25.12.2017 Weihnachten / Thema: Integer oder nicht - Frag das Licht!

1. Johannes 3, 1-6

Die Herrlichkeit der Gotteskindschaft

1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt.

2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

3 Und jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.

4 Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht.

5 Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde.

6 Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt.


 

 

1.       Einleitung

Nach dem Psychologen Erikson entwickelt sich das Leben eines Menschen vom Baby zum reifen Erwachsenen in Lebensphasen, die geprägt sind von Gegensätzen. Das Kind hat Urvertrauen und Urängste. Intimität und Einsamkeit spiegelt dei nachpubertäre Zeit wieder. "Wir sind, was wir lieben."
Im reifen Erwachsenenalter ist nun das Gegensatzpaar die Fragen nach dem, welche Spuren ich hinterlasse. Die Frage, wie mein Leben bewertet wird, drängt sich auf - so Erikson - ebenso wie die Frage, ob meine Kinder meine "Aneignungen", also jene Dinge, Verhaltensweise, selbst Haus und Besitz ebenso achten wie ich.

Welche Spuren hinterlasse sich, spiegelt sich dann an der Frage, ob es mir gelingen mag, in meinem Leben noch wesentliches über mich selbst hinaus weitergeben kann.

Ob dieses Stufenmodell heute noch bestand hat, kann bezweifelt werden, weil die Anzahl der reiferen Erwachsenen steigt, die sich häufig nicht mehr darum scheren, was sie hinterlassen. Zum einen - die Kinder oder Erben wollen den - sagen wir es deutlich - alten Plunder nicht mehr; und zum anderen sind häufig die Familienverbünde aufgrund von anderen Lebensmodelle in anderen Häusern, Regionen und Städten schlicht zu weit vom Altmodell der Eltern entfernt.

Ich weiß nicht wie es bei Ihnen ist. Heute feiern wir den Geburtstag des Herrn. Wenn ich an die letzte Geburtstagfete meines Sohnes denke, am 31.10.2017 wird mir mit den Spuren hinterlassen, ganz anders.

Ungeachtet, dass ich nun am letzten Wochenende die Kirmesbänke und Getränke aus der Scheune, in der er gefeiert hatte, macht mich das Phasenmodell meines Sohnes doch etwas - nun sagen wir es so - ratlos.

Weit davon entfernt, eine Lebensphase der Familie anzustreben, liegt der ganze Lebenssaft scheinbar in der Bewältigung von so wesentlichen Frage, wie bekomme ich die nächste Konzertkarte der Lieblingsband und wo wir wann wie lange welche Fete gefeiert. Amazon liefert täglich Pakete; leider nur bis zur Haustür nicht bis ins Schlafzimmer und das Putzen der Wohnung scheint eher eine lästige Erfindung des Imperiums zu sein, die die Rettung der wahren Welt nur verhindern will. Nun ja. Vielleicht ist diese meine Betrachtung auch nur ein Ergebnis davon, dass ich mich in die Phase nach Erikson von "Ich-Integrität versus Verzweiflung" (oder Lebensekel; reifes Erwachsenenalter) eintrete.

Ich will mit mir integer, also auch hinsichtlich meiner Lebensergebnisse eine gewisse Unversehrtheit meines Lebensweges nachzeichnen können, wenn ich zurückblicke. Wesentlich dabei ist, dass ich einerseits wohlwollend mein Leben bewerte und andererseits für die Zukunft - auch über meinen Tod hinaus - für meine Lebensspuren eine Perspektive sehe. Ich will nicht umsonst gelebt haben und vor allem keinen Ekel vor meinem eigenen Leben haben. Welche Spuren ich im Leben hinterlasse, vor allem nicht am heutigen Geburtstag des Herrn wird zum Thema. Denn letztlich ist die Frage des Lebens im Blick auf den Predigttext doch recht herausfordernd. Wie intakt ist mein Weg im Blick auf den Herrn?

2.       Bibeltext

Text lesen (1. Joh 3, 1-6)

Der Text ist schon eine heftige Variante, wenn es um die Frage nach der Integrität, also der Stimmigkeit des Lebens im Blick auf Gott, geht.

Hier ist die Rede von der Herrlichkeit der Gotteskindschaft; also unsere Lebensbilanz als Christen im Blick auf den uns auferlegte Lebensweg.

Schauen wir uns den Text im Gesamtzusammenhang an. Der erste - angebliche - Brief des Johannes steht in einer Kleinstsammlung von drei Briefe, die seit dem Ende des 2. Jahrhunderts des Zebedaiden Johannes zugeschrieben werden. Diese drei Briefe enthalten eine uneinheitliche Theologie. So ist kaum von einem einzigen Schreiber auszugehen. Da aber ähnliche Themen wie im Johannesevangelium vorkommen, und der Schreiber die richtige Interpretation des Johannesevangelium verteidigt, könnte der Verfasser aus dessen Umfeld kommen. Betrachtet man den gesamten ersten Johannesbrief, so wird auch schnell deutlich, dass es nicht um einen klassischen Brief handelt (wie etwa die Schreiben des zweiten und dritten Johannesbriefes). Das kurze Schreiben erinnert eher an eine Art Verteidigungseinleitung zum Johannesevangeliums. Im allerersten Vers (Kap. 1, Vers 1) wird deutlich, dass der Schreiber "über" oder "vom Wort des Lebens" (περi τοu λoγου τnς ζωnς) und seiner richtigen, integeren, also korrekten Interpretation schreiben will.

Dabei sind zwei Aspekte dem Schreiber wichtig:

1) Er warnt vor einer falschen Interpretation des Textgutes von Johannes und schreibt, dass viele Antichristen und Pseudopropheten existieren.

