2018.12.24 (1. Tim. 3, 16): Geheimnis des Lichts (2. Lichtpredigt der 3 in 18: 3 Predigten in 18 Stunden zum Thema Licht.)

Gottesdienstblatt mit Umschlagseite und Texte

Die Kirche ist besonders geschmückt; mit einer Fülle von LEDs und einem Lichterhimmel.

Übersetzung nach Luther 2017 Neue Genfer Übersetzung (NGÜ) Neue evangelistische Übersetzung (NeÜ)

 16 Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist

offenbart im Fleisch,

gerechtfertigt im Geist,

erschienen den Engeln,

gepredigt den Heiden,

geglaubt in der Welt,

aufgenommen in die Herrlichkeit.

16 Und wie groß ist diese Wahrheit! Wie einzigartig ist das Geheimnis, auf das sich unser Glaube gründet!

Er, der zu uns kam als Mensch von Fleisch und Blut,

der als Sohn Gottes beglaubigt wurde durch Gottes Geist 

und der den Engeln erschien in seiner Macht`

– er wurde verkündet unter den Völkern,

im Glauben angenommen in aller Welt

und im Himmel mit Herrlichkeit gekrönt.

16 Und niemand kann bestreiten, wie groß und einzig-artig die geheimnisvolle Wahrheit unseres Glaubens ist:

Er hat sich gezeigt in Fleisch und Blut /

und wurde beglaubigt durch Gottes Geist, /

und so haben ihn die Engel gesehen. /

Er wird gepredigt unter den Völkern /

und findet Glauben in aller Welt /

und ist im Himmel mit Ehre gekrönt.

NTGreece

16 καὶ ὁμολογουμένως μέγα ἐστὶν τὸ τῆς εὐσεβείας μυστήριον·

ὃς

ἐφανερώθη ἐν σαρκί,

ἐδικαιώθη ἐν πνεύματι,

ὤφθη ἀγγέλοις,

ἐκηρύχθη ἐν ἔθνεσιν,

ἐπιστεύθη ἐν κόσμῳ,

ἀνελήμφθη ἐν δόξῃ.

 

1.      Einleitung

Geheimnis des Lichts: Zweite Predigt über Licht in 18 Stunden. …

Manchmal braucht es keine Brille oder scharfe Augen. Manchmal ist es unnötig sogar die Augen zu öffnen, um etwas klar vor Augen zu sehen. Sehen ohne Augen? Geht das? Sicher.

Dazu eine kleine Episode aus dem Becker Leben.

Meine Mutter und ich pflückten Äpfel bei meinem Geburtshaus im Dorf mit 1100 Einwohnern im berüchtigten Hessischen Hinterland. Das dörfliche Haus - genannt Hofreite, weil aus Wohnhaus, Stall und Scheune bestehend - habe ich vermietet. Apfelbäume, früher ein Genuss der Menschen, entpuppen sich als Plage, weil niemand mehr die Arbeit damit haben will,. Laub fegen, Äste abschneiden, Äpfel pflücken. Die Mieter wohl nicht.

Mieter sind ja etwas eigenartig, was wahrscheinlich jeder Mieter über den Vermieter und umgekehrt sagt. Aber bleiben wir mal der Einfachheit halber bei der Vermietervariante.

Vorgeschichte: Die etwas stämmige und damals höchst übergewichtige Mieterin ging kurz vor Mittag an uns vorbei; vom Haus weg. Ich sagte zu meiner Mutter: Die geht kochen. Meine Mutter gänzlich irritiert: Kochen? Wohin denn? Ich schwieg. Meine Mutter grübelte, was aber ihre Arbeit nicht unterbrach. Erneute Frage meiner Mutter: Kochen? Wohin? Erneutes lächelndes Schweigen von mir. Schließlich bog die Mieterin nach 10 Minuten mit einer Tüte vom Imbiss um die Ecke und ging ins Haus.

Meine Mutter sagte, ich habe gedacht, die geht zur Marga, der Nachbarin  kochen. Dass man mittags am Imbiss kochen lässt, ist für sie unvorstellbar. Aber zur Hauptgeschichte: Der jüngste Sohn der Mieterin kam wenig später aus der Schule. Kaum hatte er die Haustür geöffnet, rief er laut: Du hast Pommes und Bürger vom Imbiss gegessen. Die Mieterin: NEIN. Kind: Ich möchte das auch. NEIN. Der Dialog ging noch weiter, aber brechen wir ab.

Sie können sehen ohne die Augen auf zu haben. Sie können riechen, was es gibt, welche Socken gewaschen werden müssen oder wann Sie in einen Haufen getappst sind. Sie können das! Sogar das Gehirn kann sehen, ohne dass Sie es merken. Wenn sich Haare aufstellen und Gänsehaut sich einstellt, sie das Gefühl des Beobachtet-Werdens haben oder schlicht merken, dass etwas faul ist.

Sehen, verstehen, fühlen, hören, wissen – das kann also vielerlei sein.

Verstehen mit dem Gefühl. Wissen mit den Händen. Verstehen, ohne mit dem Verstand zu begreifen. Sehen, ohne mit den Augen zu erfassen. Hören, ohne mit den Ohren wahrzunehmen.

Denn – es kann immer Täuschung sein, der wir mit unseren Sinnen erliegen. Wie das Umschlagsbild - Die meisten von uns sehen einen Lichtbogen, der sich nach rechts wegdreht. Dieser Lichtstrahl wird erzeugt vom Antrieb der Sojus-Rakete, um ins All zu kommen. Die Rakete fliegt ziemlich gerade in den Himmel, um durch die Atmosphäre ins All vorzustoßen. Aber warum sehen wir dann diese Langzeitaufnahme als Lichtbogen, der wie eine Lichtbrücke ins All aussieht? Wer weiß es?

