2019.03.24 (Jeremia 20, 7-13): Organ Gottes und unsere (Auf-) Gaben

Jeremia 20, 7-11a (11b-13) - Die Last des Prophetenamts (Jeremias fünfte Klage)

7 HERR, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich.

8 Denn sooft ich rede, muss ich schreien; »Frevel und Gewalt!« muss ich rufen. Denn des HERRN Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich.

9 Da dachte ich: Ich will seiner nicht mehr gedenken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, verschlossen in meinen Gebeinen. Ich mühte mich, es zu ertragen, aber konnte es nicht.

10 Denn ich höre, wie viele heimlich reden: »Schrecken ist um und um!« »Verklagt ihn!« »Wir wollen ihn verklagen!« Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: »Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.«

11 Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen ganz zuschanden werden, weil es ihnen nicht gelingt. Ewig wird ihre Schande sein und nie vergessen werden.

12 Und nun, HERR Zebaoth, der du die Gerechten prüfst, Nieren und Herz durchschaust: Lass mich deine Rache an ihnen sehen; denn dir habe ich meine Sache befohlen.

13 Singet dem HERRN, rühmet den HERRN, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet!

 

1.      Einleitung

Haben Sie schon mal überlegt, wie viele Organe Sie mit sich rum tragen? Also beispielsweise innere Organe, damit Sie als Mensch überhaupt „funktionieren“ können.

Ein Organ (von altgriechisch ὄργανον órganon, deutsch ‚Werkzeug, Sinneswerkzeug‘)– so die biologische Definition – ist ein spezialisiertes Körperteil aus eigenen Zellen und Gewebezusammensetzungen. Ein Organ ist also ein „Werkzeug“, welches eine konkrete Aufgabe, Funktion übernimmt. Erst das Zusammenspiel der einzelnen Organe realisiert gemeinsam den „Organismus“, das Ganze.

Also – was meinen Sie? Wie viele innere Organe tragen Sie mit sich rum?

Nimmt man die Organe und die Organssysteme so haben wir das Herz-/Kreislauf-, das Atmungs-, Verdauungs- und das Urogenitalsystem. Bekannter sind natürlich Organe wie Lunge, Herz, Magen, Leber, Milz, Nieren, Pankreas, Zwerchfell, Gedärm. Nun zählt man nicht einzeln, sondern redet eher von den Organsystemen.

Dabei hat jedes dieser Organe hat nicht nur spezifische Zellen, sondern vor allem eine konkrete Funktion für den Gesamtorganismus: Das Herz pumpt. Zwerchfell inspiriert, d.h saugt Luft an. Lungen „atmen“. Die Leber stoffwechselt. Der Magen zersetzt den Nahrungsbrei. Das Gedärm (12-Finger-, Dünn-, Dickdarm) entzieht dem Nahrungsbrei die Nährstoffe und letztlich das Wasser vor der Ausscheidung. Die Nieren reinigen und resorbieren (Wasser-/Elektrolythaushalt)

Ein Organ ist somit immer eine Einheit mit einer ganz konkreten Aufgabe und Funktion im Gesamten.

Problematisch wird es, wenn Organe – warum auch immer – diese Funktion einstellen. Stellt euch mal vor: Was wäre: Wenn das Herz liebt, ….. wer pumpt dann das Blut durch unsere Bahnen? Was ist: Wenn der sich Magen wohlfühlen will, und nicht mehr sauer mit Salzsäure den Speisebrei zerkleinern will. Was wäre: Wenn der Darm eine blühende Flora besitzen will, und nicht mehr dem –  nun, sagen wir es griechisch – Skybala die Mineralien und Feuchte entziehen will - dann eben alles „durchfällt“?

Organe sind also nur dann sinnvoll, brauchbar, wenn diese ihre übertragenen Aufgaben, Pflichten wahrnehmen; FÜR die Gesamtheit.

