Thema: Wem die Hütte brennt
1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.
2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
3 Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.
4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.
8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.
9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,
10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
Sie wissen, dass ich selten lange um den heißen Brei rumrede. Deshalb lassen Sie mich auch heute zur Kernfrage der heutigen Predigt kommen:
Brennt bei Ihnen zu Hause die Hütte?
Natürlich geht es bei der Frage nicht darum, dass gerade die Feuerwehr ihren Wohnungs- oder Hausbrand löscht.
>Brennt bei Ihnen zu Hause die Hütte?< - das ist eher
eine Frage, ob es in Ihrem Umfeld derart Stress oder Klärungsfragen gibt, die
nun wirklich dazu führen, dass Kinder die Zimmer zuwerfen, Eltern grummelig
aus der Wäsche gucken oder mit dem Nachbar ein heftiger Streit entfacht ist.
Wenn die Hütte brennt, dann muss man eigentlich nicht lange suchen oder
analysieren oder sich auf eine Couch oder - älter gesprochen - Chaiselong
legen, um die Ursachen und das Thema der Auseinandersetzung zu besprechen.
Ich weiß nicht, bei wem die Hütte brennt oder vor kurzem noch gebrannt hat.
Manchmal bleiben ja verkohlte Reste über; vor allem bei unangenehmen Trennung
oder heftigen Auseinandersetzungen zwischen Kindern mit den Eltern oder
umgekehrt; egal ob die Kinder erst 15 oder 50 sind. Nicht immer gelingt es
Menschen, das berüchtigte Hüttenbrennen zu verhindert. Im Evangelischen ist
das ja auch gar nicht nötig. Denn es war ja eben Luther, der die katholische
Hütte in Rom lichterloh in Brand stecke mit 95 Thesen und einer bornierten,
sturen und unnachgiebigen Art. So ein kleines 1517 noch hageres Mönchlein, der
natürlich nicht nur Mönch sondern Regionalvikar war, also Chef von 15 Klöstern
war. Insofern ist die Erfahrung des Hüttebrennens urevangelisch. Wir gehen
auch gerade dieser Art der Streitigen Auseinadersetzung - eigentlich - nicht
aus dem Weg. Ein kontrolliertes Abfackeln falscher Vorstellungen, Gewohnheiten
oder Erwartungen, kann schon eine deutlichen Reinigungseffekt, eine besondere
Katharsis - eine Reinigung, Befreiung von Konflikten nach sich ziehen. Die
Erfahrung des Hüttebrennens zu Hause ist eigentlich eine recht heilsame
Erfahrung, wenn es denn gelingt, die Auseinandersetzungen so zu regeln, dass
die Verbrennungen und verkohlten Reste letztlich nicht zum gänzlichen Bruch in
der Behausung führen.
Partnerschaften ohne heilsamen Krach oder die Fähigkeit
der Auseinandersetzung scheinen erfolgreicher als Partnerschaften, in denen
einer komplett nachgibt oder sich schlicht verflüchtigt. Streitigkeiten
zwischen pubertierenden Jugendlichen und den Eltern sind - nun ja - ein -
wenn auch schmerzlicher Prozess des Abnabelungsprozesses. Der gefühlte Eltern-
oder Kindermord - natürlich nur in Gedanken - in der heißen Phase des
Hüttebrennens kann schon hilfreich sein, für eine neue Epoche der
Gemeinsamkeit. Kann - wohl gemerkt. Denn die Neuverdrahtung eines Kinderhirns
in der Pubertät zum Erwachsenen, lässt ab und an schon mal deutlich einige
Hütten abbrennen. Und wenn die Eltern zu doof sind, für die Matheaufgaben des
Sprösslings, dann sind ja auch Brandbeschleuniger im Einsatz.
Aber auch zwischen erwachsenen Kindern und ihren (alten oder betagten) Eltern
ist es eben auch nicht immer ganz feuerfrei. Als Älterer anzuerkennen, dass
das Bäumeausreißen keine olympische Disziplin mehr für ab 60 Jährige mehr ist,
und der Gleichgewichtssinn sich einer Alter-Stier-Nackigkeit opfert, muss erst
mal erfolgen. Beim Autofahren, dem Vordrängeln an der Kasse oder bei
Verprassen der Erbschaft hat man manchmal den Eindruck, dass sich einige mit
75 Jahre auf dem eBike oder mit 85 im eRolli wie ein Formel I Pilot fühlen und
verhalten; oder sich deshalb ungeniert vordrängeln, weil insgesamt die
Restlebenszeit ja kürzer scheint. Die Hütte brennt; egal wo man hinschaut.
