31.10.2017

Thema: Incurvatus seipsum - sola fide (ALS Video)

Predigttext: Römer 3, 21-28

Lutherübersetzung 2017 Die Rechtfertigung allein durch Glauben

 

21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.

22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:

23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen,

24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden

26 in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.

27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.

28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, [allein durch den Glauben; Zusatz NICHT im URTEXT].

Titelblatt der Gottesdienst-Begleitflyers

1.       Einleitung

Incurvatus inseipsum: Was ist ein Laster?  Laster. Und ich meine nicht die dicken Brummer auf der Straße.

Laster - ist ein theologischer Fachbegriff für eine feste Einstellung des Menschen und die daraus folgenden Gewohnheiten und Handlungen.

Umgangssprachlich ist ein Laster eine schlechte Angewohnheit.

Die Bibel und das neue Testament spricht in diesem Zusammenhang auch von Sünde. Aber: Was ist Sünde?

Und ganz ehrlich. Die Frage müsste heute eigentlich lauten: Interessiert das überhaupt noch jemanden, was Sünde oder ein Laster ist?

In unseren westlichen Gesellschaften, in unserer Zeit ist das, was Sünde oder Sündhaftes, lasterhaftes Verhalten ist, ziemlich modisch geworden.

Modisch, well jede Übertretung von tugendhaftem Verhalten, also jeder Stilbruch in Aussprache, Kleidung, Arbeitsmoral, Selbstdarstellung, sexueller Beliebigkeit, im Verprassen, und sich selbst zum König von Deutschland erklären, heute nicht geächtet ist. sondern zum erfolgreichen Marketing gehört. Wer heute nicht mit nackter Haut, unflätigen Sprüchen oder selbstgefälligen Verhalten auf sich aufmerksam macht, sein Haut und sein Hirn quasi auf dem Markt der Begierden und des Begehrens präsentiert, ist doch eher ein nichts.

Die Bibel und vor allem das neue Testament in Christus verweist dabei auf eine Fülle von Laster, die eigentlich nur eines deutlich machen:

Incurvatus in seipsum - Die Selbstverkrümmung des Menschen, Das Sich-Einigeln und Sich allein selbst für wichtig halten. Das Schneckengehäuse auf dem Gottesdienstblatt macht dies deutlich.

Die Selbstverkrümmung ist ein Weg sich und sein Leben von der Frage nach Gott und dem Wirken in der Welt abzukoppeln. Die Selbstabschließung vor der Welt - das ist die Sünde, die uns die Bibel und das Evangelium deutlich machen will. Es ist dem Menschen nicht möglich in sein eigenes Schneckenhaus, seine eigene Welt, seine Moralvorstellung, seine eigenen Gesetze des Lebens abzutauchen - weil, ja weil das Leben nur dann eine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat, wenn wir es mutig im Angesicht der eigenen- Endlichkeit sehen.

Die Flucht vor der Sterblichkeit, die Flucht vor der Sünde - das ist der Auslöser für Luthers 95 Thesen - HEUTE vor 500 Jahren. Das Leben lässt sich weder erzwingen durch Werke, noch durch Geld und schon gar nicht durch einen Ablassbrief.

So sehr Luther FÜR den Ablass, als die wahre Buße vor den Sünden gekämpft hat, so wenig Verständnis hat er dafür, die Sünde zu einem Geschäft zu machen. Ca. 5 Monatgehälter eines Handwerkes kostete die Sühne für einen Mord, der dann auch nicht in der Welt verfolgt werden konnte. Kompensation oder im heutigen Juristendeutsch: Schadenersatz.

Luther sprach und spricht der Kirche die Kompetenz, die Fähigkeit und die Legitimation ab, Kompensationsfähig zu sein. Keine Spende, keine Leistung, keine Stiftung und selbst keine "sogenannte" gute Tat kann das Kompensieren, was Sünde in uns bewirkt. Incurvatus in seipsum. Dieser lateinische Begriff, teils schon bei Augustin, beschreibt bei Luther die Selbstverkümmerung des Menschen in der Welt, wenn er denkt, glaubt und so handelt, er könne ich selbst von dieser Grundhaltung befreien.

Was ist das denn nun - Sünde, Laster und wie hängt das mit Luther zusammen? Vergleicht man die Vorstellung dessen, was Sünde sei, so werden zwischen dem, was wir Evangelischen seit Luther und die katholische Kirche bis heute darunter verstehen, die grundlegenden Unterschiede beider Kirchen deutlich.

Dies hat auch seine Auswirkung auf die Bedeutung des Gesetzes wie es im Evangeliumstext aus Römer 3, deutlich wird.

2.       Bibeltext A: Usus Legis

Usus legis - Wie muss das Gesetz im Blick auf die Sünde verstanden werden. Klassisch wird bei Luther das Gesetz in einem zweifachen Gebrauch unterschieden:

(1) Usus legis civilis - der bürgerliche Gesetzesgebrauch.
Das Gesetz ist dazu da, eingehalten zu werden. Wer das nicht tut, der muss bestraft werden. Und wer die Gesetz hält, ist eben ein "Guter".

Im Alten Testament sind 636 Gesetze einschließlich der 10 Gebote enthalten. Das ganze AT beschäftigt sich mit der Einhaltung des Gesetzes.

