Thema: das Richtige im richtigen Moment

Mk 14, 3-9 Die Salbung in Betanien

3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.

4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?

5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.

8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.

9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.


 

1.       Einleitung

Wann hatten Sie das letzte mal 6 Richtige in ihrem Leben? Mal so 1, 10 oder 20 Millionen zu gewinnen. Wann war das das letzte mal bei Ihnen ? Noch nie?

Nun - ich habe eigentlich immer 6 Richtige - nach jeder Ziehung; nur hab ich vergessen, den Lottoschein abzugeben. Ärgerlich. Richtig ärgerlich. Wieder den richtigen Moment verpasst, um das Richtige zu tun. Da wäre doch so was wie eine Zeitmaschine Klasse. Schwupp - mal zurück in das Jahr der Berufs-, Partner-, Auto-, Hausbau-, Kreditwahl, zurück vor die letzte Klassen-/Examensarbeit oder vor eine schlicht verkehrte Entscheidung des Lebens - und alles noch mal auf Null setzen. Neu anfangen, an dem Punkt, an dem man das Falsche im richtigen Moment gemacht hat. Wir beamen uns zurück in die Vergangenheit und ändern unser Leben. Wie vieles könnten wir dann besser haben, besser gemacht haben, vor allem das Richtige im Leben für einem selbst. Dann wäre das Leben eigentlich erst richtig, wenn wir das tun könnten. Oder? Die Vergangenheit zu verändern, um die Fehler von damals auszumerzen, die uns so schmerzlich, langatmig oder schlicht quälend verfolgen. Im Grunde ist dies der Versuch, das Leben in seinem Galopp so zu verändern, während man im Parcourritt zurück blickt. Nur - wer auf dem Pferd sitzt und zurück blickt, oder wie die Bibel ausführt, am Pflug steht und zurückblickt, kommt ins Schlingern.

Der Blick zurück, wenn wir uns in diesem Moment entscheiden müssen, führt unweigerlich zu einem falschen Moment. Schwupp, der Moment ist vertan und ich hänge der verpassten Chance hinterher. Und es wird immer schwieriger diesen Fehler dann zu korrigieren. Der folgende Weg, der beschritten wurde, kann sicher nochmals und nochmals anders beschritten werden, aber die Anzahl der Korrekturversuche ist im richtigen Leben begrenzt.

Denn nicht jeden Tag grüßt das Murmeltier erneut - wie in dem berühmten, o.k. älteren Film mit Bill Murray. Ich erhalte halt nicht jeden Tage die Chance, die Fehler zu korrigieren, die ich gestern gemacht habe, weil ich den richtigen Moment verpasst habe. Ich muss mit dem, was gestern war, entschieden wurden, als Ergebnis bei der Klausur oder Prüfung raus kam, nur eines -  schlicht damit leben, dass der Moment vertan war und ist.

In 50 Jahren, also seit Ihrer Konfirmation fallen so einige Entscheidungsmomente an, die nun - entscheiden oder nicht entschieden, auf jeden Fall Leben verändert haben. Sie - wir alle müssen damit Leben. Und das ist ja die Erkenntnis der Konfirmation, also wenn man evangelisch mit 14 oder 15 oder 16 Jahren zum kirchlich Erwachsenen wird.

Andererseits sind es gerade die richtigen Entscheidungen im richtigen Moment, die Leben wesentlich auf die Spur setzen und in eine Bahn bringen können, dass das Zurückblicken nicht zu einer Qual wird, sondern durchaus Freude bereitet. Und manchmal, nur manchmal in einem langen Leben erleben wir Momente, in denen wir sagen: JA. JA - das war genau der richtige Moment. JACH - wäre ich doch mal gestern zum Konfi Projekt Schaukasten gekommen. Super Chance. Genutzt oder vertan? Diese tollen Momente im Leben betrachten wir häufig im Nachhinein wie ein Wunder der eigenen Lebensleistung. Etwas, was wir uns selbst nicht zugetraut oder vermutet hätte. Momente, in denen wir über uns selbst hinaus gewachsenen sind und letztlich es die Momente im Leben sind, die uns auf-, ausbauen und wesentlich weiterbringen.

