Thema: Anspruch und Wirklichkeit

Predigttext: Johannes 17, 1(2-5)6-8

1.         Einleitung

Die Suche nach Trends ist tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Wer heute in sein will, muss mit dem Trend gehen. Ob das die Kleidung ist, Internet, Mobiltelefon, Autos, Musik oder was sonst noch. Auch im Wirtschaftsbereich, in dem ich ja auch tätig bin, gibt es solche Trends, die scheinbar jedes Unternehmen mitmachen muss oder will. Dort ist die Profitoptimierung, das Outsourcen, die Steigerung der Verantwortung der Mitarbeiter oder auch ganz einfach regelmäßig neue Werbeslogan. Der aktuelle Trend im Wirtschaftsbereich ist der Kleinstunternehmer, der heute zuhause seine Aktienpakete verschiebt und sich an dem großen Trendspiel Aktionär beteiligt; Shareholder Value ist das Stichwort, Aktiengewinne (um jeden Preis). Auch innerhalb der Kirche werden die aktuellen Trends der Gesellschaft und Wirtschaft aufgenommen. Dort ist von Profitorientierung, von Verantwortungssteigerung der Kirchengemeinde die Rede. Es werden Zielvereinbarungsgespräche gemacht oder auch Assessment - Systeme, also Auswahl-System zur Einstellung von neuen Pfarrern aufgelegt. Das, was hinter den Trends verborgen ist, die der Drang „in“, aktuell zu sein und der Drang die eigenen Wünsche und Ansprüchen auch leben zu können. Nur wer sich heute trendy verhält, also mit dem neusten Trend läuft, ist auch in seiner Gruppe anerkannt und akzeptiert. Es geht um Geborgenheit, um die Erfüllung von Wünsche, Ansprüche, die wir haben. Und deren Realisierung.Dass die Trendhascherei aber einen Haken hat, ist auch deutlich. Trends oder die Ansprüche beschreiben vielfach nur die Oberfläche. Trends blicken von außen und zeigen auch nur das Äußere. Die Inhalte eines Trends werden meist nicht sofort deutlich, obwohl wir dies doch auch spüren. Mobil zu telefonieren, erreichbar zu sein, ist mit dem aktuellsten Handy sicher eine glorreiche Errungenschaft. Aber dann bin ich wirklich überall erreichbar. Das Klingel verfolgt einem bis aus Klo oder in den Gottesdienst, wenn ich mal wieder vergessen habe, mich dem Trend der Erreichbarkeit zu entziehen. Trends sind Ansprüche an uns, die uns ziehen und schieben in eine gewisse Richtung. Und wird der Trend zu stark, dann kann ich einfach nicht entziehen. Selbst meine Eltern haben jetzt schon 2 Handys und nur ein Festtelefon. Trends und deren Ansprüche drängen uns zu handeln, auch wenn wir uns oft dagegen wehren. Was den Menschen aber wirklich auszeichnet oder was die Werte des Menschen ausmacht, sind nicht nur Kleidung oder das Handy, der neuste Haarschnitt.

2.         Textbezug

Palmsonntag berichtet uns auch von einem solchen Trend der Menschen in seinen Band gezogen hat. Es ist dieser Jesus der von den Menschen so verehrt wird. Der Menschen bewegt, man spricht von Wundern und anderen besonderen Dingen. Der Trend sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen und der bestehenden verfassten Religion mal die Zähne zu zeigen. Was liegt da näher als diesem Trendyman Jesus, Jesus Christ Superstar, auch zu huldigen und Hosianna zu schreien. Im Predigttext wird das sogenannte hohepriesterliche Gebet Jesu, das ein Gebet Jesu um die Bitte nach der Verherrlichung der eigenen Person und dem Dank für die Jünger darstellt, aufgeführt. Diese Gebet Jesu will deutlich machen, dass die Abschiedsreden der vorangegangen Kapitel mit einem Gebet Jesu zur Passionsgeschichte übergeleitet wird. Die Themen sind, die gnädige Bitte nach Verherrlichung und Aufnahme Jesu durch Gott, um die Einheit wieder herzustellen. Und die Bitte Jesu für die Jünger und nachfolgende Generationen. Was aber in diesem Predigttext deutlicher wird, ist, dass Jesus nicht der momentane Trendymann ist, sondern schon vor allen Zeiten in der Herrlichkeit Gottes lebte und nun den Rückweg antritt, der durch das Kreuz und in der Auferstehung gipfelt. Es geht um die göttliche Gnade und die göttliche Herrlichkeit, die sich in der Menschwerdung Gottes verbirgt. Es geht um Ansprüche und Wirklichkeit, um die Form und den Inhalt. Um das, was wir sehen und wahrnehmen und das was dahinter verborgen liegt.

