Thema: Bedingungslose Zukunft

Mk 9, 17-27

 

17 Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. (der ihn Stumm macht)

18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's nicht.

19 Er antwortete ihnen aber und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!

20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund.

21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf.

22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!

23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.

24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!

25 Als nun Jesus sah, dass die Menge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein!

26 Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot.

27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.

 

 

 

1.       Einleitung

Was macht hoffnungslos? Was lässt die Zukunft verblassen?

Was wirft uns als Menschen so tief in eine Hilflosigkeit, Traurigkeit, in ein Gefühl der Ohnmacht, dass es uns schier auf den Boden drückt?

Was nimmt uns die Kraft aufzustehen, das eigene Leben und das Leben um uns in die Hand zu nehmen, und wieder in das, was eigentliche Leben ausmacht, zurück zu kehren?

Wie ist das bei Ihnen? Wurden oder werden Sie von einer solchen tiefen Ohnmacht, ohnmächtig zu handeln, zu hoffen, zu glauben oder zu leben schon ergriffen? Wenn nicht - DANKEN SIE GOTT.

Denn in unserem Leben ist nichts so unglaublich erniedrigend, kräfteraubend wie das Gefühl gänzlich ausgeliefert zu sein.

Nicht mehr machen zu können, ist in unserer Gesellschaft wohl eines der schlimmsten Übel, die man erhalten kann.

Menschen - wie Samuel Koch, der sich das Genick vor laufender Kamera bei Wetten dass brach. Menschen - die sich aus der Ohnmacht wieder aufraffen und ihr Leben unter den neuen Bedingungen leben, sind die wahren Helden. Und gleichwohl gibt es solche Situationen im Leben.

Als eine meiner besten Freundinnen - schon jahrelang von einem sprachlosen Geist besessen - sich selbst in den Tod gab; Familien und die Kinder zurück ließ, da ist nichts im Angesicht der Machbarkeit der Welt mehr tragfähig. Oder als mein Vater sich aufgab und durch die Verweigerung von Essen und Trinken seinen letzten mühsamen Weg ging.

Oder Menschen, die anderen durch Mobbing und Scham ausgeliefert sind; die sich nicht mehr wehren zu wissen.

Oder Menschen, die durch eine den Tod bringen könnende Krankheit aus der Bahn geworfen werden.

Oder letztlich wir alle, die nun irgendwann uns schmerzhaft bewusst werden müssen, dass wir selbst sterben und nichts mehr vermögen.

Menschen, die in einen Hospizsituation stehen und bewusst in den eigenen Tod hinleben.

Oder auch Menschen, die sich in einer Beziehung, oder die sich durch Schulden, oder durch die Familie, oder durch die Arbeit gefangen fühlen quasi gefangen sind, und ohnmächtig nur noch dahinvegetieren.

Schritt für Schritt - jeden Tag einen eigene Geschichte, indem die Abläufe einander gleichen. Eine Tretmühle ohne Hoffnung.

Hoffnungslosigkeit entsteht auch, wenn eine Fülle von Rettungsversuche schief gehen, die Medikamente nicht anschlagen, das Mobbing weiter geht, die Beziehung nicht 'happy' endet; und die Arbeit oder Schule wie ein Stein auf den Schultern lastet. Die Zukunft ist allein der nächste Schritt, der nächste Tag, das Nächste was kommt. Hoffnungslos, ohne Zukunft.

Viele Menschen benötigen in dieser Phasen einen Halt. Wie Kinder sich an ihre Schnuffeltücher, Teddybären oder Schnuller klammern, erzeugen Phasen der eigenen Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit auch einen Hang zu greifbaren Rückzugsorten. Das ist gut so. Denn - auch wenn sich Ursachen für Hoffnungslosigkeit rational häufig erklären lassen, wie z.B. Krankheiten wie Demenz. Krebs oder Überschuldung oder Beziehungskrisen, so wenig können uns diese "Erklärungen" die emotionalen Abgründe erklären. Letztlich fällt Mann oder Frau oder Kind oder Jugendlicher in einen Abgrund der Hoffnungslosigkeit, weil es keinen Ausweg gibt oder zu geben scheint.

2.       Bibeltext

Der heutige Predigttext erzählt auch von einem derartigen Menschen. Einem Vater, der im Blick auf seinen epileptischen Sohn schier verzweifelt und hoffnungslos ist. Text lesen. Mk 9, 17-27

Ein Vater mit einem Kind benötigt Hilfe. Und Jesus und seine Jünger sind nicht die ersten, die er um Hilfe bittet.

