2019.03.03 Thema: Der frühe Vogel fängt sich eine. Von der Dummheit der Gewohnheit (VIDEO DES GOTTESDIENSTES)

Lk 10, 38-42

Maria und Marta (Lutherübersetzung von 2017; mit Änderungshinweisen zu Luther 1984)

38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf.

39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.

40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen (Luther 1984: ihm) zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!

41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. [Original: du bist in Sorge und in Mühe über Vieles]

42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

 

 

1.      Einleitung

Der frühe Vogel fängt den Wurm. [Nachfolgend werden die einzelnen Worte besonders betont]

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Und – jetzt endlich hat er ’nen Vogel oder nicht mehr alle Vögel beisammen. Nun - bis morgen kann man noch Einsprüche gegen meine Wahl als Inhaber Pfarrstelle II abgeben. Und ganz klar – ein Einspruch wegen ‚ wesentlich eingeschränkte Dienstfähigkeit’ ist sicher möglich. Wer kann schon Pfarrer sein, mit diesem Vogel.

Also: Wie war das mit dem Vogel, dem Früh, dem Wurm, dem Fangen? Ich weiß nicht, ob Sie den Satz kennen: Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Dieser Satz ist ja ein Sprichwort. Sprichwörter (oder auch Proverbien bzw. Parömien) sind einer der wesentlichsten Bestandteile einer lebendigen Sprache. Denn anders als die Sprache an sich, lassen sich Sprichwörter nur für die verstehen, die darin muttersprachlich aufgewachsen sind; oder quasi Muttersprachler werden. Es gibt sogar eine ganze Wissenschaft zu Sprichwörtern (Parömiologie). Sprichwörter – also traditionell-volkstümliche Aussagen – wollen ein Verhalten, eine Verhaltensfolge oder eine Lebenserfahrung kurz, knapp bündig vermitteln.

Gut Ding will (also) Weile haben. (Aber) Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Es ist (eben) nicht alles Gold, was glänzt. Nur wer, was auf dem Kasten hat, kann auch den Vogel (schließlich) abschießen, ohne dass dabei was unter den Tisch fällt, wenn man reinen Tisch macht. Hunger ist der beste Koch, wenn man Kohldampf hat. Dabei muss man kein Geld aus dem Fenster werfen, was eh keinen Pfifferling bald mehr wert ist. Dann schieben wir es eben jemanden in die Schuhe und können uns dabei freuen wie ein Schneekönig. Denn wir dürfen jemandem Zunder geben, uns dabei Pudelwohl fühlen ohne Angst vorm blauen Brief zu haben. Oder wir werden (letztlich) über den Tisch gezogen. Denn die Trauben hängen hoch, da bleibt nur im Trüben zu fischen oder als Trittbrettfahrer zu beobachten wie andere sich die Hörner abstoßen. Wir müssen das nicht an die große Glocke hängen und können in der Versenkung verschwinden. Auch wenn wir in der Kreide stehen, stinkt Geld nicht. Wir können abwarten und Tee trinken, bis der Groschen gefallen ist, weil eben alle nur mit Wasser kochen. Oder wir ziehen den Kürzeren, weil der Bock zum Gärtner gemacht wurde, wegen des ganzen Kokolores. (Und außerdem:) Die dicksten Bauern haben die dümmsten Kartoffeln.
[Weitere Sprichwörter und Redewendungen / Deutsche Sprichwörter]

Nun das letzte Sprichwort war etwas verballhornt. Natürlich züchten die dicksten Kartoffeln die dümmsten Bauern; oder so. [Sprichwortparodien]

Meine Oma Anna war eine bodenständige Hinterländer Hausfrau. Sie sagte immer zu mir: Sprichwörter sind Stichwörter.
Mit diesen Sätzen soll man sprichwörtlich „gestochen“, quasi wach gestochen oder auch bewusst böswillig verletzt; häufig auch schadenfroh gehänselt werden. Stichwörter sticheln gegen jemanden oder sollen uns wesentliche Handlungsweise verpflichtend nahebringen. Besserwissermentalität, aus vergangenen Erfahrungen. Dabei ist gänzlich unerheblich, ob die Volkstümelei mit Sprichwörtern irgendeinen genaueren Sinn ergibt.

