12.08.2018 (Gal 2, 16-21): Christsein in Heuchelei oder Aufrichtigkeit

 

Gal 2 Die Versammlung der Apostel in Jerusalem

1 Danach, vierzehn Jahre später, zog ich abermals hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm auch Titus mit mir. 2 Ich zog aber hinauf aufgrund einer Offenbarung und legte ihnen, besonders denen, die das Ansehen hatten, das Evangelium dar, das ich predige unter den Heiden, auf dass ich nicht vergeblich liefe oder gelaufen wäre.

3 Aber selbst Titus, der bei mir war, ein Grieche, wurde nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen. 4 Es hatten sich aber einige falsche Brüder eingedrängt und eingeschlichen, um auszukundschaften unsere Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, und uns so zu knechten. 5 Denen wichen wir auch nicht eine Stunde und unterwarfen uns ihnen nicht, auf dass die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestehen bliebe. 6 Von denen aber, die das Ansehen hatten – was sie früher waren, daran liegt mir nichts; denn Gott achtet das Ansehen des Menschen nicht –, mir haben die, die das Ansehen hatten, nichts weiter auferlegt. 7 Im Gegenteil, da sie sahen, dass mir anvertraut war das Evangelium für die Unbeschnittenen so wie Petrus das Evangelium für die Beschnittenen – 8 denn der in Petrus wirksam gewesen ist zum Apostelamt für die Beschnittenen, der ist auch in mir wirksam gewesen unter den Heiden –,

9 und da sie die Gnade erkannten, die mir gegeben war, reichten Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen werden, mir und Barnabas die rechte Hand und wurden mit uns eins, dass wir unter den Heiden, sie aber unter den Beschnittenen predigen sollten, 10 allein dass wir der Armen gedächten – was ich mich auch eifrig bemüht habe zu tun.

Die Auseinandersetzung in Antiochia

11 Als aber Kephas nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er hatte sich ins Unrecht gesetzt. 12 Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. 13 Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden, sodass selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln. 14 Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Kephas öffentlich vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben? 15 Wir sind von Geburt Juden und nicht Sünder aus den Heiden.

 

Gal 2, 16-21 Predigttext

16 Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht.

17 Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, sogar selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne!

18 Denn wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter.

19 Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt.

20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.

21 Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.

 

1.      Einleitung

Wodurch zeichnen sich Christen eigentlich aus? Woran erkennt die Christin oder den Christ? Was sind also die untrüglichen Zeichen, dass dieser oder jener Mensch sich als Christ versteht? Gibt es ein besonderes Verhalten, regelmäßige Gottesdienstbesuch, Gebete, oder was auch immer?

Ich habe mal im Internet recherchiert Ich bin dabei auf die Seite „Campus für Christus gestoßen; einem überkonfessionellen Missionswerk.

Hier wird ausgeführt: „Echter Glaube zeigt sich im echten Leben, weil der echte Gott dahinter steckt.“ Der Glaube an Jesus mit Mund und Herzen wird demach in Anlehnung an Römer 10, 9 („Wenn du mit deinem Mund bekennst, dass Jesus der Herr ist, und wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden.“) gefordert.

Wodurch zeichnen sich Christen nun aus? Was ist das Mal, das Zeichen, sodass man Christen erkennen kann, wie auch Fans der Eintracht?

Ist es das Fischsymbol, welches in im Griechischen ein als Abkürzung für „Jesus Christus Gottes Sohn (mein) Retter“? Gibt es also ein Klebeetiketten-Christsein? Aber mal ganz ehrlich: Die Fischsymbol-Autofahrer verhalten sich auch nicht besser als andere im Straßenverkehr oder doch?

Oder reicht es aus kirchensteuerpfichtig zu sein, um als Christ zu gelten? Denn, wenn man kirchensteuerpflichtig ist, ist man auch Mitglied einer Kirche, in der Regel getauft. Da die Kirchensteuer aber an ein zu versteierendes Einkommen gekoppelt, zählen letztlich nur ca. 40 % aller Kirchenmitglieder überhaupt nur Kirchensteuer. 60 % der Evangelischen zahlen somit keine Kirchensteuer, weil sie keine Steuern auf Einkommen aus Lohn, Rente oder Miete zahlen müssen. Wenn man nun noch weiß, dass 15 % aller Mitglieder 80% aller Kirchensteuer zahlen; na dann kann das ja wohl kein Kriterium für Christsein darstellen; oder?

Was also einen Christen ausmacht, scheint also so einfach nicht zu sein.

Möglicherweise interessiert es auch mittlerweile niemand mehr oder nur och wenige, ob es Christen gibt und was die so auszeichnet.

Aber – wäre es nicht gut wie beim Eintrachtfan zu wissen, ob er Christ oder Evangelisch ist? Wäre es nicht gut einen Aufkleber statt Fisch zu haben, wie „ich bin stolzes Mitglied der ev. Paulusgemeinde in Raunheim!“ Also wodurch erkennt man einen Christ – das ist die Frage heute.

Schauen wir mal auf den heutigen Predigttext um rauszubekommen, ob wir hier eine Antwort auf das sichtbare Christsein erhalten.

2.      Bibeltext

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief des Paulus an die Christen in Galatien (also die Galater). Der Brief ist ein Zirkularbrief, also ein Brief der weitergereicht wird. Er richtet sich wahrscheinlich an die Christen, die vorher keine Juden waren, und im Zentrum und Süden der heutigen Türkei.

