04.08.2019 (Joh. 6, 30-35): Gottes Wägungsschema: Christus

Johannes 6, 30-35 

30 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?

31 Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.«

32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.

33 Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.

34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.

35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

 

1.      Einleitung

Schon mal was von einem Wägungsschema gehört? Wägungsschema. Vorschläge? Nein? Keine Ahnung?

Das Wägungsschema ist eine statistische Besonderheit des sogenannten Warenkorbs, also der Beurteilungsmaßstab, was ein Mensch so in Deutschland zum Leben benötigt. Der Warenkorb ist eine Sammlung von über 600 Einzelpositionen; eingeteilt in 12 Kategorien wie Nahrung, Wohnen oder Mobilität.

Das Wägungsschema legt nun für jede dieser 600 Einzelposition fest, in welchem Verhältnis diese nun zu den monatlichen Gesamtkosten für die Menschen beiträgt. Diese Abwägung beispielsweise der Kosten für Zeitung, Wurstaufschnitt oder Mobilität machen das gesamte Wägungsschema (Details) aus, welchen Anteil in Pro-Mille (‰ also auf 1000 statt zu 100 – Pro-Zent %) ein lebensnotwendiges Etwas monatlich ausmacht.

Beispiel: Tages- und Wochenzeitung (Kat. 09-521) nehmen 4,08 Promille (0,408%) der monatlichen Lebenskosten ein.
Bildung (Kat. 10), einschließlich Kinderbetreuung oder Schule nimmt 9,02 ‰, also knapp 1 % der mtl. Lebenskosten ein.
Der schon genannte Wurst-Aufschnitt als Teil der Kategorien „verarbeitete Fleisch-/Wurstwaren“ (01-127+01-128) kommt da schon auch 10,89 ‰ (7,76+3,16) als auf etwas über 1 Prozent mtl. Lebenskosten.
Nehmen wir mal – was man beim Warenkorb eigentlich nicht machen darf - pro Person pauschal 1.500 Euro an. Dann wären wir bei Bildung (Kat. 09; 9,02 ‰) monatlich mit 13,50 Euro dabei, Wohnen (04; 324,70‰) mit 487 € inkl. alles, Gesundheit (06; 46,13‰) mit 69 € und Mobilität (07; 12,9‰) mit 193 € zu Buche schlagen. Alkohol/Tabak (02; 37,7 ‰) kommt dann auf 56,86 Euro/Monat. Essen (145€ ) unterliegt auch Freizeit/ Kultur (170€).
Die Fleischwurst ist also nahe am Theaterbesuch – mal flaspig gesagt.

Natürlich ist das Statistik und Mittelwert. 30.000-100.000 Preise werden pro Monat erfasst um letztlich nur eines zu sehen: Wie entwickeln sich die Preise und die sogenannte Wertsteigerung oder Minderung/Inflation? Letztlich geht es um eine Kennzahl, die uns sagen kann, ob das Leben teurer wird oder nicht. Dieser Index, der Verbraucherpreisindex, macht deutlich, was wir für unser Geld bekommen. Aktuell liegt dieser Wert bei ca. 1,6 % Teuerungsrate im Juli 2019 zu Juli 2018; ungeachtet der Renten-, Lohn- oder Taschengelderhöhung. Dieser statistische Warenkorb und die (Ab) Wägung, also die Gewichtung der einzelnen als lebensnotwendig erfassten Mittel, dienen der Einschätzung, ob unser Leben teuer wird oder teuer ist; im Vergleich zum Vorjahr.

So – nun wollen wir aber diese kleine statische Bildungseinheit verlassen, über das, was im Warenkorb der Deutschen wichtig ist und teuer scheint.

Kommen wir nun nach diesem Warming up, diesem Aufwärmen zu der Frage, die uns der Predigttext heute aufbürdet: Was macht unser Leben teuer? Welches Mittel zum Leben benötigen wir eigentlich?