Denn, natürlich ist der frühe Vogel nur eines: ein Depp mit Spatzenhirn. Denn Würmer bleiben früh morgens im kalten Boden; tief eingegraben. Zudem: Seid wann können Würmer fliegen, wenn man die „fangen“ will. Würmer werden gepickt. Und letztlich, wer will schon Würmer zum Frühstück. Nun, da könnte ich aus Indonesien erzählt… Nein, eher nicht. ;-)

Nun: Morgenstund hat ja Gold im Mund, selbst es sich wurmhaft windet.
Als Enkel meiner Oma, Gott hat sie seit 1983 selig, habe ich scheinbar auch diesen wirren Vogel irgendwie geerbt. Aber schauen wir uns den Vogel mal an, der uns heute im Bibeltext so wurmtechnisch dargeboten wird, so dass wir mal etwas unter der Oberfläche kratzen müssen.

2.      Bibeltext

Unser heutiger Bibeltext ist quasi ein Muster für fehlgeleitetes Verhalten, welches aus volkstümlichen oder dümmlichen Rollenbildern entspringt.

Lukas 10, 38-42 lesen.

Die Passage von Maria und Marta ist eine sehr bekannte Geschichte und auch genauso häufig granatenmäßig falsch ausgelegt worden. Durch die Umstellung in der neuen Perikopenordnung darf ich dies nun heute nochmals predigen. Vor zwei Jahren hatte ich das schon mal ausführlich getan. Kann man nachlesen unter predigt-aktuell.de.

Heute will ich mal – ergänzend – beleuchten, was Marta schlicht sprichwörtlich falsch macht. Martas Hausfrautätigkeit und Küchendienste als gut zu retten, also die strebsame Hausfrau als sprichwörtliches Muster protestantischer Weiblichkeit zu etablieren, scheitern kläglich.

Jesus antwortet – egal wie man es interpretiert, hermeneutisiert, auslegt - direkt und unbarmherzig offen. Marta hat sich von der Tradition ablenken lassen, als es darum ging, für das eigene Leben und den Glauben Zukunft zu gestalten. Marta hat sprichwörtlich ihre Zukunft verloren, weil sie sich allein in den Traditionen, den Rollenbilder und letztlich als ein „arbeitswütender Zombie“ etabliert, der darin aufgeht, ALLEIN anderen zu genügen und nicht sich selbst Gott gegenüber. Ebenso sind auch die Theologen in die diversen Rettungsfallen (Kompromissfalle: Maria und Marta gut; Feminismusfalle: Hausfrauenrolle heute sekundär; Jesusfalle:

Das eine was Not tut, sei Jesus selbst; psychologische Falle: Jede/r hat Anteil von Martha und Maria in sich; psychosomatische Burnoutfalle: Maria als Lösung der eigenen Überarbeitung oder Belastung).

Der Text hebt auf das „WÄHLEN“ ab. Marta wählt ihr Rollenbild, die sprichwörtliche Tradition. Deshalb ist sie verloren, weil Sie glaubt, das Heil, die Rettung liege in der Tradition, dem sprichwörtlichen Gestern.

Wenn es um den Neuanfang in Christus geht, hat Marta FALSCH gewählt. Sie war gar nicht in der Lage war, sich aus ihrem Rollenbild zu befreien! Sie war nicht fähig, Herrin über sich selbst zu sein, sondern die mit den Sprichwörtern verbundenen Stiche, Pflichten, Sorgen und Nöte halten Sie gefangen. Marta verpasst den Moment, den Kairos, den Zeitpunkt den neuen Anspruch zu wählen. Sie verpasst es, wie der Pharisäer, der nicht hilft. Wie der Kornbauer, der sich für Reichtum statt Zukunft entscheidet. Marta ist nicht zu retten, solange Sie in ihrer Tradition verhaftet ist und aus Ihrer Sorge, Mühe der Rollenbilder nicht ausbrechen kann.

Das richtige zu wählen, tun, zu verantworten – ist die Aufgabe.

3.      Christus

Und was wählt Maria? Was ist der gute Teil, den Maria gewählt hat und der nicht mehr von ihr genommen wird? Ganz einfach.

Sie schaut Jesus in die Augen, nicht in den Kochtopf als es galt. Sie wählt den Blick nach vorne in die Zukunft. Sie ist bereit, Zukunft nicht in der Vergangenheit, der Tradition oder den Sprichwörtern zu suchen. Dort gibt es nur Begrenztheit, Unterwerfung, gebundene Hände.