Diese Geschichte des Markusevangeliums ist für uns in mehrere Hinsicht faszinierend. Für den Vater des epileptischen Kindes ist die Sache sicher nicht faszinierend, weil er komplett entmutigt und hoffnungslos nach scheinbar unzähligen Versuchen nach einer Heilung seines Sohnes immer wieder enttäuscht wurde. Für uns ist diese Wundererzählung um Jesus aus mehreren Gründen bedeutsam:

1. Ein Sohn, der einen stummen Geist hat, πνεuμα αλαλον (Sprachloser Geist) heißt es im Urtext. Darunter ist eine Krankheit zu verstehen, die den Menschen sprach- und kontaktlos macht. Die Beschreibungen des Krankheitsbildes verweisen auf einen - heute so genannten - epileptischen Anfall. Also ein Anfall durch plötzlich auftretende Entladungen von Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn.

2. Die Jünger sind ohnmächtig und können den Sohn nicht heilen. Und heilen bedeutet, dass das Besitzergreifende der Krankheit von dem Sohn genommen wird. Heilung bedeutet, aufrecht stehen und gehen und sein eigenes Leben wieder gestalten können.

3. Die Jünger sind Luschen. Anders kann man die scharfe Ansage Jesus an die Jünger nicht deuten: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! Jesus ist genervt von der Ohnmacht der Jünger, weil die mal wieder alles verbockt haben.

4. Als erstes sieht Jesus die Hoffnungslosigkeit des Vaters, die Ohnmacht, das Zerbrechen des Vaters an der Krankheit des Sohnes.  Und auch den Vater weist er zurecht. Er weist ihn zurecht weil er sich der Hoffnungslosigkeit, der scheinbaren Ausweglosigkeit ergeben hat. Wenn du was machen kannst, dann bitte. Hoffnungslosigkeit pur!

5. Glaube erzeugt nicht nur Hoffnung, sondern ist Gewissheit der Hoffnung auf Gelingen. Hier setzt Jesus ein. Hier weist er dem Hoffnungslosen seinen Weg. Wer sich der Hoffnungslosigkeit ergibt, ist auch faktisch ohne Hoffnung.

6. Manchmal bedarf es eines Hammerschlages, um dieses Selbstisolierung aufzugeben. Was faselst du da Mann. Wer kann? Was soll das, Mann? Alle Dinge sind möglich dem der glaubt. Glaube ist Hoffnung - das die Botschaft; Hoffnung auf eine Zukunft.

7. Letztlich wissen wir aus der Geschichte nur, dass Jesus sodann - wie auch immer - einen epileptischen Anfall auslöst und wartet bis dieser vorbei ist. Der Sohn hat sich verausgabt und Jesus richtet ihn auf. Er richtet auf, dass die Hoffnungslosigkeit durch Glauben zur Hoffnung für eine Zukunft wird.

Wir wissen nicht, ob Jesus die Krankheit geheilt ist oder ob der in sich verkrümmte Sohn nun durch Jesus gelernt hat, mit der Krankheit umzugehen. Letztlich ist das unerheblich. Denn ein Wunder ist es auf jeden Fall; nämlich ein Wunder, dass die Hoffnung und die Zukunftsfähigkeit des Sohnes und des Vater zurück kommen.

3.       Christus

Und das ist auch die Botschaft: Dieser Jesus, den wir nur als Christus, als Gekreuzigten und Auferstandenen haben, bringt uns zurück in den Glauben der Hoffnung, er bringt zurück in die Zukunftsfähigkeit des eigenen Lebens. Auf die Füße und voraus - meint man verkürzt zu hören.

Die Botschaft des Evangeliums ist so klein und so groß wie unsere Geschichte: Der Glaube ist es, der die Hoffnung trägt. Der Glaube ist die Gewissheit, dass dieses Leben eben eine Zukunft haben darf und kann.

Der Glaube ist es auch, dass in Kreuz und Auferstehung, das Leben eine Zukunft über den Tod hinaus hat. Also - Aufstehen, Kopf hoch, mutig vor an. Das Leben liegt vor dir und nicht hinter dir. Lege deine kindlichen Schnuffeltücher, deine liebgewonnenen Gewohnheiten ab und tritt ein in die Zukunft, die Gott dir schenkt. Isoliere dich nicht mit Devotionalien, nicht mit Geld (darüber rede ich dann nächste Woche bei der Geschichte vom reichen Jüngling, wie man sich mit Geld und materiellen Sachen isoliert), nicht mit falschen Traditionen und nicht mit isolierten Gedanken selbst hoffnungslos machen kann.

