11.11.2018 (Hiob 14, 1-6): Zukunft bedeutet Gewissheit verwirklichen! (Video)

 

Hiob 14, 1-6 Luther 2017

1 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,

2 geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.

3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.

4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!

5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann:

6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

 

Neue evangelistische Übersetzung

 Enttäuscht: Das Leben ist so kurz.

1 "Der Mensch, geboren von der Frau, / ist knapp an Tagen und unruhevoll.

2 Er blüht wie eine Blume auf und verwelkt, / er flieht wie ein Schatten, hat keinen Bestand.

3 Doch über ihn hast du ein waches Auge, / ihn ziehst du vor dein Gericht.

4 Gibt es denn einen Reinen, der von Unreinen stammt? / Nicht einen!

5 Sind seine Tage bestimmt, / steht die Zahl seiner Monate fest, / hast du ihm die Schranke gesetzt, / die er niemals überschreiten kann,

6 dann schau doch von ihm weg, dass er Ruhe hat, / dass er wie ein Tagelöhner sich seines Tagwerks freuen kann!"

Verzweifelt: Der Mensch hat keine Hoffnung.

7 "Denn für den Baum gibt es Hoffnung: / Wird er gefällt, so schlägt er wieder aus, / an Trieben fehlt es ihm nicht.

8 Wenn seine Wurzel im Boden altert, / sein Stumpf im Staub abstirbt,

9 so sprosst er wieder vom Duft des Wassers, / treibt Zweige wie ein Pflänzling.

10 Der Starke aber stirbt und ist schwach, / ein Mensch kommt um – und wo ist er?

11 Wie Wasser aus dem See verschwindet, / wie ein Strom austrocknet und versiegt,

12 so legt der Mensch sich hin und steht nicht mehr auf; / der Himmel vergeht, bevor er erwacht / und geweckt wird aus seinem Schlaf.

13 Ach, dass du mich bei den Toten verstecktest, / mich verbirgst, bis dein Zorn vorüber ist, / mir eine Frist setzt und dann an mich denkst!

14 Wenn ein Starker stirbt, wird er wieder leben? / Meine Dienstzeit lang wollte ich warten, / bis meine Ablösung käme!

15 Du würdest rufen und ich gäbe dir Antwort, / du sehntest dich nach dem Werk deiner Hände.

16 Dann zähltest du zwar meine Schritte, / doch du hieltest mir meine Sünden nicht vor.

17 Mein Vergehen wäre ein versiegeltes Bündel, / meine Schuld hättest du übertüncht.

18 Doch auch ein Berg stürzt ein und zerfällt, / und ein Fels rückt von der Stelle.

19 Steine werden vom Wasser zerrieben, / das Erdreich schwemmt ein Wolkenbruch weg, / und die Hoffnung des Menschen löschst du aus.

20 Du überwältigst ihn, er geht für immer fort, / du entstellst sein Gesicht und schickst ihn weg.

21 Kommen seine Kinder zu Ehren, weiß er es nicht, / kommen sie herunter, merkt er es nicht.

22 Nur sein eigener Körper bereitet ihm Schmerz, / nur um die eigene Seele trauert er noch."

 

1.      Einleitung

Die Frage, wie die Zukunft aussehen kann und was Zukunft uns letztlich zu bieten oder wie wir Zukunft als Herausforderung im Guten, Normalen oder Bösen zu ergreifen haben, ist letztlich höchst unterschiedlich.

Am 11.11.1050, also heute vor 968 Jahren wurde ein Mensch geboren, den die Frage der Zukunftsgestaltung LEBENSLANG in Atem hielt. Diesem Baby wird schon in die Wiege gelegt, was es bedeutet, bedeutend, Zukunft zu sein; für andere. Es geht heute um den Geburtstag von Heinrich IV., dem Sohn von Kaiser Heinrich III. und dem Vater von Kaiser Heinrich V. Was ist so besonders an diesem Kaiser und seiner Zukunft? Den meisten ist dieser Heinrich IV. bekannt als der kniende König im Schnee im Januar 1077 vor der Burg Mathildes im italienischen Canossa. Der Gang nach Canossa begann letztlich hier ganz in der Nähe. Nämlich in der königlichen Pfalz in Trebur im Oktober 1076. Dort legten die Fürsten des deutschen Reiches fest, dass Heinrich letztlich abdanken muss, wenn der päpstliche Bann und Exkommunikation nicht innerhalb von einem Jahr und einem Tag, also bis 6. Februar 1077 zurückgenommen wird. Heinrich nach dem Tod seines Vaters als er 6 Jahre alt war, wurde Arno von Köln bei einer Schifffahrt im Rhein geraubte, dem seine Zukunft als verwaister, fremderzogene Königssohn wenig versprach.