Auch in der Welt gibt es Organe; also Einheiten, die Funktionen für einen Organismus wie Gesellschaft, Religion, oder für eine Organisation wie Staat, Stadt, Kirche oder Konzern bis runter zum Handwerker übernehmen. Denn ein Staat oder eine Kirche kann ohne Organe NICHTS. Sie sind zwar im juristischen Sinne Personen, aber der Staat kann keinen Füller halten, eine Kirche kann kein Kind taufen. Dies können nur Menschen, die meist durch Wahl, Ernennung zu einem Organ des Ganzen werden.

Der gewählte Mensch als Bundespräsident setzt Gesetze in Kraft. Der gewählte Magistrat leitet die Stadtgeschäfte und ein Pfarrer/in kann durch die Ernennung für die Organisation Kirche Taufen vornehmen; durch Dienstsiegel legitimieren. Letztlich entscheidet das Organ „Vorstand“ beispielsweise die Zukunftsrichtungen eines Unternehmens, Vereins oder auch der Kirchengemeinde. Wenn nun ein Geschäftsführer, ein Vorstand oder ein Bundespräsident beispielsweise die ihnen als Organe zugewiesenen Aufgaben nicht erledigen, ist auch bald die Organisation oder die System der Organe häufig in einer Krise. Die Organisation ist krank.

Das ist nicht anderes als bei dem körperlichen Organismus auch.

2.      Bibeltext

Im heutigen Predigttext will auch ein Mensch seine Funktion, seine Organfunktion für Gott nicht mehr wahrnehmen. Das Amt des Propheten ist ein spezielles Organ-Amt innerhalb des Alten Testaments.

Hier weigert sich Jeremia, weil er glaubt sich zum Deppen für Gott zu machen. Ich lese Jeremia 20, 7-13.

Jeremia wirkt selbst fast 40 Jahren, von 625 bis ca. 586 vor Christus. Er musste als Organ Gottes dem Volk seinen Untergang vorhersagen! 40 Jahre lang. Da können Sie sich vorstellen, dass Jeremia zu einer echten Nervensäge für die Könige und die Führungsschicht wurde.

Sein prophetisches und strategisches Wirken umfasst die Zeiten judäischen Könige Joschija, Joahas, Jojakim, Jojachin und Zedekia in Jerusalem. Jeremia predigte eigentlich dem Volk Juda Bekehrung und Umkehr zu JHWH; prophezeite jahrelang den Untergang Jerusalems, des Tempels wie er im Jahr 586 v. Chr. durch Nebukadnezar II tatsächlich eintrat. Selbst seinen Zeitgenossen schienen ihn als Sonderling zu meiden, wie uns der heutige Text deutlich macht. Jeremia will nicht mehr nur den Schrecken verkünden. Schrecken um Schrecken hat er dem Volk anzukündigen. Keine „Alles wird gut-Parole“ ist seine Botschaft. Nicht das Blau verspricht er vom Himmel, sondern das Grauen der Zukunft ist sein Thema.  Kein Wunder, dass sich die Menschen und die Könige gegen ihn wenden. Die Nervensäge behält auch recht mit dem was sie prophezeit als Organ, als Sprachrohr Gottes. Und niemand will den eigenen Untergang sichtbar, konkret erlebbar und noch weniger am eigenen Leib spüren. Jeremia kommt will – so der heutige Bibeltext – schlicht seine Organfunktion einstellen. Und natürlich kann man die Leber verstehen, wenn Sie - täglich mit Alkohol oder Fett vollgepumpt - immer wieder das gleiche für den gesamten Körper tun soll; und eben keinen Platz an der Sonne hat. Da platzt schon mal die Zirrhose dazuwischen.

So geht es auch Jeremia. Er hat die Nase und den Auftrag voll. Er hat keinen Bock mehr einen Schrecken, nach dem anderen zu verkünden.

Und dennoch will und soll Jeremia die Funktion als das Organ Gottes für das gesamte Volk wahrnehmen, gerade dann, wenn es den Anschein hat, dass die Belastbarkeit in Krisen zur Aufgabe zwingt. Und – hätte Jeremia die Seiten gewechselt, wäre er zum Gegner, also dem Werkzeug Gottes gegen das Volk Juda gewechselt, also zu den Ägyptern, oder dann nach dem Sieg des neubabylonschen Kronprinzen Nebukadnezar über die Ägypter bei Karkemis´ im Jahr 605 v. Christus zu den Babyloniern gewechselt; ja dann hätte er die Siege der Feinde Judas Sieg um Sieg und nicht mehr Schrecken um Schrecken verkündet.