2.      Bibeltext

Der heutige Predigttext redet also vom evangelischen Wägungsschema, also von der Lebensgewichtung, was nach dem Evangelium in uns wirksam sein soll, teuer, wertvoll und wichtig zu sein hat. Der Predigttext steht im Kap. 6 des Johannes-Evangeliums. Ich lese aus Johannes Kapitel 6, 30-35

Schauen wir uns zunächst mal das Kap. 6 des JohEv. an. Im Kap. 6 werden 4 Erzählungen verwoben sind, zunächst nochmals das Gesamtbild:
Jesus ist am See in Galiläa (See Genezareth) und der Seestadt Kapernaum an, wo unser Text bei Johannes spielt. Das Kapitel 6 des Johannes-Evangeliums ist in 4 Abschnitte geteilt:

Erster Plot (6, 1-15; Kategorie 01 – Essen/Trinken: Zunächst folgen 5000 Männer Jesu und er lässt sie am Berg am See lagern. Die Jünger wissen nicht, wie diese Menschenmenge ernähert werden soll. Jesus aber verteilt 5 Gerstenbrote und zwei Fische; stibitzt sie von einem Knaben, übrig bleiben 12 Körbe mit Brot; Fisch is aus. Die Menschen wollen den Wundertäter Jesus nun zum König ausrufen. Jesus entzieht sich.

Zweiter Plot (6, 16-21; Kategorie 07 - Verkehr/Mobilität): Weil Jesus weg ist, fahren die Jünger nachts über den See. Jesus läuft mal eben übers Wasser zu ihnen. Noch mehr Verwunderung.

Dritter Plot (6, 22-59; Kategorie 09 - Bildung): Heftige Diskussion um die Rolle Jesu, der sich als das Brot des Lebens bezeichnet. Aus diesem Abschnitt ist auch unser Text. Es geht in Vers 52 weit: „Das löste einen heftigen Streit unter den Juden aus.“ Und: Juden waren sie alle, auch Jesus.

Vierter Plot (6, 60-71; Kategorie 12 - Sonstiges): Abspaltung vieler Anhänger und Zerwürfnis, weil Jesus kein Wunderclown sein will. Vertrauen haben noch Zwölf, aber so Jesus Aussage: „einer von euch ist ein Teufel“. Harmonisch?

Der Kernsatz des Kapitels ist der Vers 29: >Jesus antwortete ihnen: "Gott will von euch, dass ihr dem vertraut, den er gesandt hat."< Und hört auf, die irdischen Dinge anzubeten. Es ist der Satz unmittelbar vor unserem heutigen Predigttext.

Generell gilt, dass Johannes als Evangelist deutlich ausführlicher als die anderen Evangelisten schreibt. Bei Johannes redet Jesus viel mehr, detaillierter, länger und meditativer. Die Geschichten sind zudem irgendwie wirklichkeitsgetreuer in der Komposition des Johannes erzählt. Das Evangelium hat mehr die Form einer Art Denkschrift, einer Nachdenkschrift als die eines Evangeliums. Es geht Johannes um die Souveränität Jesus als die wesentliche Zukunft Gottes; für uns Menschen. Die ICH BIN Worte werden bei Johannes zu einem Bekenntnis gegen über der Welt. Es wird zum Wägungsschema Gottes in Christus.

Johannes versucht uns zu vermitteln, mit welcher Klarheit, Gelassenheit und Zielstrebigkeit Jesus im Leben gegenüber allen und allem aufgetreten ist, weil die Botschaft lautet: Die Tradition, das Gesetz, das gestrige Wichtige, das Wägungsschema, was dir anerzogen wurden, also das Erlernte von GESTERN ist passé. Vorbei, weil die Zukunft in Christus angebrochen ist. Und der Glaube an dieses neue Schema, an Christus, als der Weg, die Wahrheit, das Brot, das Licht für die Zukunft, ist die neue Abwägung des Lebens in Gottes Verheißung.

