25.11.2018. (Jes. 65, 17-25) Thema: Neu? Hoffnung, Gewissheit, Zuversicht.

Jesaja 65, 17-25; Neuer Himmel, neue Erde

Biblia Hebraica

17 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.

18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude,

19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.

20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht.

21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen.

22 Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen.

23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.

24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.

25 Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

 

1.      Einleitung

Gibt man den Begriff neu“ im Internet bei der Suchmaschine Google ein, so erhält man in 0,73 Sekunden ungefähr 1,26 Milliarden Ergebnisse, also Einträge auf Internetseiten.

Der Begriff „neu“ ist zudem eines der am meisten verwendeten Worte bei Werbung neben „Innovation“, und anderen wohlfeilen Worten.

Das Gegenteil von „neu“ ist dabei eigentlich nicht „alt“ (weil negativ besetzt), sondern „ver-“ oder „gebraucht“. Alt-jung wäre das Gegensatzpaar.

Ob man wirklich alles „neu“ benötigt, ist eine spannende Frage der Selbst­einschätzung. Sicher sind neue Schuhe etwas Schönes. Aber sofern die neuen Schuhe sich noch den Füßen anpassen müssen, mag neu nicht immer unproblematisch sein: Neues TV Gerät – wie funktioniert das noch. Und Untersuchungen zeigen, dass Menschen max. 2-5 % des neuen (wie Excel, Smartphone, Auto) nutzen oder kennen.  

Neu bedeutet heute vor allem – etwas ersetzen und um dann etwas bisher Verwendetes auszurangieren; oder in die Sammelecke kommt.

Auffällig ist, das Wort „neu“ kommt in der Lutherübersetzung von 2017 im Neuen Testament nur ein einziges Mal als Adverb, also als qualitative Präzisierung vor. Es ist: „Siehe, ich mache alles neu.“ Offenbarung 21, 5 setzt mit dem NEU-MACHEN quasi den Schlusspunkt im NT. In der ganzen Bibel samt Apokryphen kommt neu als Adverb nur 13-mal vor.

Als Adjektiv, also als Eigenarts-Beschreibung für Begriffe oder Sachen wie Welt, Himmel usw. kommt es im NT 58-Mal.

Also: Die neue Bibel geht sparsam mit „neu“ um. Von ca. 140.000 Worten des Neuen Testamentes sind ganze 0,0414% dem Wort „neu“ gewidmet.

Diese kleine statistische Einführung hat natürlich einen Hintergedanken.

2.      - Predigttext

Der heutige Predigttext aus Jesaja 65 „strotzt“ nur so von „NEU“:

Bibeltext lesen. Historisch geht es wahrscheinlich um einen Text aus den Jahren 530-510 VOR Christus. Der Schreiber hat nichts mehr mit dem ursprünglichen Propheten Jesaja aus dem 8. Jahrhundert zu tun, sondern wird als Trito- (Dritter-) Jesaja in der Forschung bezeichnet.

Im Jesajabuch des Alten Testamentes sind also neben dem Ur- oder Proto-Jesaja (Kap. 1-39), dem Zweiten-/Deutero-Jesaja (40-55) und dem heutigen Teil, dem Dritten-/Trio-Jesaja (56-66) kompositorisch zusammengefügt worden.

Hintergrund des dritten Teils des Jesajabuch ist die Verheißung für diejenigen, die nach der Gefangenschaft in Babylon wieder ins Heimatland zurück dürfen. Diese im Jahr 539 v. Chr. vom persischen König Kyros II. „befreiten“ Judäer dürften selbst kaum noch die Heimat kennen. Zwischen 597 und 582 v. Chr. waren – so eine Hinweis des Propheten Jeremia (Jeremia 52, 28-30) – ca. 4.600 nach Babylon deportiert worden; meist aus Führungsschicht. Diese Nachkommen der Exiljudäer sind nun durch die Option der „Heimkehr“ wieder entwurzelte Menschen. Der prophetische Text will Mut und die positive Zukunft in den Blick bringen.

Die Zusage Gottes hat in dieser Verheißung dabei eine Urgewalt. Denn das Wort „Machen des neuen Himmel und der neuen Erde“ nimmt das Verb, das Schaffenswort aus der Schöpfungsgeschichte auf. BARA.

Bereschit bara Elohim et haschamjim we et haarez: Im Anfang schuf oder machte/schuf Gott Himmel und Erde. (1. Mose 1,1)

Die Verheißung, die hier ausgeführt wird, ist also ein urgewaltiges Versprechen, dass das Alte komplett verschwinden und Neues geschaffen wird. Und die Menschen sind die Gesegneten des Herrn, ihres Gottes.

Neues - was so unglaublich ist, dass Wölfe mit Schafen speisen (und nicht diese), dass das Leiden von Hunger und Not, dass früher Kindstod verschwunden sind. Gemeinschaftliche Leben, Miteinander, langes Leben über 100 Jahre sind verheißen. Das ist das NEUE, das gänzlich andere als bisher. Zukunft, die komplett andere Zukunft will der Schreiber ins Bewusstsein schreiben.