Die Umkehr zu Gott ist aber eine wichtigere Funktion für Gott als dessen Organ denn die persönlichen Befindlichkeiten des Jeremia.

3.      Christus - AufGABE

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. eli, ’eli, lama ‘asawtani, so die Worte auf Hebräisch, die Markus und Matthäus von Jesus am Kreuz überliefern. (die letzten sieben Worte Jesu) Die große Anklage des wahren Gottes Organ in Christus macht aber nicht allein eine Anklage deutlich, sondern auch ein Hilferufe nach Gottes eigener Unterstützung und drückt – wie letztlich auch die Worte Jeremias – ein Glaubensbekenntnis in größter Not aus.

Mit Christus tritt ein Organ Gottes auf die Bühne, in der sich Gott selbst uns Menschen eben nicht als glorreicher König, Macher, Sieger offenbart, sondern als Opfer, als Selbstopfer für unsere Unzulänglichkeit. Diese Unzulänglichkeit, die eigenen Gaben, Aufgaben, Funktionen, nicht allein nah dem eigen Wohl, dem was mir gefällt zu deuten, denken und dichten – das ist die große Erkenntnis, die das Evangelium von uns abverlangt.

4.      Heute

Was wir für uns wollen, das können wir schnell bestimmen, sagen, fordern. Was wir sollen für die Gesamtheit, das ist weniger leicht gesagt, getan und umgesetzt.

Welche Gaben habe ich? Welche Gaben hast du? Wie kannst, sollst und wirst du diese für die Gesamtheit einsetzen. Ein Leib mit vielen Gliedern. Ein Gesamtes mit vielen Organen und Funktionen.

Und das besondere ist eben nicht, dass wir die Harmonie, die Selbstwünsche, das Eigene in den Vordergrund stellen, sondern durchaus uns selbst als Teil des Ganzen betrachten können, wollen, dürfen. Das macht eigentlich das aus, was in Christus geschenkt ist. Und natürlich ist es vermessen zu glauben, alles liefe wie am Schnürchen, funktioniert ideal.

Das ist gar nicht die Aufgabe, es irgendjemanden IDEAL oder IDYLLISCH zu machen, oder vorzugauckeln.

Aus den Gaben, die jemand hat, entstehen AUF-Gaben. Oder wie in dem Kinofilm Spiderman der Onkel Ben zu Peter (gespielt von Tobey Magure sagt: Aus großer Kraft entsteht große Verantwortung.

So ist es gerade die Auf-Gabe, das Aufgegebene im Evangelium – zumindest für jede Evangelische und jeden Evangelischen – sich einer Sache bewusst du sein:

DU NARR, glaube nicht, dass du und deine Vorstellung, lieber Dieter, ewig, einzig und allein dauert, wahr ist und Gültigkeit hat. Vielmehr ist es doch so, du Narr Dieter, dass dein Streben nach dir selbst letztlich dich als Organ Gottes seiner Funktion beraubt.

Was kannst du? Worin bist du für das Ganze da? Was sind deine Gaben, DEIN Dir aufgegebenen Gaben, deine AUF-Gaben? Das sind die Fragen, zu denen Gott ruft. Und: Bist du bereit dafür, deine eigenen Wünsche, das eigene Wollen und die ach so liebgewonnenen Vorstellungen zurück zu stellen für das Aufgegebene?

Nun, Dieter … Nun, Dieter, bist du bereit, willens und mutig die übertragenen Aufgaben, die zugesprochene Verpflichtung und vor allem die notwendige Organfunktion für das Gesamte wahrzunehmen? ...

Das ist heute – wie bei Jeremia vor 2600 Jahre schon– die Frage.

Amen.

Herr, schenke DU Kraft, Mut, Zuversicht. Amen.