Das Phänomen, dass die Hütte brennt, ist auch heute Thema des Textes.
2. Mose 3, 1-10 vorlesen
Unser Text redet davon, dass Gott selbst dem Mose die Hütte anzündet (also den Busch), um deutlich zu machen, dass das Rumlungern mit Schafen keine sachgerechte Aufgabe für die Fertigkeiten ist, die Gott Mose zugesprochen hat.
In der Übersicht betrachtet, beschäftigt sich das zweite Buch Mose im Alten Testament mit der Geschichte des Volkes Israel, des Kampfes mit dem Pharao, dem Auszug aus Ägypten und der Wanderung durch die Wüst in gelobte Land Kanaan. Wesentlich sind dabei die 10 Gebote. Wenn man einigen Theologen glauben mag - wie beispielweise der großen schon verstorbenen Dorothee Sölle - spiegeln diese Erfahrungen der Befreiung aus Sklaverei das wesentliche Gottesverhältnis des Volkes Israel mit dem Gott Jahwe wider. Die 10 Gebote beginnen ja der dem Befreiungshinweis: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat. Insofern spielt gerade die sogenannte Bundestheologie eine außergewöhnliche Rolle in der alttestamentlichen Theologie. Bundestheologie meint dabei, dass Gott mit dem ganzen Volk einen Bund, einen Vertrag schließt und nicht mit einer einzelnen Person. Diese Bund zwischen Israel und seinem Gott ist dabei unverbrüchlich wie letztlich auch unsere evangelische Kirche im Jahr 1992 schon anerkannt hat. Eine Mission von Juden ist demnach zu Christus nicht mehr erforderlich, weil die Gott Israels als Vater Christi ineinander wirken. Gerade diese Bundestheologie, die durch die 10 Gebote samt dem Bundeskodex (Kap. Ex. 21-24) etabliert werden, wurde ja in der Bundeslade, einer besonderen Holzkiste, von den umherziehenden Israeliten als Zeichen der Erwählung sichtbar und in einem mobile Zelt-Tempel immer mit dem Volk zusammen umhergetragen. Der mobile Gott Jahwe ist bei seinem Volk, welches es als ganzes aus der Sklaverei geführt und befreit hat.
Für uns Christen ist die Bundestheologie insofern auch
von Bedeutung als wir durch Christus nun in einen neuen Bund, einen neuen
Vertrag mit Gott kommen. Dieser neue Bund ist aber nicht mehr auf ein Volk
oder eine Personengruppe beschränkt, sondern öffnet sich über das
israelitische Bundesvolk hinaus für alle Menschen der Erde.
Allen Menschen aller Völker soll nun das Evangelium, dieser neue Bund
gepredigt werden. Und der Kodex, das Gesetz dieses neuen Bundes ist eben kein
notwendiger Erfüllungskatalog mehr. Das Besonderen an diesen Regeln für uns
Christen ist: Die Regeln, ihre Erfüllung dienen nicht mehr dem Seelenheil,
sondern sind Folge, dass wir durch die Gnade Gottes erwählt und in den Bund
Gottes nun neu hineingenommen sind.
Der neue Bund Gottes in Christus ist eine Geschenk an uns, an jeden einzelnen
ohne die Erfüllungspflichten, die noch aus dem Bundeskodex für das
israelitische Volk entstehen. Die Hütte brennt auch für Christen, aber im
Grunde ist es schon ein gelöschtes Feuer, weil wir uns mit unserem Geschenk
Gottes frei in der Verantwortung der Welt bewegen können. Wie wir als Christen
mit anderen Christen oder zwischenmenschlich umgehen, ist somit eine Frage der
Gelassenheit, wie wir unser Leben in dieser Verantwortung begreifen.
Insofern müssen wir nicht mehr jeder brennenden Hütte hinterher laufen,
sondern nur noch solchen, die uns in die Pflicht aufgrund unseres
Gottesgeschenks nehmen. Für Martin Luther war es soweit als die römische
Kirche sich außerhalb des neuen Bundes stellte, und das Geschenk Gottes zu
einem Geschäft für den Sündenablass wurde.
Wie nun ist die richtige Anleitung für das evangelische
"Hüttebrennen"?