Nun – wir sind nicht stabil. Die Erde dreht sich mit 1.400 km/h um sich selbst. Eine Erdumdrehung, also ca. 40.000 km in 24 Stunden. Wenn die Rakete nur eine Minute steil nach oben fliegt, hat sich die Abschussrampe, Start-/Standpunkt des Bildes um 23 km, in drei Minuten um 70 km „unterhalb der Rakete“ wegbewegt. Weil wir auf einer Kugel rotieren, erscheint uns das Lichtbild als Bogen. Sehen bedeutet dann immer auch Täuschung. Und so bleibt es immer auch ein Stück Geheimnis, wenn andere schon mehr sehen, was mir mit den Augen verschlossen bleibt.

Oder Gaben, Neigungen wahrnehmen, die ich nicht von mir kenne. Oder vorhersehen, ohne den Ablauf eigentlich zu wissen (wie ich beim „Kochen“). Hören, dass etwas nicht rund läuft, während ich nix höre. Zukunft erahnen, obwohl eigentlich ja Zukunft ungewiss sein soll. Dieses Geheimnis des Mehr-Sehens, Mehr Erahnens, Mehr-Hörens, Mehr-Fühlens ist eine große Gabe. Das Mehr, das Dahinter ist das Geheimnis.

 

 

2.      Bibeltext

Mit dem Bibeltext für die Christmette heute verhält es sich ähnlich. Es geht um eine Geheimnis, welches in einem Art Hymnus versucht wird zu beschreiben. Wie unterschiedlich man diesen Text übersetzen kann, machen die drei Übersetzungen desselben Bibelverses deutlich, die auf dem Gottesdienstblatt mit abgedruckt sind: 1. Timotheus 3,16 lesen.

Die erste, gelesene Fassung ist die aus der Übersetzung nach Luther 2017, die mehr auf das Hymnische, das Liturgische in der Übersetzung des Griechischen achtet. Also mehr sprachlich fühlen als verstehen. Geheimnis des Glaubens, dass Christus das Licht Gottes ist wird bekannt.

Es scheint ein gesprochenes Bekenntnis, wie wir das auch sonntags tun.

Die zweite Übersetzung, die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ), hat das Ziel, den Inhalt besser zu verstehen, also mit dem Verstand zu erfassen und das Geheimnis des Glauben, an das Licht Gottes zu „gründen“. Ein Fundament des Verstehens und der Wahrheit. NGÜ lesen.

Die dritte Übersetzung, die neue evangelistische Übersetzung (NeÜ), hat das Ziel eine gradlinige, leicht verstehbare Bibelübersetzung zu liefern, die wie die Tageszeitung lesbar sei. Hier wird von der gelebten Existenz des Glaubens ausgegangen, evangelistisch eben: NeÜ lesen.

Diese drei Übersetzungen machen deutlich, wie unterschiedlich, wie verschieden wir das Gleiche sehen, verstehen, bekennen, fühlen können.

3.      Christus als Geheimnis des Lichts

Es geht um eine Sache: das Geheimnis, was Christus ist, war und sein wird.

Christus ist das Licht, das in die Finsternis kommt und Gottes Antwort auf die Frage nach dem Leben für uns. Das Geheimnis, welches wir nur im Glauben erfassen können, ist das Geheimnis, warum Gott Licht, sein Licht und seine Gnade in die Welt bringt.

4.      Heute

Wer es bekennen will, o.k. Wer es verstehen will, o.k. Und wer es leben will, o.k. Alles, was Gott mit uns in seinem Mysterium, dem Geheimnis seines Lichts in der Welt vor hat, verändert oder in den Verstand, das Gefühl oder das Leben bringen will, lässt sich hineinlesen, hineinsehen, hineinbekennen. Nicht ist mehr wie es durch unsere Sinne scheint. Das ist das Mysterium des Lichts. Wie die Lichtbrücke uns einen Bogen sichtbar vorgaukelt, erfahren und sehen lässt, kann das Geheimnis Gottes aus einer anderen Warte, einer anderen Position, Intention, einem anderen Erlebenshorizont gänzlich anders, gänzlich ähnlich und gänzlich alt und neu interpretiert, geglaubt, bekannt, gelebt werden. Nichts erlaubt es uns dieses Mysterium, dieses Licht festzuhalten oder fest und damit scheinbar eindeutig zu bestimmen. Denn nicht wir bestimmen das Licht der Menschen, sondern Gottes Geist und sein Erscheinen in Christus lässt sich nicht in Traditionen, Formeln, Verstehensmustern oder Dogmen so festschreiben, so dass das Geheimnis des Glaubens und des Lichtes eben kein Mysterium mehr wäre. Das ist Weihnachten – dass nichts so ist bei Gott wie wir es scheinen lassen wollen.

Das ist die Botschaft des Lichts, dass wir als Menschen immer nur unvollständig, unzulänglich, niemals gesichert Gott vereinnahmen können.

Denn dieses Kind ist das Licht der Welt und wird – dazu morgen mehr – zum Leben und zum Licht der Menschen. Was wir können, ist nur eines: Staunen und hören, die Seele und das Gefühl baumeln lassen.

Und wie das klingen kann, also in uns zum Klingen kommen könnte, wollen wir nun nochmals hören. Andachtsjodler. [Abspielen].

Amen.

Herr, schenke und gnädig dein Erbarmen, auf dass wir der Versuchung widerstehen, dein Geheimnis als gelüftet, verstanden, gehört, gelebt, verfügbar anzusehen. Amen.