Er meint mit NEU nichts anderes als „HOFFNUNG“.

Was er ausdrücken, will lässt sich mit dem deutschen Wort „Hoffnung“ super beschreiben. Aber Vorsicht: Eigentlich bedeutet „hoffen“ nur neutral etwas erwarten, was aber nicht sicher ist. Hoffnung kommt vom deutschen „Hüpfen“ oder (vor Erwartung unruhig) „zappeln“. Eigentlich ist mit dem griechischen Wort „elpis“ oder dem lateinischen „spes“ KEINE positiver Aspekt verbunden gewesen. „Ich erwarte den Zug, das Paket, oder nichts“ – beschreibt eigentlich nicht automatisch eine positive Hoffnung der Erfüllung eines Wunsches oder eines Zieles.

In der deutschen Sprache ist es vor allem Luther gewesen, der Hoffnung eine ur-positive Bedeutung beigefügt hat. In seiner Bibelübersetzung von 1545 führt er den Begriff „der Gott der Hoffnung". "Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit Freude und Friede, dass ihr immer reicher werdet in der Hoffnung in und durch die Kraft des Heiligen Geistes." (Röm. 15, 13).

Mit dieser Übersetzung wird Gott selbst im Heiligen Geist zur Ur-Kraft, die Quelle und letztlich der Kern aller Zuversicht. Erwartung wird Hoffnung auf und mit Zukunft; letztlich wird Hoffnung zur Zuversicht.

Diese Zuversicht, dieser Mut entspringt aus der Botschaft des Evangeliums. „Ich hoffe auf den Herrn“ ist somit das menschlichste aller evangelischen Bekenntnisse.

3.      Christologische Aussage

Dass diese Hoffnung der Zukunft letztlich in der Tat Jesu am Kreuz und in der Auferstehung von den Toten seine Grundlage findet, müsste eigentlich klar sein. Eigentlich. Wenn da nicht das unsägliche Gerede vom „permanent“ Neuen in dieser Welt wäre.

Was alt, bekannt, erlernt, gewohnt und üblich ist, wird in dieser Plapperwelt der Kommunikation schnell zum alten Eisen, zum Ramsch, zum Altbackenen; bekannt und überholt und überhört.

Was schon gehört ist, ist ja nicht mehr neu im Sinne dieser Welt. Es reizt nicht mehr, öffnet nicht mehr Ohren oder erwärmt Herzen.

Auferstehung – o.k., schon gehört. Und was gibt es sonst als Nachtisch?

Nur, wenn wir es schaffen, dem Geschnatter, dem Getwitter, dem Getalkshowen der Welt den Raum für die Hoffnungsbotschaft Gottes zu öffnen, wird auch das Evangelium wieder ins Haus und das Herz einziehen können. Denn: Im Angesicht des Todes hilft kein Schnattern. Es hilft eigentlich gar nichts; kein schönes Grab, Kerzchen, Engel oder Lichter auf dem Grab. Am Dienstag war ich mit den Konfirmanden auf dem Friedhof.

Der Friedhof ist voll mit Kreuzen. Und hier wird es nun echt traurig. Weil die Welt das Kreuz als Todessymbol scheinbar verinnerlicht hat, weiß die Welt NICHTS mehr von der Hoffnung der Zukunft.

Denn das Kreuz symbolisiert NICHT Tod, sondern Auferstehung, weil in Christus der Tod am Kreuz überwunden wurde. Das ist die Hoffnung, die Paulus im Römerbrief mit Gott verbindet. Die Hoffnung hat einen Namen: Evangelium. Und die Botschaft, die uns reicher macht an Hoffnung, ist denkbar einfach: Das Leben geht weiter, auch über den Tod hinaus.

Die Gewissheit der Auferstehungserwartung wird quasi Hoffnung, also das ankommende Erwarten, dass mit dem Tod das Leben nicht endet.

4. Heute

Auch wenn die Welt diese Botschaft mit ihrem Geschnatter zu überdecken versucht. Die Botschaft hat Bestand.

Und sicher ist es unsäglich schwer, Tod zu verstehen, zu akzeptieren oder zu leben. Die, die wir heute trauern, gedenken und sprachlos sind, wissen um den schweren Raub, den der Tod vollführt in unsrem Leben. Er raubt einen Teil von uns, einen Teil unserer Seele, unserer Person.

So möchte ich schließen mit einer Trauernotiz, die am Freitag in meiner Heimatzeitung zum frühen und plötzlichen Tod des Präses der Dekanatssynode, Roland Hartmann, erschien. Wir haben ihn gestern beerdigt. Die Trauernotiz drückt evangelische Trauer, das Ringen mit Gott, und die Leere ebenso aus, wie die Hoffnung der Zukunft über den Tod hinaus.

Amen

Herr, schenke Hoffnung in aller Trauer. Mache bereit und schaffe die Hoffnung der Zukunft in uns. Amen.