Maria verantwortet die Zukunft mit ihrem Handeln. Und, Konfis, wie haben wir am Wochenende in Breuberg gelernt? Verantwortung ist (warten): „Handeln ohne garantierte Sicherheit.“ Genau. Alles, was wir verantworten müssen, also wie wir Entscheidungen finden, wie wir diese umsetzen und wie wir mit den Folgen umgehen, das ist immer mit einer mehr oder weniger Ungewissheit verbinden. Aber Verantwortung für sich ist Verantwortung für die eigene Zukunft; wie Maria, die zur Wahl und Entscheidung keine Tradition benötigt, sondern Geduld, Mut, Zuversicht.

Noch deutlicher: Marta ist nicht zu retten, weil Sie nicht gerettet werden will. Sie verkriecht sich im Allerlei von Gestern und isoliert sich so von der Wahlmöglichkeit, von der Entscheidung, was richtig im Leben als Christ wäre. Nicht die Sorge des Alltags gilt es zu wählen, sondern die Zukunft.
Marta ist für den Evangelisten Lukas genauso verloren wie der Pharisäer (Lk. 10), der reiche Kornbauer (Lk. 12) oder der reiche Jüngling (Lk. 18).
Verständnis für arbeitsfüllendes Küchenleben - ok. Aber hier geht es um die Wahl, ob ich mein Leben mit Blick auf die Hoffnung in Christus wahrnehme. Werde ich Herrin meiner eigenen Zukunft, meines Lebens in Christus oder mache ich weiter so wie bisher.

Und müsste man es in eine heutige Sprache übersetzen, lautet die Aussage Jesu: Marta, warum hast du nicht den Pizzaservice angerufen und mir zugehört? Warum hast dich in der Küche verkrümelt, während es hier um das Leben, um dein Leben und deine Zukunft ging?

4.      Heute

Also, die Botschaft des heutigen Bibeltextes ist einfach:
Wer Sprichwörter stichwörtlich (freiheitsberaubend) behandelt, also als gedankenlose Wiederholungen des scheinbar Wichtigen behandelt, ist schlicht ein Depp im Sinne Jesu (ähem, wie ist den die weibliche Form von Depp? Deppin, Deppa. Oder gibt keinen weiblichen Feigling, Depp).

Jeder Moment des Lebens – und das ist die Botschaft des Textes heute – fordert uns heraus, unsere Entscheidung für oder gegen die Zukunft zu treffen. Und dies können, dürfen und sollen wir tun; gerade auch im Angesicht der eigenen Endlichkeit. Die Zukunft, die wir mit Geduld, mit Mut und mit Zuversicht auf Christus gestalten, ist eingebetet in die unaussprechliche Zukunft, die uns als Christen verheißen ist.

Wähle klug, denn in Christus sind wir alle zum Leben gerufen; gerade und auch über das irdische, das alltägliche, das sprichwörtliche Leben hinaus. Zur Zukunft des Leben in Christus. Für diese Wahl sollten wir uns Zeit nehmen.

Nimm dir Zeit und nicht das Leben, das Christus anbietet. Denn dies ist das Zünglein an der Waage Gottes. Dann brauchst du kein Fracksausen zu haben; schreibe es dir hinter die Ohren: Jesus springt für dich in die Bresche, und hat sich für dich ins Zeug gelegt. Für Hinz und Kunz hat er was auf die hohe Kante gelegt, damit es nicht in die Binsen geht oder deine Felle wegschwimmen. Christus nimmt – auch Marta gegenüber – kein Blatt vor den Mund, damit wir nicht am Pranger Gottes stehen. Ob wir es faustdick hinter den Ohren haben, oder einen Löwenanteil in der Kirche, ob wir nun den Ball flachhalten mit Gottesdienstbesuch, nach dem Ei des Kolumbus suchen oder schlicht uns es schnuppe ist, auf Wolke 7 – Christus lässt dich nicht im Stich. Und wenn du den Wald vor lauter Bäumen nicht siehst, lege jedes Wort Christi auf die Goldwaage. Durch Dick und Dünn, nach Strich und Faden, gilt dies nur dies: Christus lässt dich nicht im Stich, wenn du das gute Teil wählst; die Zukunft.

Amen

Herr, hilf, dass wir den Geduld, Mut, Zuversicht wählen. Schenke uns deine Zukunft. Amen.