsteht daraus? Ein Gleich­stellungsgesetz. Ein Gesetz, dass regeln soll, dass Menschen bei Einstellungen und im Beruf "gleich" behandelt werden.

In unserer Kirche gibt es eine Gleichstellungsbeauftragte, die darauf achtet, dass in kirchlichen Texten immer "männliche" und weibliche" Sprachformen vorkommen. Wir reden dann von Pfarrerinnen und Pfarrern, Männer und Frauen, Küsterinnen und Küster, Hebammen und Hebammeninnen? Warum aber eine Gleichstellungsbeauftragte immer eine Frau ist, weiß ich auch nicht.

Die Schule zielt darauf ab, dass alle Menschen gleich zu betrachten sind und die Chancen für alle gleich zu sein haben.

Das Grundgesetz vermittelt einen Gleichheitsgrundsatz, der sich mittlerweile so tief in unser Bewusstsein, in unsere Sprache und unsere Weltvorstellung eingeprägt hat wie eine Tätowierung am Körper.

Die Eltern behandeln ihre Kinder gleich. Die Lehrer ihre Schüler, pardon und natürlich auch die Schülerinnen. Und wenn es in der Schule nicht klappt, wird heute immer häufiger vor Gericht Gleichheit, Gerechtigkeit gefordert – wie mir ein Freund, der Schulleiter einer Realschule ist, berichtete.

Das Mathematische Gleichheitszeichen (Eins plus Eins "IST GLEICH" Zwei) scheint sich überall in unser Leben eingebrannt zu haben.

Unsere Kirche macht in diesem seltsamen Gleichheitsgebaren auch vor der Bibel nicht halt. "Bibel in gerechter Sprache" – Gott ist dann in der Bibel nicht mehr der "HERR", sondern wir zu "ER", "SIE", "ES". Statt Jünger heißt es jetzt "Jüngerinnen und Jünger", obwohl dies eigentlich nicht im Originaltext steht.

Der Wahn des Gleichmachens wird in Deutschland grundsätzlich bis zum Bundesverfassungsgericht durch geführt, das – so die irrige Annahme – doch bitte für die Gleichberechtigung des Individuums Schutz zu tragen habe.

Betrachtet man dagegen den heutigen Bibeltext unvoreingenommen, so erhält unser heutiger Gleichheitsansatz einen deutlichen Dämpfer.

2.      Textbezug

Paulus redet in seinem Brief an die Römer vom großen christlichen Thema: der Gerechtigkeit Gottes. Es geht nicht um die Gleichbehandlung der Menschen, sondern der Gerechtigkeit von Gott, und wie diese in s Jesus Christus, dem einzig Gerechten, in die Welt kam.


 

Das Gesetz von dem Paulus spricht, stellt den Versuch dar, Glauben und Gerechtigkeit für alle und jeden GLEICH zu machen. Paulus erteilt diesem Denken eine deutliche Absage. Gott ist gerecht, aber nicht gleich in seinem Handeln. Nein, mehr noch. Das Gesetz, hier das jüdische Gesetz der Thora, ist das eigentliche Problem. Es bringt Sünde ins Spiel. Sünde. Ja – Paulus redet davon, dass die Gleichheit des Gesetzes die eigentliche Sünde ist.

Als Evangelische, als Protestanten tun wir uns heute häufig recht schwer,

wenn es um den Begriff und die Bedeutung der Sünde geht. Die katholischen Kollegen haben es da einfacher. Während dort "Alltagssünden" wie vermeintliche sexuelle Verfehlungen, "sündige Gedanken", Bosheiten, Rache, Diebstahl oder Nachlässigkeiten als Sünde definiert sind, gibt es dies bei uns Evangelischen nicht. Diebstahl ist keine Sünde, sondern eine Straftat. Sex ist nicht sündhaft, sondern völlig in Ordnung und ein menschliches Grundbedürfnis. Bosheiten, Rache oder sind nicht Sünde, sondern zwischenmenschlich schlechtes Verhalten.

Für uns Protestanten ist das aber nicht Sünde und auch die 10 Gebote, sind zwar ein wichtiger Katalog für das Zusammenleben, aber keine Sünde im christlichen Sinne wie wir das Verstehen.

Die Sünde des Gesetzes ist – so die evangelische Überzeugung - der Versuch, eine Gleichheitsgerechtigkeit und keine Gerechtigkeit Gottes zu erzeugen. Es ist Sünde, Gleichheit als Aufgabe, alles gleich sehen, gleich machen zu wollen. Das Gesetz versucht dies, wenn man es nicht als Hinweis auf Unvollkommenheit, sondern als Richtschnur zur Erlangung der Gerechtigkeit ansieht.

Damals wie heute. Damals dadurch, dass festgelegt wird, was und wie viel jemand zu tun hat, um gerecht im Angesicht des Gottes zu werden. Wie viele Opfer, Spenden, Gebete, rituelle Handlungen zu erfüllen sind, dass regelte das Gesetz, von dem Paulus im Römerbrief redet. Das Gesetz – und das ist die EINZIGE Sünde, von der wir als evangelische Christen reden – besteht darin, Menschen gleich machen zu wollen vor Gott. Wenn wir glauben, dass wir Gott gegenüber GERECHT werden, wenn wir das Gleiche tun wie andere oder das Gleich nachtun wie es in der Bibel steht, dann sind wir der Sünde verfallen.