Ich beginne etwas vor dem eigentlichen Text. Paulus berichtet im Jahr 55 nach Christus davon, das Petrus in Antiochia (heute das türkische Antakya), an der Grenze zum heutigen Syrien mit Christen, die keine Juden gewesen waren ohne Speisevorschriften aß. Als aber Judenchristen dazu kamen, entfernte er sich von den Heidenchristen und speist fortan nach den Speisevorschriften der Juden mit den Judenchristen.

Paulus wirft Petrus (also dem ach so heiligen Simon Petrus, dem ersten Papst!) Heuchelei vor, weil dieser das Evangelium an Christus verrate.

Hypokrisis (ὑπόκρισις) – ist das altgriechische Wort für Heuchelei.

Paulus stellt Petrus, den Fels, öffentlich zur Rede und fragt ihn, warum er sich scheinheilig vor den Heiden verhalte, aber letztlich nur um zu täuschen! Er verfolge damit „selbstsüchtige Interessen“, sei anbiedernd, scheinheilig eben. Letztlich wirft er ihm die Verleugnung der Botschaft des Evangeliums vor, da er das Gesetz vor Kreuz und Auferstehung stelle. Also – mal wieder Dampf in den Kesseln der ach so lieblichen Urchristen.

Hier setzt nun der Vers 16 bis 21 aus dem zweiten Galaterbrief ein:

VORLESEN.

Machen wir es kurz: Petrus ist für Paulus ein Heuchler und Christus Verleugner, der Christus dann verleugnet, wenn DOCH das jüdische Gesetz unter seinesgleichen praktiziere. Für Paulus geht es gar nicht, dass man nach der Überwindung des Gesetzes als Heilweg nun zurückfalle.

Denn die Gnade Gottes in Christus in Kreuz und Auferstehung schlägt alle moralischen Gesetz und Verhaltensregeln. Durch Heuchelei kann man ebenso wenig gerettet werden, wie durch inhaltsleere und herzenslos gestaltete Riten. Beten ohne Herz ist wie Gnade ohne Glauben.

3.      Christus ungeheuchelt

Das was gestern abgerissen wurde, also die ganze Gesetzestradition – so Paulus – führt zur Heuchelei, wenn man meint, diese als Grundlage wieder errichten zu können. NEIN – mit Christus gekreuzigt & neugeboren zu sein, bedeutet, als neuer Mensch in eine neue Zukunft einzutreten.

Und so wird auch verständlich, warum alle Geschichte von Jesus, die wir aus dem neuen Testament kennen, nur eines deutlich machen. Die Heuchler, die Pharisäer, die Gestrigen, die Moralischen, die, die Menschen rein aus der eigen gesetzten Tradition beurteilen – all jene lässt dieser Gottessohn links liegen. Jesus ignoriert die Heuchler, also jene, die auf die Show und das Äußere zum eigenen Vorteil aus sind.

Nichts ist scheinheilig, heuchlerisch beim Eintreten für Hure, Finanzhaie (Zöllner genannt), die ausgestoßenen Asylanten, die aussätzigen Kranken, die Sterbenden, die Kinder, die Sklaven ebenso. Und allein ohne das Heucheln, die Hypokrisis, der Selbstbetrug, die Lebensshow – ohne das alles –  ALLEIN pur kann die Botschaft des Evangeliums tragfähig werden. Tragfähig um auch das Neue des Evangeliums, jenseits aller Show.

Auferstehung ist die Botschaft –  Denn mit dem Mit-Sterben in Christus eröffnet sich das ungeheuchelte NEU-Aufstehen, das Aufrichten für eine ungeheuchelte, unverstellte, - heute wurde man sagen – kongruente – ‚stimmige’ Zukunft. Das ist das Evangelium. Das ist die Aufgabe als Christ für die es nach Paulus ungeheuchelt einzutreten gilt.

4.      Heute

Und was macht nun ein Christ aus? Antwort: ungeheuchelte Aufrichtigkeit gegenüber allen und der Welt. Wir verteidigen nicht Traditionen, sondern den Auferstandenen als Heilsbringen einer Aufrichtigkeit, die durch die Gnade Gottes für unsere aufgerichtete Zukunft im Leben, Tod und Auferstehen steht.

Also ist die Aufgabe des Christen und sein Verhalten IDENTISCH: Aufrecht in der Gnade Gottes leben und handeln. Petrus hat geheuchelt, mehrfach. Er ist der erste Papst geworden. Wesentlich ist also, die Fähigkeit zur Umkehr, zur Rückkehr zum Evangelium. Hoffen wir mal, dass Petrus diesen Weg gefunden hat. Auf Abwegen war er häufig genug.  Niemand kann vorhersagen, was man in welchem Fall zu tun hat. Also seien wir aufrichtig; im Umgang mit anderen, im Umgang mit Geld, im Umgang mit möglichen Vorteilen, weil man ein Amt inne hat.

Also seien wir als Christen aufrichtig, weil Christus uns in Kreuz und Auferstehung ohne Scheinheiligkeit Aufgerichtet hat; zum Christ sein.

Christen sind also jene, die nicht heucheln, und aufrichtig durch die Welt gehen und letztlich Zukunft mutig mit anderen gestalten.

Ist es wirklich so einfach? Jupp. So einfach. Denn nichts von dem, was wir in der Bibel von Jesus hören, lesen, erzählt bekommen, lässt auch nur im Ansatz zu, dass Gott in Christus geheuchelt, also uns was vorgespielt hat. So ist es; so einfach!

Amen.

Herr, schenke Aufrichtigkeit und Mut dem geheuchelten Leben zu trotzen. In deinen Händen liegt die Gnade. Amen.