Die Welt stand am Abgrund – Heinrich 26 Jahre alt. Erstmals hatte der Papst den König exkommuniziert, quasi abgesetzt. Sehr geschickt übrigens, weil Gregor VII. jeden Untergebenen von seinen Eid, seinen Steuer und Lehnspflichten gegenüber dem König entbunden hatte.

König und Papst kämpfen um die Vorherrschaft, die Zukunft der Welt.

Der 27 Jährige Heinrich sitzt mit seiner Frau Agnes im Oktober in Oppenheim und beobachtet seinen Untergang in Trebur. Der Winter setzt ein und er soll auf dem Reichstag in Augsburg im April 1077 abgesetzt werden, wenn er bis zum 6.2.1077 nicht wieder vom Papst wieder in Liebe aufgenommen wird. Eine aussichtslose Zukunft. Die Lage war, ist aussichtslos und alle Berater wollen, dem jungen König seine Zukunftslosigkeit zusprechen. Heinrich IV vom Papst verdammt, Basta. Du musst dich fügen, unterordnen. Aber der junge König kämpft – wie schon so häufig – um seine Zukunft, um seine Aufgabe. Heinrich ist anders. Er sieht die Menschen als Menschen an. Er nimmt die Geschehnisse des Lebens und der Welt nicht nach den Deutungen der Mehrheit an. Er teilt Menschen eben nicht in Gute wie Christen und Böse wie Juden, sondern für ihn gilt, was der Mensch ist: Jedes, ein Wesen in der Gnade Gottes an seinem Platz. Während alle Angst haben und unsicher auf den Ablauf der Frist warten, tut Heinrich das Unglaubliche. Er bricht Anfang November auf. Von Oppenheim nach Rom. Er startet OHNE Aussicht auf Erfolg. Gegen alle Ratschläge. Die Risiken außer Acht lassend. Es geht um die Zukunft, nicht nur von ihm, sondern vor allem um die Menschen, die ihm anvertraut ist, und deren Zukunft. Er will die Ketten der Machtbessenheit und des Egoismus überwinden. Heinrich bricht auf; mitten im Winter reist er dem Papst entgegen. Über Straßburg, Mülhausen, Weihnachten ist er in Besancon; über Genf, Überquerung der Alpen am Mont Cenis – rutschend auf Tierhäuten. Heinrich kann. Heinrich kann, wenn alle anderen verzweifeln. Heinrich kann noch mehr. Über Turin nach Parma. Am 26. Januar fängt er den Papst in Canossa, in der Burg von Mathilde von Tuszien, der damals mächtigsten Frau der Welt, die über ein Gebiet von Rom bis zu den Alpen herrschte, ab. Eine erbitterte Gegnerin Heinrichs.

Heinrichs Handlung ist legendär, wahrscheinlich diplomatisch ausgehandelt, von beiden Seiten legendenhaft aufgeschmückt.

3 Tage kniend (26-28.1.1077) im Büssergewand zwingt er den Papst zu vergeben. Gegen alle Meinung, für die Zukunft, die er nun wieder erhält.

2.      Bibeltext

Um die Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft geht es auch im heutigen Predigttext aus dem Buch des Hiob.

Die Hiobgeschichte des Alten Testamentes ist ebenso eine Geschichte nach der Zukunft im Blick auf das Jetzt. Und eine Geschichte gegen die Suche nach Sünden der Vergangenheit. Die Zukunft setzt Ursache, Wirkung aus. Nur das JETZT entscheidet über den Weg, der gegangen wird.

Hiob – die tragische Figur des Helden, der alles verliert und Frau, Kinder und Gesundheit, ergibt sich nicht dem Schicksal der drei Freunde, die seine Schuld für falsches Verhalten im Gestern suchen.

Wir wissen aus der biblischen Erzählung, die alle Züge einer babylonischen oder griechischen Tragödie in sich trägt, dass der Satan mit Gottes Duldung Hiobs Gottestreue und seine Zukunft versuchen kann. Die drei Weisheitsfreunde Hiobs verwickeln ihn in Gespräche. Zofar von Naama startet mit der Aussagen: „Was kannst du wissen Hiob, du Hohlkopf.“ (Hiob 11, 8b.12a). Unser Predigttext ist ein Teil von Hiobs Antwort auf den Hohlkopf Vorwurf Zofars: Predigttext LESEN.(Hiob 14, 1-6 NeÜ)

Was antwortet also Hiob auf die Ursachensuche der Freunde? Sucht Hiob nach den Fehlern der Vergangenheit, um Zukunft zu verbessern?

NEIN: In den nächsten Versen (14, 7ff) macht Hiob deutlich, dass der Mensch keine Hoffnung hat, wenn er sich seinen Gedanken über Gott Unterwirft oder eben die Zukunft in der Vergangenheit sucht.