3.      Jesus ist nicht das Bundesverfassungsgericht

Ich sage es noch deutlicher: Jesus ist nicht das Grundgesetz oder Gott das Bundesverfassungsgericht oder die Bibel propagiert NICHT die Menschenrechte als Aufgabe. Der christliche Glaube ist kein Gleichheitsglaube, den man einklagen kann vor dem Gericht Gottes. Gott lässt sich durch lapidares Gleichheits-Gefasel nicht ködern. Im Himmel gibt es keien "Demokratie".

100.000 Euro Spenden sind nicht mehr Wert als 10 Ct. vor Gott. Das "Scherflein der Witwe" und die Großspende des Reichen sind nicht anhand unserer Wertmaßstäbe vergleichbar. Die 40 Gottesdienstbesuche des einen im Jahr wiegen nicht den einmaligen Besuch des anderen auf.

Wenn wir glauben, vergleichen zu können (Ver-gleichen: also Gleiches in Relation setzen); wenn wir denken, dass Gottes Gerechtigkeit Gleichbehandlung, Gleichheit bedeutet, dann sind wir auf dem Holzweg. Diese Holzweg ist die Sünde von der wir reden müssen.

Gottes Gerechtigkeit ist nicht unsere Gerechtigkeit. Gottes Entscheidungen sind nicht Kompromisse der Gleichheit oder Ergebnisse eines Mediationsverfahren. Wir sollten dieser irrigen Meinung nicht aufsitzen.

Christus ist nicht für die Gleichheit oder die Menschenrechte durch Kreuz und Auferstehung gegangen, sondern für den einzelnen mit seiner individuellen Prägung.


 

Gerechtigkeit ist eben nicht das Gleiche oder Gleichbehandlung, sondern immer nur das Einzelne, das Konkrete; und nur so wird es zur Gerechtigkeit. Vieles mag ähnlich sein, aber nicht ist gleich!

4.      Gleichheit ist Sünde; Ungleichheit ist christliche Aufgabe

Und was bedeutet das heute?

"Eine Banane plus Eine Banane ist gleich Zwei Bananen?" (Große, gelbe und kleine, braune Banane zeigen). Beide gleich?

Welche würden Sie haben wollen? (Abfragen durch Handzeichen.)

Warten Sie, es wird noch besser. (Schöne Banane schälen und einmal reinbeißen). So, das ganze noch mal: Eine, na ja angebissene, Banane und Eine Banane ist gleich Zwei Bananen?

Der Glaube an Gleichheit, Gleichbehandlung ist Sünde, denn es ist der irrige Versuch in dieser Welt, wir könnten heute ein gerechtes Leben führen durch eine Vorstellung von Gerechtigkeit auf der Basis von Gleichheit.

Die Aufgabe als evangelische Christen ist aber eine andere:

Wir müssen Ungleichheit beachten, sie fördern und uns bewusst sein, dass es eben die Verschiedenheit ist, die Gottes Gerechtigkeit ausmacht.

Unsere Kinder, Eltern, Schüler, Kollegen, Ehefrauen, Ehemänner sind verschieden – und das ist gut so. Warum sollten wir diese gleich behandeln? Warum sollte es für Kinder die gleichen Geschenke geben, für Mitarbeiter den "gleichen" Lohn? Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das gibt es eh nur in Altersgruppen; wenn überhaupt.

Warum streben wir nach Gleichheit?

Die Schüler gleich zu sehen und zu bewerten ist unsinniges Denken. Jeder/jede nach seinen/ihren Neigungen zu fordern und fördern, wäre wohl richtiger. Warum Kinder zum Abitur geprügelt werden, um später eine Chance als arbeitsloser Rechtsanwalt zu bekommen statt als Handwerker Heizungen einzubauen und energetische Beratung durchzuführen. Ich verstehe das nicht. Auch habe ich nicht verstanden, warum ein Euro für den Bettler weniger sein soll, als 30 Euro für Falschparken? Und in Partnerschaften klappt das Gleichsein gar nicht. Es geht nicht um Gleich sein, sondern um EINS-Sein. Ein Mann plus Eine Frau ist gleich Ein Paar; oder von mir aus auch ZWEI 2 Menschen, und nicht nur wenn Sie Kinder haben. Aber ist hier 1+1 nicht 2, sondern – sagen wir mal -  2,3? Dieses 0,3 "mehr", wenn man ein Paar ist, wird dann schmerzlich deutlich, wenn es an die Trennung geht. Dann wird diese 0,3 geteilt, die Rente, das Haus, die Kinden, das Leben, die Alben und die Freunde.

Nicht Gleichmachen, gleich bewerten ist unsere christliche Aufgabe, sondern die individuelle, die konkrete, die begrenzte Situation.

Ich könnte es auch bildhafter ausdrücken. Jeder muss in seine eigene Banane beißen.

Amen

 

Und die Gerechtigkeit Gottes bewahre unseren Mut, unsere Fähigkeiten und unseren Willen, Ungleich zu handeln. Amen.