Und damit meine ich nicht: Wie bringe ich Menschen zur Weisglut, sondern: Wie
sollen wir gemeinsam die Frage der Verantwortung unseres Lebens angehen. Es
ist im Leben unstreitig, dass wir uns verändern müssen. Werden wir älter, so
verändern sich auch Anforderungen, Vorstellungen und Möglichkeiten. Und wenn
sich den Kindern, den Jugendlichen oder den Erwachsenen neue Rahmenbedingungen
eröffnet, stellt sich immer die Frage, wie Füllen wir diese Möglichkeiten
menschlicher Entwicklung aus. Dabei geht es immer - wie schon des Öfteren in
meinen Predigten ausgeführt - um die zwiespältige Lebensaufgabe, einerseits
eigene Entwicklungsoptionen teils gnadenlos auszunutzen, aber andererseits
dabei das evangelische Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln.
Evangelisches Verantwortungsbewusstsein - was bedeutet das anders: Menschen sind sich bewusst, dass die Freiheit, die Gott schenkt, eine Verantwortung für die Mitmenschen und die Unfreiheit anderer ist. Weil Gott uns in Christus - theologisch gesprochen - aus der Sklaverei der Selbsterlösung befreit hat, sind wir bestrebt, Freiheit als ein gnädiges Gut in den Augen der Mitmenschen zu sehen. Kurz: Weil wir Christen aufgrund des Evangeliums sind, treten wir evangelisch gestärkt für die Rechte und Pflichten von uns selbst und als Freiheit der anderen ein. Deshalb fackeln wir Hütten ab. Weil diesem Anspruch nicht genügt oder dieser sogar mit Füßen getreten wird. Insofern bestimmt sich evangelische Freiheit immer auch an der Freiheit der anderen, wie wir Freiheit gemeinschaftlich realisieren. Und sofern dies nicht möglich ist, entfackeln wir durch aktives Eintreten auch durchaus einen Feuersturm evangelischer Selbstbestimmung.
Wichtig ist dabei wahrzunehmen: Die meisten Problem, bei denen die Hütte brennt, entstehen durch selbstverliebte Dummheiten und nicht aus evangelischer Verantwortung. Entweder werden die eigenen Aufgaben nicht wahrgenommen, wenn man zusammenlebt: fehlende Aufgabenteilung, unzureichende Verhaltensabstimmungen, ignorierte helfende Mitarbeit oder die Freiheit begrenzte Defizite. Aber Vorsicht: In einem Feuersturm werden häufig dann Forderungen gestellt, wenn die Hütte eigentlich schon gar nicht mehr vorhanden ist. Die Auseinandersetzungen sind dann lediglich ein Nacharbeiten von schon längst erfolgter Fehler, Defizite oder schlicht Vertrauenslücken. Die Scheu vor der Wahrheit, dass die gemeinsame Hütte lässt nur noch vor sich hin kokelt, wird jahrelang nicht wahrgenommen. Manchmal muss auch das Löschen nicht nur unterlassen, sondern das Abfackeln befördert werden. Auch wenn beispielsweise Jugendliche nach Freiheit streben, sollten wir uns bewusst werden, dass 15 oder 16 oder 17 Jahre nicht automatisch unmündig bedeutet, sondern - wenn konfirmiert - da schon jemand ist der evangelisch erwachsen sei. Was heißt das anderes, als dass dieser Mensch, Verantwortung für sich und für andere möglicherweise schon allein übernehmen muss. Crass? Mit 15, 16, 17 - Wirklich? Schauen wir uns selbst an. Wann sind wir Aufgebrochen. Wie reif, wie erwachsen, wie bereit waren wir? Egal wie alt wir nach Jahren waren. Wie lange hat es gedauert, bis wir das Hüttebrennen als Ablösungsprozess wirklich auch aktiv betrieben haben.
Jugendliche wollen Freiheit - o.k. So lassen wir sie die Verantwortung dieser Freiheit spüren. Eine Partnerschaft ist schon lange zu einer eher versklavten Routine geworden - o.k. So lassen wir sie den Feuersturm der Freiheit spüren. Eine Nachbarschaft ist vergiftet und am Ende - o.k. So lassen wir die eiskalte Trennung Wirklichkeit werden, damit Freiheit wieder eine Chance bekommt. Die eigenen Eltern können nicht loslassen - o.k. So wir es Zeit, zu lernen, dass Lebenszeit endlich ist.
Der Predigttext für heute macht uns eines deutlich: Das Leben in Bequemlichkeit wird - wie bei Mose - gerade dann unterbrochen, wenn uns Gott selbst aufruft, die eigenen Fähigkeiten und die Gaben in den Dienst seiner Freiheit zu stecken: Also - auf zum Hüttebrennen!
Amen.
Herr, schenke Gewissheit, dass du uns drängt, führst und leitest; auch dann, wenn wir uns in unserer Bequemlichkeit eingerichtet haben. Hab Dank, dass du uns ab und an Feuer unter dem Hintern machst. Amen.