Es geht um die Auseinandersetzung mit Gott, das Ringen wie Jakob am Jabbok, wie Jesus in der Wüste oder am Kreuz; wie Paulus mit Petrus.

Leben ist Zukunft – so die unglaubliche Antwort des Hiob gegen seine Pfarrersfreunde: Schluss mit dem Gejammer und meiner angeblichen Schuld aus der Vergangenheit, die mich im Leben lähmen soll. Schluss mit dem Geschwafel, was gestern angeblich besser war, als es noch kein Handy, fließend warmes Wasser oder das Wasserklo gab. Schluss damit. Schluss. Das ist die Antwort Hiobs, egal wie mies es uns zu gehen scheint. Die Antwort ist nicht im Gestern, sondern im JETZT. IM TUN DES JETZT, damit Zukunft eine Chance hat, Hoffnung ist.

3.      Christus als Lebenshoffnung und Zukunft

Was ist mit dem Leiden, dem Krebs, den Niederlagen, dem verlorenen Glück? Warum lässt Gott Menschen leiden? Diese Frage, die auch als Theodizee-Frage bekannt ist, fragt nach dem Sinn, der Ursache menschlichen Leidens. Warum – das höre ich häufig. Warum nur? Die Krankheit, die Behinderung, das Verhalten der Kinder, die Boshaftigkeit des Nachbarn. Warum? Wisst ihr, die Antwort ist meistens einfach. Warum es Krankheiten gibt, welche Bakterien, Krebszellen die Ursache sind. Warum eine Unfall das Genick bricht wie bei Samuel Koch bei „Wetten dass“ am 4.12.2010; Live! Warum – LÄSST sich erklären. Aber es klärt NICHTS.

Das hat Hiob verstanden. Es zählt das Leben, die Hoffnung, die Zukunft; es zählt nicht die Krankheit, der Tod, das Leid. Und was ist Gottes Antwort? Die Antwort heißt: Jesus als Christus. Jesus selbst leidet für uns in Kreuz und gibt Leben in der Auferstehung.

Gott in Christus an Kreuz und in der Auferstehung; Zukunft des Lebens eben. Das ist die einfache Antwort. Nicht mehr, nicht weniger.

Wenn Gott uns nicht mit Vergangenheit quält, Sünden nicht anrechnet, wie anders als JETZT sollten wir unsere Zukunft in die Hände nehmen?

4.      Heute

Heinrich IV blieb ein Leben lang in dieser Auseinandersetzung um die Zukunft; selbst bis zu Silvester 1105 als sein Sohn ihn entmachtete.

Bismarck nahm die Auseinandersetzung um das katholische Konkordat zur Zivilehe am 14.05.1872 zum Anlass im deutschen Reichstag auszurufen: „Seien Sie außer Sorge, nach Kanossa gehen wir nicht, weder körperlich noch geistig.“

Wenn aber die Zukunft uns auferlegt ist, kann ein Bußgang auch ein Wunder der Handlungsfreiheit bescheren, wie bei Heinrich. Wir evangelische knien nicht vor dem Katholischen, knien nicht vor dem Konservativen, dem Liberalen, dem Kommunistischen oder vor dem, was Menschen uns als Tradition wie ein Mühlstein um den Hals hängen wollen. Wir nehmen Verantwortung wahr; nicht mehr nicht weniger.

Heinrich IV hat – gegen das päpstliche Kreuzzugsheer im Jahr 1096, welches im Mai 1096 über 700 Juden in der damaligen jüdisch-theologischen Hochburg der Welt ermordete – IN MAINZ klar Stellung gegen den Hass der Kirche auf alles Fremde bezogen; gegen ängstliche Hohlköpfe,

So bleibt es auch heute unserer evangelische Aufgabe: Nationalisten, Sozialisten, Kommunisten, Faschisten oder Kirchen- oder Religionsspinner die Stirn der evangelischen Zukunft zu bieten. Für das Leben – das leben der Anderen, das eigene Leben mit Hoffnung.

So bleibt es auch heute – am Tag, wo wir uns daran erinnern, dass der Jüngste Tage, also der Tag der Abrechnung vor uns und nicht hinter uns liegt – eine große Aufgabe, die uns Evangelischen in unvergleichlicher Weise gestellt ist: Die Zukunft als Handlung im Jetzt, in der JETZT ZEIT zu beginnen. Und das immer im Bewusstsein, dass hinter uns allein die Gewissheit der Gnade liegt.

Amen.

 

Herr, öffne unser Herz, unser Hirn und bewege du die Synapsen, unsere Hände, unser Gefühl im Blick darauf, dass du uns aus der Zukunft entgegen kommst. Amen.