Trauansprache Philipp Schauwienold / Theresa Göllnitz am 15. Juli 2017 in der St. Bonifatius Kirche in Bad Nauheim (Katholische Trauung mit evangelischem Beistand)

Bibellesung:

1. Johannes 3, 18-24 & 4,16

3, 18 Meine Kinder, unsere Liebe darf nicht nur aus schönen Worten bestehen. Sie muss sich in Taten zeigen, die der Wahrheit* entsprechen: der Liebe, die Gott uns erwiesen hat.

19 Daran werden wir erkennen, dass die Wahrheit Gottes unser Leben bestimmt. Damit werden wir auch unser Herz vor Gott beruhigen können,

20 wenn es uns anklagt, weil unsere Liebe doch immer Stückwerk bleibt. Denn wir dürfen wissen: Gott ist größer als unser Herz und weiß alles, er kennt unser Bemühen wie unsere Grenzen.

21 Ihr Lieben, wenn unser Herz uns nicht mehr anklagt, dann können wir mit Zuversicht zu Gott aufschauen.

22 Wir erhalten von ihm, worum wir bitten, weil wir seine Gebote befolgen und tun, was ihm gefällt.

23 Sein Gebot ist: Wir sollen uns zu seinem Sohn* Jesus Christus bekennen und einander so lieben, wie er es uns befohlen hat.

24 Wer Gottes Gebot befolgt, bleibt mit Gott verbunden und Gott mit ihm. Durch den Geist*, den er uns gegeben hat, wissen wir, dass Gott in uns lebt.

4, 16b: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm.

 

DARAUS der Trautext: 1. Joh 3, 19/20

1. Einleitung

Die Frage nach dem gelingenden Leben wird - vereinfacht ausgedrückt -nach zwei völlig unterschiedlichen Modellen beantwortet.

Auf der einen Seite gibt es Menschen, die der Ansicht sind, das ein gelingendes Leben als Idealbild, als homogene Welt hinter der wirklichen Welt existiert. Das eigene Leben sei somit nach diesem Idealbild vom gelingendem Leben auszurichten. Diese Idealwelt, die dieses gelingende Leben hervorbringt, wird schon seit der altgriechischen Philosophie bei Plato gehuldigt und hat so wesentlichen Einzug auch in unser neuzeitliches Denken erhalten. Betrachtet man die Welt unvoreingenommen, so ist an vielen Stellen dieses idealtypische Denken sichtbar. In Fernsehsendungen, in Zeitschriften, in Vorstellungen wie Leben durch eine Anpassung an das Ideal idyllisch gelingen kann. Gerade die Werbung versucht uns, dieses Ideal von Schönheit, Mobilität, Familie, auch Ehe zu verkaufen. sSo brennen sich uns Bilder in den Kopf, wie es eigentlich sein müsste.

Dieser Idealwelt des gelingenden Lebens gegenüber steht die andere Sichtweise, wie gelingendes Leben für uns geschehen kann. In dieser anderen Sichtweise geht es nicht darum, was als Idealbild dahinter ist, also was Eigentlich das Leben ausmacht. Sondern nach dieser Sichtweise geht es recht handfest zu: Das Motto hier ist denkbar einfach - denkt man. Gelingendes Leben ist nur das, was man nicht nach einem Wunschbild nachbaut, sondern das Leben welches wir selbst gestalten. Demnach ist nicht Ideal, sondern ein nur zu gestaltendes Leben. Jeder wird - nach dieser Vorstellung -  ist seines eigenen Glückes Schmied und man muss nur das Eisen, also das Leben, den Beruf oder die Liebe, nur heiß genug schmieden, dann wir es sich schon ein gelingendes erweisen. Fehler sind dabei eingeplant und Herausforderungen und zu bewältigen. Das Idealbild eines gelingenden Lebens wird als Illusion erkannt und behandelt und damit gänzlich zur Seite geschoben, um die Zukunft in eine gestaltbare Größe zu bekommen.

Bleiben wir realistisch, so sind beide Vorstellung schlicht mit Stress verbunden. Keines der beiden Modelle vermag es, gelingendes Leben als eine zu gestaltende oder nachzubildende Lebensaufgabe letztlich zu erreichen.

Einerseits muss einem - gänzlich unklaren und meist völlig verschwommenen Idealbild - das eigene Leben fast Puppenstubenhaft untergeordnet werden. Romantik entsteht nur dann, wenn das Ideal, ideal auch umgesetzt wird. Eine schlicht aussichtlose Sache. Und noch so viel Tüll und Tüttelkram schaffen es letztlich nicht, das eigene Leben mit dem erträumten Deckungsgleich zu machen.

Andererseits überfordert aber auch die Idee des gelingenden Leben, welches wir selbst in die Hand nehmen sollen und es nur an uns liegt, das Leben als gelingendes zu Bauen und zu gestalten. Rückschläge, Unvermögen oder auch schlicht die fehlenden Ressourcen bilden oft ein Hindernis, dass die Tellerwäscherstrategie des Strebens nach Glück sich auch realisieren lässt. Da sind dann die Socken oder das Hemd, welche eben nicht gewaschen oder gebügelt sind oder die S Bahn fährt einem vor der Nase weg. Oder der Job ist gut aber zu schlecht bezahlt. Unterforderung kreuzt sich mit Überforderung und nicht jeder ist seines Glückes Schmied.