2.       Bibeltext

Gerade um diese Frage, was es bedeutet im richtige Moment das Richtige zu tun, geht es heute im Predigttext. Predigttext lesen: Mk 10, 3-9
Diese kleine Geschichte im neuen Testament, die Erzählung der Salbung Jesus durch eine (meist) unbekannte Frau finden sich in allen 4 Evangelien. Bei Matthäus ist die Geschichte wie im Evangelium nach Markus eingebettet in die Karwoche, die wir heute mit Palmsonntag beginnen. Beim Evangelisten Lukas salbt die Unbekannte, die dort "große Sünderin" genannt wird, Jesu Füße und nicht das Haupt. Bei Johannes ist es Maria, die Schwester des auferweckten Lazarus, die Jesus die Füße salbt; unmittelbar vor Palmsonntag. In allen Fälle ist das Öl unverschämt teuer. Bei Johannes wird von 300 Denare gesprochen; das wären heute ca. 30.000 €. Das Öl der Narde, einer Pflanze aus dem Himalaya (wächst ab 2500 m Höhe) galt seit jeher als besonders heilsam und würdig. Es wird aus der Wurzel der Nardenpflanze durch Destillation gewonnen. Wir wissen nicht, woher die unbekannte Frau das Öl hat. Es tut auch nichts zur Sache. Sie salbt Jesus in einem höchst innigen Akt wie sonst nur Könige oder Verstorbene gesalbt und geehrt werden.

Die Debatte um den Wert des nun - aus Sicht der Männer - verwendeten Öls wird in allen Erzählungen berichtet. Auch wird von Jesu brüsken Zurechtweisung berichtet.

6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.

Es ist eine harte Rede gegen die Jünger, die scheinbar meinten, Jesu Einsatz für die Armen und Entrechteten verstanden zu haben. Aber nein. Die Jünger werden heftig in die Schranken gewiesen. Allein diese Art der Erzählung macht deutlich, wie hoch der Wahrheitsgehalt dieser Begebenheit sein muss.

Und Markus baut die Geschichte in sein Evangelium in die Karwoche ein. Das Evangelium ist um das Jahr 70 nach Christus geschrieben; unmittelbar nach der Zerstörung des Tempel in Jerusalem im Jahr 70.
Und Markus redet und schreibt gegen die Endzeitstimmung. Er versucht - unter dem Eindruck des verheerenden Kriegs mit - wie Tacitus als Augenzeuge berichtet - über 1 Millionen toten Juden die Gedanken an ein Weltende zu verdängen. Vielmehr geht es um Hoffnung, den Moment wie bei der unbekannten Frau, die sich nicht an dem Geschwätz und der Besserwisserei der Männer stört. Sie nutzt den Moment. Sie lebt ihn.

3.       Christus

Betrachtet man die Geschichte im Sinne der Heilsbotschaft von Kreuz und Auferstehung in der Karwochen und an Ostern wird die Salbung Jesu als vorauslaufende Ehrung des Leben in seinem Tod deutlich:

8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.

9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Was hat Sie getan diese Frau? Sie hat schlicht nichts anderes getan, als im richtigen Moment auf ihr Herz und Sinne zu hören und das getan, was getan werden musste. Sie hat in diesem einen Moment, alle Zuneigung, alle Zukunftshoffnung, alle Liebe in einer Handlung vereint, die nicht übertroffen werden kann. Sie hat das Richtige im richtigen Moment getan; gegen alle noch so Rationalen Bedenken. Sie allein hat den Moment der innigen, gemeinsamen Zukunft ergriffen und mit dem gefüllt, was Zukunft letztlich nur ausmacht: Eine Hoffnung zu setzen auf das Richtige.

Wir befinden uns mit der Geschichte wahrscheinlich kurz vor Karfreitag. Kurz vor dem, was den Untergang aller selbst gesetzten Hoffnungen, Planungen und Handlungen vorhergeht. Diese Frau allein nimmt Zeit aus der Gegenwart. Sie bremst, Sie bewahrt den Moment für ihre eigene Zukunft. Das ist die Botschaft: Das Richtige im richtigen Moment ist ein edles Gefäß und Gewissheit für die eigene erfüllte Zukunft.

