Thema: Entscheiden & Verantworten - Wie man sich richtig zum Deppen machen kann.

1. Mose 50, 15-21

Josefs Edelmut

15 Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben.

16 Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach:

17 So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte.

18 Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte.

19 Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt?

20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.

21 So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

 

 

1.       Einleitung

Was schätzen Sie: Wie viele wesentliche Entscheidungen haben Sie in Ihrem Leben getroffen. Und ich meine dabei Entscheidungen, die wirklich wichtig waren. Wie viele? 2, 3, 5, 10 oder mehr? Dabei geht es nicht unbedingt um die Frage welchen Haarschnitt oder Kleidung man tragen soll. Es geht um solche Entscheidungen, die den Lebensweg und die Entwicklung im eigenen Leben wesentlich - also nachhaltig - bestimmen. Also Entscheidungen, die die eigene Zukunft auf einen neuen Weg bringen. Und dabei ist dieser Weg nicht unbedingt ein Weg, der immer in die richtige Richtung läuft, sondern es gibt natürlich auch wesentliche Entscheidungen, die sich als falsch herausstellen und eher das Leben aus der Hand nehmen; durch eine Zusage, eine Unterschrift unter einen Kredit oder Vertrag, durch eine finanzielle oder emotionale Abhängigkeit, die einem  in eine sehr schwierige Lage bringt oder gebracht hat.

Und nicht alles lässt sich mit dem romantischen Satz "Alles wird gut" wegwischen.

Was sind solche Entscheidungsfragen, die unseren Weg vorzeichnen und letztlich dann auch ein Lebenszeit lang bestimmen können.

Auf welche Schule gehe ich? Wie engagiere ich mich in der Schule, um welche Noten zu erhalten?

Welche Ausbildung oder Beruf oder welches Studium ergreife ich?

Wer soll mein Partner/meine Partnerin sein, die den Lebensweg mitgeht? Oder ist eine Trennung der bessere Weg?

Welche wesentlichen finanziellen Belastungen nehme ich auf mich? Wo und wie will ich wohnen? Wie will ich mich fester binden oder trennen? Ist ein Kind eine gute Entscheidung? Soll ich den Berufswechsel, die zweite Ausbildung oder das neue Leben probieren? Wie werde ich im Alter noch leben können?

Wenn Sie nun mal in sich schauen, wie viele dieser wesentlichen Entscheidungen haben Sie in Ihrem Leben getroffen. Und - Haben Sie diese Entscheidungen getroffen? Oder wurden die  Entscheidungen von andern für Sie getroffen?

Das größte Dilemma dieser Entscheidungen sind die Auswirkungen. Wer nach Frankfurt fährt, fährt nicht nach Mainz. Wer ein Haus kauft, mietet keine Wohnung. Wer heiratet, bindet sich an diese und nicht an einen andere Person. Wer ein Kind bekommt, kann es nicht abgeben.

Entscheidung reduzieren die Vielfalt der Möglichkeiten. Und das besondere an den wesentlichen Entscheidungen ist, dass man häufig eben nicht mal sagen kann; Upps - ein Haus gekauft, wollte ich nicht. Upps geheiratet- Fehler. Upps - Studiert, aber nicht mein Ding. Upps ein Kind?

Die Reduzierung von Möglichkeiten kann einerseits befreiend sein, weil man eben nicht mehr entscheiden muss, ziehe ich heute rot, weiß oder blau an oder fahre och mit dem Auto oder Zug in den Urlaub?

Andererseits ist die Entscheidung auch immer mit Makel besetzt, dass es noch etwas Besseres gäbe an Kleidung, Auto, Preis, Partner oder Haus.  Dieses Verhalten hat sogar einen Namen: Kognitive Dissonanz. Gefühlte Unstimmigkeit mit der Entscheidung. Darunter versteht man die Angst, Reue, sich falsch entschieden zu haben. Auto zu teuer, falsche Schuhe, Mist Arbeitsstelle, ..Und so stellt sich die Welt auf diese Ängste ein und befördert sie. Umtauschgarantieren, Partnerrückgaberechte bei Tinder, keine Bindung kein Enttäuschung.

2.       Bibeltext

Predigttext lesen: 1. Mose 50, 15-21

Die Josefsgeschichte im ersten Buch des Alten Testaments schließt die sogenannten Vätergeschichten ab. Abraham, Isaak,  Jakob und abschließend die Josefsgeschichte in den Kapitel 37 bis 50 des ersten Buch Moses.

Josef der Lieblingssohn (Letztgeborener) Jakobs wird von den Brüdern nach Ägypten verkauft und dort nach dem Sklavendienst zu einer wichtiger Person. Josef kann in die Zukunft sehen und diese erkennen und deuten. Er kann Träume des Pharaos mit den sieben fetten und mageren Ähren und Kühen deuten und wir zu einem wichtige Strategen in Ägypten.

Josef - und manche Menschen haben auch heute noch die Gabe, Zukunft zu erfassen (wie eben die Freunde, wenn man sich nur ums sich selbst dreht und für alle - außer uns selbst sichtbar zum Deppen macht)

Der verkaufte Bruder ist es, der nicht mit Häme und Rache zurück schlägt, sondern - selbst die üble Handlung an ihm selbst - letztlich als eine falsche Handlung aus falschen Motiven bestimmt.

Und so endet die Josefsgeschichte und damit das Schöpfungsbuch unserer Bibel nicht mit Rache sondern mit Verständnis und der Gewissheit, dass Zukunft eben nicht gänzlich mit einer Entscheidung vernichtet werden kann; selbst wenn es im Moment den Anschein hat.