2) Das Traktat ist ein Plädoyer für die Bruder-/Geschwisterliebe (1Joh 2,9–11; 1Joh 3,11–18; 1Joh 4,7–21).

Beide Themen gehören für den Schreiber des 1. Johannesbriefes unmittelbar verbunden. Für ist einerseits die Erkenntnis Gotteserkenntnis zeigt sich im Halten der Gebote (1Joh 3,3) und „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,8). Das „Bleiben in der (Bruder)Liebe“ geht demzufolge in eins mit dem „Bleiben in Gott“ (1Joh 4,16).

Letztlich geht es auch hier um die Frage nach dem, welche Spuren wer wie hinterlässt. Es geht - wie Erikson ausführt - um eine Art "Integrität" (also eine Art der Selbstklarheit, Rechtschaffenheit, Vollständigkeit bzw. Korrektheit) wie man mit dem Leben als Christ umzugehen hat.

Es geht dem Schreiber um die Gotteskindschaft, die wir in Christus erhalten habe.

3.       Was macht uns zu Gottes Kindern?

Nun die Frage ist schnell beantwortet: Christus selbst ist es, der denen, die an ihn glauben, diese neue Lebensform schenkt.

Wir sind gerettet in Christi Menschwerden (heute) und in seiner Tat am Kreuz und in der Auferstehung.

Dies hat aber Auswirkungen auf mein Leben. Als Christ mag mir alles möglich und erlaubt sein, aber nicht alles ist - wie Paulus sagt - zuträglich, also stimmig mit dem Leben als Christ. Es geht schlicht um die Frage der Nachfolge, die sich aus dem Christsein ergibt. Was man darf und nicht darf, woran man sieht, ob jemand Christ ist oder nicht. Das lässt sich auch für den Schreiber des Johannesbriefes nur an Beispielen erzählen.

Vers 6: "Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. "

Letztlich geht es um eine Frage, die Dietrich Bonhoeffer einst in seinem Buch Nachfolge  mit einem Gegensatzpaar "billige Gnade und teure Gnade" beschrieben hat.

a) Die Gnade Christi muss uns teuer sein, eine teure Gnade also.

Die Gnade Christi, die uns zugesprochen ist, darf nicht zum Ramschartikel, den man beliebig und ohne Konsequenzen nutzen kann, also es darf keine BILLIGE Gnade sein. Wenn die Gnade billig wird, ist sie schlicht nichts wert. Sie ist dann Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderten Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird.

b) Billige Gnade ist Vergebung ohne Preis, ohne Kosten. Christentum wird somit zu einer billigen Variante eines Glücksbringers, der dann ins Spiel kommt, wenn Not am Mann oder Not bei der Frau ist. Erikson hätte davon geschrieben wie integer sind wird mit uns selbst, wenn wir zurück blicken auf unseren Lebensweg als Christen.

Letztlich ist billige Gnade ein Kaufartikel, wie ein Ablass, der uns vor allem Bösen beschützen soll. Ein hohler Talismann eben.

4.       Nachfolge Heute

Nun - wie ist das mit mir, mit euch, wenn wir unseren bisherigen Lebensweg zurückblicken? War es zu billig, was wir bisher als Christen gelebt, getan oder wie wir uns verhalten haben? Können wir sagen, dass mein Leben mit dem, was ich durch Christus empfangen habe, integer, intakt, im Gleichklang war? Wie sähe die Bilanz aus, wenn wir nun eingestehen müssen, was am Ende übrig bleibt, vom unserem Lebensweg?

Bei welchen Dingen können wir getrost sagen: JA - das war es. Hier habe ich konform, im Einklang mit unserem Herrn gehandelt.

Bei welchen Dingen können wir das nicht?

Der Autor des Johannesbriefes geht weit, sehr weit, möglicherweise zu weit, wenn erfordert: Wer sündigt, kann kein Christ sein.

Er stellt die teure Gnade in Christus nicht zu billig dar, sondern wahrscheinlich zu teuer. Der Schreiber scheint frustriert, weil es immer noch Sünde gibt und wir immer noch nicht alle kleine "Jesuleinchen", die quasi die Gnade so teuer machen, das sie überflüssig werden wird. Denn wer die Gnade zu teuer macht, ist genauso auf dem Holzweg wie zu billig. Das eine ist billige Ramschware und nur dann nützlich, wenn ich gerade mal einen Halt benötige. Das andere ist zu teure Herausforderung an eine Gnade, die uns UMSONST und damit gerade nicht BILLIG zugesprochen wird.

Und so bleibt uns als Christen hier und heute in Raunheim am Tag des Geburtstages Christi nur das eine als die richtige, die angemessene Form der Nachfolge. Uns demütig vor dem Kind zu verbeugen, damit das Licht Gottes über uns in unsere dunklen Ecken scheint und ausfüllt mit der Gnade Gottes. Denn nur - und das ist die wahre Nachfolge Christi - wenn wir bereit sind, die ehrliche und offene Bilanz zu ziehen, wird das Licht Gottes überhaupt nur die dunklen Ecken, die tiefsten Abgründe finden.

Auf welcher Synapse parkt bei Ihnen, bei dir und bei mir das Böse. Wo haben wir Hass, Hartherzigkeit, Unfriede, Neid, oder die vielen anderen Mauern schlummern, die uns von Christum trennen. Auch hier gilt nur eines: Das Licht Gottes einzulassen. Auch hier gilt, dass wir uns vom puren Licht erhellen zu lassen.

Das ist die Aufgabe, das ist die Botschaft.

Amen

Herr, sei ein starkes Licht in meinem Leben. Erleuchte, beleuchte, und gib Gnade, wo ich hart, ungerecht und flapsig bin. Leuchte mir den Weg. Amen.


 

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