3.      Christus als Wägungsschema Gottes

Die Fragen nach dem, wie und was wir im Leben wichtig nehmen, also abwägen, welche Sache, Person, Kauf, Buch wichtig für uns sein soll, ist auch ein Vorgang bei Gott. Gott wägt ab, ob er uns als seine Geschöpfe mag oder nicht. Ob er es gut findet, wie wir mit unserer Freiheit, unser Gottebenbildlichkeit umgehen. Und Gott wägt ab, ob wir klug, teuer sind. Klug und Teuer – das hat weniger mit einem Menschen gemachten Index oder einem Intelligenzquotienten zu tun, sondern mit der Frage, ob wir im Angesicht der begrenzten Lebenszeit uns für das Richtige entscheiden.
Und weil das so nicht funktioniert, hat Gott in Jesus ein Wägungsschema eingebaut. Wenn Christus der Weg im Leben, die Wahrheit im Leben, das Leben im Leben, das Licht im Leben und das Brot des Lebens ist, dann ist die Frage, ob wir diesem Schema folgen wollen oder nicht.
Es geht um das Teuer-sein und -werden; um das Klug-Sein und -werden im Leben. Was nützen Macht, Beruf, Reichtum, wenn dieser Ballast am Weg zu Gott hindert?

4.      Heute

Sind wir also dem Leben gewogen, also so mit uns und dem was wir Leben im einer Gleichstimmigkeit der Zukunftshoffnung?

Was waren, sind und werden wir im Angesicht der Hoffnung über den Tod hinaus? Was taten, tun und werden wir tun im Angesicht der Aufgabe, die Zukunft in dieser Welt als Gottes Ebenbilder zu gestalten?

Haben wir also Angst vor allem Möglichen; vor allem vor der Zukunft?
Zukunft ist ja heute das bedrohliche. Umwelt, Renten, Frieden – das morgen, die Veränderung wird zum Oberproblem, wenn man dem Geschrei der Besserwisser für die Welt glauben mag. Alles an Morgen ist schlecht, deswegen müssen wir uns so verhalten, dass sich ja NICHTS ändert wie es jetzt ist. Selbst die Kirche treibt die Angst um vor der Zukunft. Kirchenmitgliedschaftsunsicherheit. Meine Güte. Welch ein mieses Abwägungsschema im Angesicht der Botschaft Jesus, da er uns aus der Zukunft entgegen kommt. Niemand will scheinbar Gottes Zukunft.
Welch ein Gejammer auf banalem Niveau in einer Zeit, der es uns in der Menschheitsgeschichte nie besser ging? Werden wir nun mit dem Brot des Lebens und dem Licht der Welt, dem verheißenen Leben im Leben hadern, nur weil die Menschheit glaubt selbst die Welt retten zu müssen?
Unser evangelisches Wägungsschema heißt nicht „Back to the Schöpfung“, auch nicht wir machen das schon.
Wer will eigentlich um seine Fleischwurst mit einem Tyrannosaurus Rex kämpfen? Dahin zurück. Meine Güte.

Wie bescheuert dieses Schöpfungsgefasel ist, wird deutlich, wenn wir fragen: Welche Schöpfung denn? Die, die die Sintflut Gottes frisst oder die der Dinos? Oder die, wo wir Menschen im Zoo Gottes, also in Eden, zu seiner Belustigung nackt rumturnten?

Unser Wägungsschema heute muss vielmehr lauten:
Gott rettet in Christus und deshalb handeln wir. Aber niemals umgedreht. Sicher gestalten wir Zukunft, aber durch das Brot des Lebens in Christus, durch sein Licht und auf seinem Weg. Alle anderen Wege sind falsche Wägungsschemata, versuchte Selbsterlösung. Also Kopf hoch, Hirn an und mit unserem uns gewogenen Christus in die Zukunft. Dann los.

Amen

Herr mache uns stark und mutig dein Geschenk an uns zu verwalten, im rasenden Leben, im hoffenden Sterben und darüber hinaus. AMEN.