3.         Christliche Bezug

Was ist das für eine christliche Aussage. Die Bitte Jesu um die Verherrlichung durch den Vater? Es geht hier um nichts anderes als die Herstellung von der Einheit, die für die Welt erforderlich ist. Die Einheit Gottes, die zu Lebzeiten Christi ausgesetzt war, erhält hier ihren Rückblick beim Evangelisten Johannes. Der Text zeigt dies in dem Gebet Jesus. Die Menschwerdung Gottes bedeutet nichts anders als die Aufspaltung der göttlichen Einheit (im Philipperhymnus heißt es die Selbsterniedrigung Gottes), um die Grenzen zwischen Menschen und Gott zu überwinden. Gott entblößt sich selbst in den 33 Jahre der Weltgeschichte. Er stellt seine Einheit aufs Spiel für die Menschen und um der Menschen willen. Die Herrlichkeit Gottes, d.h. die Einheit Gottes wird geteilt, um den Menschen die Herrlichkeit zu zeigen. Die Geschichte erhält einen Riss in Ihrem Ablauf. Der Riss, der durch das Göttliche in der Welt, gefüllt wird. Und dieser Riss in der Geschichte wird von Gott selbst in Kreuz und Auferstehung überwunden. Dass macht christlich gesehen, das Faszinierende aus. Das ist das besondere, warum Menschen zur Zeit Jesu merken, mit diesem Jesus hat es mehr auf sich. Deshalb hängen sich die Menschen an diesen besonderen Menschen. Es ist die Herrlichkeit einer Einheit zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die sich in Jesus den Menschen offenbart. Und die Menschen scheinen nicht anderes reagieren zu können als es als einen neuen faszinierenden Trend anzunehmen und Feuer und Flamme dafür zu sein. Die Menschen spüren etwas besonders. Sie spüren die Vorweg-Ereignung der Einheit der Menschen mit Gott. Sie spüren das Reich Gottes in seiner menschlichen Variante. Mit Ostern wird die Einheit Gottes wieder hergestellt und der Riss in der Geschichte gekittet. Einheit ist Sehnsucht, die sich durch das Gebet Jesu ausdrückt. Einheit zwischen Gott und ihm selbst, aber auch die Einheit zwischen Gott und den Menschen, die wir als Jünger kennen. Also die Menschen, die berufen sind, von der Einheit Gottes mit den Menschen zu berichten.

4.         Heute

Für uns heute ist es die Frage nach der Einheit von Anspruch und Wirklichkeit, vom eigenen Wunsch und dessen Realisierung. Es ist die Aufgabe, diese Einheit als Christen zu erfahren und weiterzugeben. Es geht nicht um Trends oder trendy zu sein, sondern darum, die Einheit von Anspruch und Wirklichkeit zu leben. Dass dies nicht immer gelingt, ist jedem deutlich. Jeder von uns weiß um seine Unzulänglichkeit, die sich auch nicht mit viel Trendverhalten ausmerzen lässt. Aber es geht darum – aus dem Wissen, dass Gott diese Einheit uns in der Geschichte gezeigt hat- , die Einheit von unserem Leben zu starten. Das beginnt mit der Erziehung unserer Kinder, ihre Rolle, Aufgabe im Licht der menschlichen Möglichkeiten zu sehen. Diese Möglichkeiten zu fördern, aber mit der Gewissheit der eigenen Unzulänglichkeit, die Liebe, Vergebung, Reue, Zuneigung bedarf. Die Vermittlung, dass es Anspruch und Wirklichkeit in einer Einheit geben kann. Und das wir als Eltern unseren Kindern diese Hoffnung vermitteln dürfen, dass Leben mit seinen Möglichkeiten gelingen kann – das ist elterliche Aufgabe. Zusage, Versprechen tun wir dies in der Taufe. Aber auch der Anspruch von Einheit im beruflichen Alltag, im Umgang mit anderen Menschen ist unserer Aufgabe. Sicher scheitern ist mit Menschen immer auch ein stück vorprogrammiert. Aber der Drang, der christliche Drang, versucht, die Brücke zwischen Anspruch und Verwirklichung und Wirklichkeit zu schlagen. Es endet irdisch nicht zuletzt mit dem Sterben können in der Einheit mit dem Leben, das Sie und ich selbst gestaltet haben. Wie lebe ich mit dem Anspruch und dessen Verwirklichung. Dass kann auch in schwierigen Situationen Trennung und Zerwürfnis heißen, wenn Ansprüche nicht mehr mit der Wirklichkeit in einer Einheit bleiben können (Beruflich, Partnerschaft, Ehe, Eltern-Kinder, ...). Dennoch: Die Einheit ist die Botschaft, auf die wir uns in Ostern zu bewegen. Eine Einheit zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die es anzustreben gilt. Dieses Bewusstsein macht frei von den Trends der Zeit, mit denen eine falsche Einheit vorgegaukelt. Es ist unsere Aufgabe, diese Trends zu überprüfen, ob sie uns helfen, nützlich sind oder verworfen werden müssen. Die wahre Einheit lässt sich von uns nicht herstellen. Sie wird geschenkt.

Und das ist die Botschaft des heutigen Sonntags Palmarum:
Leben dein Leben im Streben nach der Einheit zwischen Anspruch und Wirklichkeit, weil dir Gott die Gelegenheit dazu gibt in Jesus Christus.

Und die Einheit Gottes, die größer ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Ewigkeit. Amen.