2. Trautext

Nun - Ihr werdet heute getraut. Auch die Ehe ist häufig diesen beiden Strategien ausgesetzt. Stressig kann es vor allem dann werden, wenn beide Ehepartner unterschiedlichen Modellen von gelingendem Leben oder gelingender Partnerschaft anhängen.

Theresa, Philipp - eigentlich und uneigentlich kenne ich euch nicht. Aber manchmal hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass eure herzen durchaus auch diesen unterschiedlichen Takt schlagen.

Und nun - das ist eigentlich die Botschaft, die mit dem Schreiber des Johannesbriefes euch beiden und uns allen zugesprochen wird.

Modelle sind gut. Gut, WENN wir wissen, dass es Modelle sind. Modelle die niemals unsere, eure, meine, deine Wirklichkeit werden, sondern Hilfsmittel der Getsaltung des eigenen Lebens. Ob sich das Leben als gelingendes, ob sich eure Ehe, eure Partnerschaft als erfüllt und gelingend und ob sich die Erziehung von Leonie als gelingende erweist - das alles ist ...Stückwerk.

1. Joh 3, 19f: "19Daran werden wir erkennen, dass die Wahrheit Gottes unser Leben bestimmt. Damit werden wir auch unser Herz vor Gott beruhigen können, 20wenn es uns anklagt, weil unsere Liebe doch immer Stückwerk bleibt. Denn wir dürfen wissen: Gott ist größer als unser Herz und weiß alles, er kennt unser Bemühen wie unsere Grenzen. "

Wer auch immer der Verfasser dieser Johanneischen Briefe ist, er hat eine untrügliche Nähe zum Evangelium nach Johannes. Entscheidend für ihn ist dabei die Verbindung von Gott und Welt. Diese Verbindung Gott einerseits und Welt andererseits wird darin deutlich, dass allein die Verbindung beider Welten, der Welt Gottes und der Welt der Menschen in einer Einheit hineingebracht wird. Diese Einheit wiegt mehr als jede Einheit für sich.

3. Übertragung

Und ... Ohne die Welt Gottes, ohne die Liebe, die sich in Christus der Welt gegenüber zeigt, ist unserer aller Bestreben nach einer heilen, romantischen, homogenen, lieben, netten und friedvollen Welt lediglich ein Modell oder jemals über den Modellcharakter hinaus zu kommen. Mit einem Flugzeugmodell werden wir nicht zum Fliegen kommen. Mit einem Bootsmodell werden nicht Flüsse oder Meere überwinden können. Und mit Modellen für gelingendes Leben werden wir niemals Leben so leben können, dass uns das Gelingen für Liebe, für Partnerschaft, für Erziehung auch nur annähernd gelingt; auch euch nicht!

Jedes Rennen nach Einheit, jedes Streben nach Glück, jedes Verlangen nach Sexualität und jedes Hoffen auf das gelingende Leben kann nur unter einer Prämisse letztlich - Bruchstückhaft - in eine Richtung weisen. In eine Richtung weisen, die den Hauch, den Ansatz, die Vermutung, das Sehnen nach erlebter Einheit, erreichtem Glück, erfüllter Sexualität und nach gelungenen Lebenshoffnungen letztlich - jenseits aller Modelle und - Illusionen von gelingendem Leben - wirklich werden lassen kann.

So ist es letztlich unerheblich, ob man einem Modell vom gelingenden Leben anhängt; denn beide sind Illusionen. Und wenn wir und ihr es nicht vermögt, euch von diesen Modellen und deren Illusionen zu trennen, dann wir es schwierig. Hört auf damit. Denn das Leben ist häufig gerade anderes als dieses Streben an gelingendem Leben. Es gelingt, es misslingt. UND VOR ALLEM - ist es NORMAL. Das Normale ist das Leben und niemals das Außergewöhnliche. Leben ist niemals als Modell lebbar. Ein Puppenhaus oder ein Supergestalter der Zukunft. Die große Weisheit und Gewissheit liegt gerade darin, dass wir Stückwerk sind und bleiben; UND BLEIBEN DÜRFEN.

Leben kann nur gelebt werden in seinen Frakturen, seinen Brüchen und seinen unglaublichen schönen Momenten, die durchsetzt sind , getragen, verletzt und auch gelebt werden von Trauer, Einfalt und Hoffnungslosigkeit. Das ist das Leben, so gänzlich normal und jenseits aller Modelle.

Denn: Gott ist größer als unser Herz. Unsere Liebe kann, darf und wird Stückwerk bleiben, weil dies die große Hoffnung für euch, für eure Ehe und eure Erziehung ist: Ihr seid getragen in dem, der mehr ist als Modell, Hoffnung oder Glück. In Christus. Amen.