4.       Heute - Eintreten in die Zukunft; bedingungslos

Wenn man aktuell in die Zeit hineinblickt, hat man häufig den Eindruck, dass das Schnuffeln am Schnuffeltuch die einzige Lösung sei. Die Welt von Gestern wird zur Zukunft von Morgen stilisiert. Da werden Ersatzhoffnungen zu Heilsbringern erhoben. Leute, welch ein Unsinn!

Hoffnung ist morgen. Vergangenheit ist Tot. Das ist die Botschaft des Evangeliums. Keine Tradition, keine Gegenstände, kein Status und erst recht keine angehäuften Wichtigkeiten machen uns fähig in die Zukunft Gottes einzutreten.

Nichts rettet uns; außer dem Glauben an die Hoffnung. Das muss scheinbar immer wieder deutlich gemacht werden. Traditionen, einzelne Gegenstände, Hoffnungen auf Vergangenheit - das sind Ersatzhoffnung. Tot.  haben dürfen. Gerade in einer Zeit, wo viele Menschen meinen, dass in Es gab Zeiten, das wurde das Heil in Knochen, Fingernägeln, Hirnschalen oder Haaren von Heiligen gesucht - so als ob diese eine besonderen Hoffnung er Zukunft in sich tragen. Nichts von diesem trägt die Gottes Hoffnung. Kein Knochen eines Heiligen, keine Stiftung, keine Oblate und auch kein Kruzifix in unserem evangelischen Glauben. Der Glaube ist PUR. Die Zukunft Gottes ist bedingungslos. Wir benötigen diesen Weltlichen Dinge nicht. Selbst ein heiliger Gral, also der Kelch aus dem Jesus beim Abendmahl trank, oder ein Holzsplitter vom Kreuz Jesu, noch ein Leichentuch oder sonst etwas. NICHTS von diesen Dingen trägt die Gnade Gottes, die Hoffnung der Zukunft in sich. Das ist die Botschaft heute: der Glaube allein ist diese Hoffnung. Nichts sonst. E gibt keine evangelischen Schnuffeltücher, um sich des Heils, der Heilung in Christus zu vergewissern.

Also lasst uns wie evangelische Erwachsene vorgehen; auch wenn es um das Altarkruzifix hier in Pfarrkirche am Main geht.

Das heißt nicht, dass wir nicht an Traditionen hängen und diese als eine gewohnheitsmäßige Sache und nur als solche ansehen, verwenden und ggf. verändern müssen. Aber ob das Kruzifix da steht oder nicht, das entscheidet doch nicht über den Glauben! Leute, bitte. Wenn wir etwas in unserem evangelischen Leben wissen, dann ist es die Botschaft von letztem Sonntag mit dem reichen Kornbauer. Wenn wir uns an das Irdische hängen; und sei es nur an ein Gebäude, eine Ordnung oder ein Kruzifix, dann sich wir der Aussage Gottes unterworfen: DU NARR, heute nach wird deine Seele von dir gefordert, und was hilft dann das alles?

Ich danke jenen, die Zukunft ohne Vergangenheit kritisch betrachten; Ihnen Herr Radlinger. Ich bitte Sie das auch weiterhin zu tun. Aber - auch darüber haben wir geredet - vernünftig. Genauso erwarte ich vom Kirchenvorstand und allen anderen Evangelischen, sich nicht in Banalitäten aufzuhalten, sondern aufgrund der geglaubten Hoffnung in Christus das Heil bringt; und kein Stück Holz - wer auch immer es geschnitzt, gestiftet oder beigebracht hat. Wer sich - und das ist die Botschaft aus dem heutigen Evangelium - in derartige Dinge hineinsteigert, sucht einen falschen Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit. Also - Bonifacius ist nicht durch das Germanien gezogen um heilige Bäume zu fällen, damit wir wieder beschnitzte Bäume zu einem neuen Fetisch machen. Zukunft ist die Herausforderung. Wir konservieren keine Grabtücher!

Die Botschaft macht deutlich: Kopf hoch, der eigener Zukunft geglaubt und hoffnungsvoll in die Augen schauen und gerüstet sein, dem, was uns auf über den Tod hinaus erwartet. Das ist die Zukunft, bedingungslos.

Jesus ruft uns heute wie den Jüngern im Predigttext zu: Meine Güte Raunheim, was soll das? Wie lange soll ich das von euch noch ertragen? Ihr habt meine Hoffnung und Gnade, unverbrüchlich, also seit als Geschwister fähig sich dieser würdig zu erweisen! Wir klären das - mit notwendigen evangelischen Ruhe und Souveränität; gerne durch Unterschriftenaktionen, Gemeindeversammlungen oder was auch immer. Amen.

 

Herr, schenke Gelassenheit und Mut, Einsicht und Aufrichtigkeit, Glauben und Hoffnung; und das wir den Kopf hoch bekommen. Amen.