ABER bei Luther ist das Gesetz zu einem anderen Zweck da: Es soll uns zeigen, dass wir NICHT uns selbst erlösen können.

2. Dieser zweite Gebrauch des Gesetzes drückt sich auch im heutigen Predigttext aus:

21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.

22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:

23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen,

Welches sind die Bücher des AT, in denen von diesen Gesetzen geredet wird:

KONFIS - 5 Bücher Mose ... (hier haben die Konfirmanden die Bücher des AT im Wechsel aufgesagt) Genau. Hätten Sie es noch gewusst?

Aber (2) der ZWEITE Gebrauch des Gesetz ist: Das ganze Gesetz samt der 10 Gebote ist KEINE Gesetzesnorm, die es einzuhalten gilt, sondern die uns allein die UNMÖGLICHKEIT aufzeigt, Gott gegenüber gerecht zu werden.

Hier ist das Gesetz nicht mehr dem strafenden Misslingen unterworfen bei Luther, sondern der Erkenntnis. dass wir Menschen unsere Selbsterlösung, unsere Selbstsicherheit, unsere Selbstverstehen und unser Selbsttolerieren NICHTS bedeutet, außer - du gehst fehlt.

3.       Die Gerechtigkeit Gottes - das Evangelium der Gnade nicht des Ablasses und des sich verwinden/verkrümmen.

Sola Gratia dei - allein die Gnade Gottes ist es, der  um es versuchen einzuhalten, sondern

Und hören wir nochmals auf die Worte des Paulus im Römerbrief:

23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden

26 in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.

27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.

28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, [allein durch den Glauben; Zusatz NICHT im URTEXT].

Hier wird nun offenbar, was das Evangelium generell und im Kern des Glaubens verändert: Das Evangelium richtet uns auf und macht uns groß, stark, indem wir mit erhobenem Haupt der Welt und ihrer Gerechtigkeit entgegen treten können. Allein die Tat in Christus in Kreuz und Auferstehung ist es, die die Selbstverkrümmung des Menschen aufhebt. Und das alles ohne Werke, ohne Leistung oder Religionsshow. Hier wird nun das Evangelium deutlich, in der Schrift, der scpriptura, dem neuen Testament.

KONFIS -  Matthäus, Markus, Lukas, Johannes. ....(hier haben die Konfirmanden die Bücher des AT im Wechsel aufgesagt)

Hätten Sie es noch gewusst?

4.       Heute

Und was sagen uns diese 500 Jahre des Evangelischen?

1. Manchmal muss man mit einem dicken Hammer an die Tür klopfen, um Gehör und Aufmerksamkeit zu erhalten.

2. Man darf sich nicht irre machen lassen, durch Marktschreier oder tolle Marketingmethoden, die nur heiße Luft und kein Evangelium verkaufen. Deshalb ist es wesentlich, dass wir nicht Marketing machen, sondern Botschaft leben und verkünden.

3. Der Weg ist immer steinig, wenn wir eben nicht den Weg der Welt gehen wollen. Wir müssen nicht IN sein und modisch oder up to date. Gottes Date mit uns ist einfach ein Geschenk ohne Voraussetzungen.

4. Erfolg ist anstrebenswert. ABER wir säen nur. Gott lässt es wachsen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass meine Kirche aktuell darauf aus ist, Publikumserheischend und mit viel Papier, Fahnen und sonstiges Gedöns, die wahre Botschaft zu verdecken. Nichts an dem Kreuz und an der Auferstehung ist hipp, modisch oder in. Nichts an einer Kreuzigung ist geil. Und noch weniger ist das Leiden, Sterben und Auferstehen, eine für die Welt sichtbare Erfolgsgeschichte. Sie ist und bleibt eine Torheit.

5. Nur wer diese Torheit, diese Schizophrenie, diese Zwiespältigkeit Gottes in sich aufnehmen kann und erfährt, wird auch die Botschaft sola fide mit der Gratia Gottes und durch die scriptura letztlich erfahren können.

Unsere Aufgabe ist es den Kindern, der Nachbar und der Welt diese Botschaft zu verkünden. Das Leben ist ein Geschenk; gegeben um auch über den Tod hinaus am Leben teilzuhaben; nicht durch Verdienst, Leistung, werke oder Ansehen, sondern allein durch Gnade, die unverdient geschenkt wird.

Dieser Siegeszug begann vor, an und nach Golgatha; und nicht zuletzt durch diese Hammerschläge in Wittenberg vor 500 Jahre.

Die Thesen waren der Hammer in der damaligen Zeit. Weil ein Mönchlein es wagte die Welt mit ihren Ordnungen herauszufordern; allein mit Gott im Rücken.

Deshalb sitzen wir heute überhaupt hier und deshalb feiern wir unseren 500. Geburtstag.

AMEN.

 

Herr, schenke uns Kraft, Mut und die Zuversicht, die Luther einst hat mutig werden lassen, damit wir auch Evangelisch in Raunheim gestärkter als gestern, mutiger als bisher und  kampfesfreudiger deiner Botschaft Gehör und Anerkennung und Beachtung zu geben. Amen.