Dass die Josefsbrüder aus wirtschaftlichen Gründen zu den Flüchtlingen aus dem eigenen Land und Migranten der Ägypter werden und letztlich darunter zu leiden haben, sei nur am Rande erwähnt.

3.       Christus Gnade ist auch mit Fehlern zugesagt

Als evangelische Christen trägt diese Geschichte noch einen tieferen Sinn. Betrachten wir unser  Leben im Blickwinkel der Heilstat von Kreuz und Auferstehung Christi wird deutlich:  Gott selbst hat sich für uns eingesetzt, obwohl wir uns gegenüber ihm und der Welt zum Deppen machen.

Wir wollen aus uns selbst heraus leben. Wir wollen unser Wohl und vergessen dabei die Zeit, wie es war als wir uns so schäbig, so verletzlich, so deppenhaft angestellt haben, dass es uns Scham in die Backen treibt.

Die Botschaft heute ist einfach: Gott steht für uns ein, weil wir - wie der heutige Sonntag ausführt, weil wir die Sünder sind, die es nicht packen.

Das ist das Evangelium, welches wir zu verkünden haben. Gott trägt dich und mich. Eine Beurteilung ein Häme steht uns nicht zu. Was uns zusteht ist  das Angebot zur Hilfe.

4.       Heute

Wie fasst man das heute?

Ich habe mich in meinem Leben mit einer Weisheit angefreundet. Diese Weisheit lautet: Jeder darf sich im Leben fünf Mal selbst zum Deppen machen. Das mag sich etwas komisch anhören in einer Zeit, wo alles so perfekt und stylisch und homogen sein soll. Sich fünf Mal im Leben zum Deppen machen zu dürfen - das ist aber eine Erfahrung, die mir in meiner Arbeit bei Ehe- und Partnerschaftsberatung gute Dienste geleistet hat. Diese Weisheit entlastet und öffnet wieder den Horizont für die Zukunft. Ich muss mich nicht schämen, weil alle sich mal zum Deppen machen.  

Da hat man oder frau sich doch glatt in den Falschen verliebt und ist wie ein Depp (Deppin) eine Zeitlang rumgezogen. Nun ist es höchst peinlich, was man/frau alles für einen kindischen Unsinn angestellt hat. Sicher - nachher weiß man/frau - es besser. Viele andere auch, dass das, was man gemacht hat, schlicht ein Griff in die Schüssel war. Und wenn es nichts mehr zu beschönigen gibt, ein nur die Erkenntnis, man warst du dämlich, dann öffnet sich da Leben wieder.

Oder der ach so tolle neue Job, die Gelegenheit zu Modeln, das Haus bei den Niedrigzinsen - alles mögliche Entscheidungen, die nur darauf warten, die Deppenkarte zu ziehen.

Und wissen Sie. Tragisch sind nicht die Fehler, nicht das zum Deppen machen. Tragisch ist es, wenn Menschen diesen Fehler nicht sehen und weiter in einer Scheinwelt leben wollen. Falsche Entscheidungen: Upps der Becker ist bankrott. Nun es geht sicher nicht um meine Person also den Dieter von den Beckers, sondern um das Bum-Bum der Deutschen, also Boris.

Ja auch hier gilt: Er darf sich zum Deppen machen, weil er - wie auch immer - finanziell  gerade einen Engpass durch macht. Ob er die fünf schon verbraucht hat, nicht wichtig. Es ist völlig in Ordnung, wenn - und das ist wesentlich - nicht auf die verpassten Chancen wettert, sondern sich mutig und zielsicher der Zukunft stellt. 

Auch deshalb haben wir in Raunheim eine Bedürftigensatzung eingeführt, um Menschen zu helfen, sicher nicht für Boris, sondern jenen, die sich an uns wenden, um wieder auf die Füße zu kommen.

Die nette Sache sich über die anderen Deppen lustig zu machen, ist weit verbreitet. Aber - und das ist das evangelische (auch wenn Boris katholisch ist, selbst wenn er evangelisch in 2009 geheiratet hat; nun auch den Pfarrer der 7000 Franken für die Hochzeit wollte, hat er anfangs nicht bezahlt.) wir gestehen dem anderen sein Scheitern und seine fehlerhafte Entscheidung zu.

Wie Josef es an seinen Brüder verdeutlicht: Auch wir sind nicht "Gott", der richten darf. Sondern unsere Aufgabe ist es, gerade Verständnis für das Scheitern aufzubringen. Nicht weil wir auch scheitern, sondern weil Gott uns unser Scheitern nicht anrechnet.

Weil wir im Scheitern unserer Existenz von Gott in Christo gehalten und getragen sind - gegen alle Vernunft - deshalb haben wir nicht nur Verständnis - statt Schadenfreude, nun ja weniger Schadenfreude - sondern nehmen auch die Hoffnung auf, dass diese Menschen, die heute sich zum Deppen machen, morgen wieder in der neuen Hoffnung Zukunft ge­stalten können.

Wir als Evangelische sehen Zukunft. Denn es gilt für uns: Früchte dich nicht, denn dein Leben ist in Gottes Hand; selbst wenn du bankrott, verlassen oder gescheitert bist.

Und - was eigentlich viel wichtiger ist - Fürchte dich nicht , wenn es dir gut geht, denn auch dann bist du getragen. Öffne dann aber die Augen für die, die deiner Hilfe bedürfen.

Denn - wie viele Mal darfst du dich, ich mich noch zum Deppen machen?

Amen

Herr, mache uns bereit, Fehler zu sehen und Zukunft zu gestalten. Amen