4.       Heute

Das Richtige im richtigen Moment zu tun, so zu handeln. Wie ist das? Eins zu sein, mit seinen Wünschen, Sehnsüchten, Erfahrungen und allen Bedürfnissen und dies in einer kleinen und großen Handlung zu erleben - das ist die Botschaft, um dies es heute an Palmsonntag. An dem heutigen Sonntag, wo gejubelt und gewedelt wird. An dem Sonntag, wo das Ende und der Neuanfang in unmittelbare Nähe gerät durch das Foltern und das Todesurteil und das Kreuzigen Jesus.
Und zuletzt: Die Auferstehung für eine neue Zukunft, die uns die Chance gibt: Heute und morgen einen Neuanfang zu wagen.
Das ist keine Zeitreise, um Fehler der Vergangenheit zu ändern oder um das Gute für immer in einem Gefäß einzuschließen und diesem Guten nachzutrauern. Die Botschaft der Auferstehung ist denkbar einfach, an die wir uns durch die Karwoche durch Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag hindurch zum Neuen begeben.

Auferstehung ist Zukunft und zwar Moment für Moment.

Das Richtige im richtigen Moment zu tun und danach zu handeln - was kann es auf Dauer mehr geben, was wir uns wünschen können für den Moment, der sich wie eine Erfüllung der eigenen Zukunft anfühlt. Richtig zu entscheiden bei Partnerwahl, bei Berufswahl, bei dem was, das Leben bietet. Und nicht einfach so dahin, sondern mit einer Inbrunst und Gewissheit, dass es aus uns selbst mit einer Liebe und Innigkeit heraus strömt, dass wir merken, fühlen, wissen - JA, das ist es. Und Ihr wisst, dass es immer Menschen gibt, die es besser wissen. Die Bedenkenträger, die Freunde, die Feinde, die uns allen einflüstern was eigentlich das Richtiger wäre in diesem Moment.

Und ja - wir müssen auch erkennen, dass wir uns schon des Öfteren deutlich getäuscht haben. Dass das kostbare Öl umsonst vergossen schien, an die falsche Person verschwendet wurde, wie sich im Nachhinein herausstellt.

JA - Auch das sind die Erfahrungen. Und gerade in dieser Geschichte wird nicht nur den Männern deutlich gemacht, dass Sie sich auf das Innerste und das eigene Gefühl öfter verlassen sollten, statt auf rationale, logische, scheinbar vernünftige Dinge. Denn es sind oft nicht viele dieser Momente im Leben, in denen wir uns für uns selbst entscheiden müssen. Und es sind nicht immer Entscheidungen von uns, die von anderen getragen, verstanden oder toleriert werden. Es sind Entscheidungen, in denen es nur um einen Frage geht: Stehe ich zu mir selbst? Kann ich den Spiegel meiner eigenen Zukunft schauen, wenn ich nun anders als so entscheiden würde? Sehe ich noch meine Zukunft, wenn ich mich GEGEN diesen Moment, gegen das Richtige und letztlich gegen mich entscheide.

Egal ,was wird. Egal, was gesagt wird. Egal, was kommt. Diese Entscheidung wird entweder zum Zerrbild einer eigenen verpassten Zukunft oder zu einem Selbstbild, welches ich freudig betrachten kann. Und es sind diese Entscheidungen, die letztlich das Wesen des Leben, des evangelischen Lebens ausmachen, wie wir Christen dies in Kreuz und Auferstehung bekunden: JA. Jetzt, ist der richtige Moment, der - wie die Bibel sagt - Kairos, der richtige Moment, um die eigene Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen.

Deshalb wird die unbekannte Frau berühmt, weil Sie etwas - so wenig es scheint - Unvergleichliches tut: Sie öffnet sich ihrer eigenen Zukunft gnaz und gar. Und Jesus versteht sie und nimmt sie auf. Amen.

Herr, schenke Kraft, Mut und Zuversicht das Richtige zu tun und zu leben.

Amen.