Thema: Das Leben geht weiter.

Offenbarung des Johannes 21, 1-7

Das neue Jerusalem

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;

4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!

6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

 

1.       Einleitung

Was macht das Leben aus? Betrachten wir unser Leben.

Was macht konkret unser Leben aus, das wir bisher gelebt haben und leben? Was macht das Leben aus; auch das Leben, welches unsere verstorbenen Angehörigen gelebt haben; gelebt haben als Partner, Vater, Mutter, Verwandter, Freund, Freundin?  Was waren, was sind die prägenden Dinge, die wir für uns oder gemeinsam erlebt haben? Was hat das Leben von uns und von ihnen wesentlich geprägt? Was waren die Guten Tage, das Schöne, aber auch die Schwierigen Tage oder gar Schlechten Dinge und im Wesentlichen die Dinge des Alltäglichen Daseins? Was macht das Leben aus?

Sind es die Jahre der Dynamik, der Jugend und des jungen Erwachsenenlebens? Was haben wir dort erlebt, erfreut, erlitten? Oder sind es die reiferen Jahre, in denen sich das eigene Leben stärker verformt, verfestigt; und - heute immer häufiger - durch Partnerwechsel, berufliche Veränderungen auch immer mehr neu gestaltet? Oder sind uns die prägenden Dinge des Lebens im Fokus; also Zeiten der Not, der Anfechtung, der Krankheit, des Leidens, der Trauer, der Demenz? Was macht das Leben von uns aus? Wodurch werden wir geprägt und prägen unser eigenes Umfeld?

Wenn wir uns heute am Ewigkeitssonntag an die Verstorbenen erinnern, dann ist diese Erinnerung auch immer die Frage nach uns selbst und dem eigenen Leben. Was macht das Leben, das wir leben - das Leben, das wir mit den Verstorbenen gelebt haben - letztlich aus?

Da wir nicht in die Seele eines anderen Menschen schauen können; sondern das Wesen, das Verhalten der anderen Menschen erleben, bleiben und häufig nur die eigene Deutung, wie andere mit uns und wir mit andere zusammenleben. Dabei spielt vor allem die eigene Umwelt eine wesentliche Rolle, die prägt. In der Soziologie reden wir dann vor allem von den "Referenzrahmen". Referenzrahmen - dahinter verbirgt sich eigentlich nichts anderes als umgangssprachlich die jeweilige Lebensumwelt wie Familie, Bildungs- oder Berufsumfeld, Freundeskreis oder Cliquen. Sie - diese Rahmen - ermöglichen es, einige wesentliche Aspekte des Zusammenlebens deutlich zu machen. In den jeweiligen Referenzrahmen oder Lebenswelten von uns Menschen sind dann auch die prägenden Aspekte für das eigenen Leben eingewoben: Je nach dem, welcher Bildungs-, Berufs-, Freizeit oder auch Glaubenswelt wir uns zugehörig fühlen, so wird auch das eigene Leben - in aller Regel - geprägt. Dort - in diesen Cliquen und (Freundes-, Berufs-) Kreisen des eigenen Lebens sind die Trends, die Kleidungsordnung, die Sprachen und selbst die Bestimmung/Bedeutung der Haare oder Piercing oder Tattoo. Hier wird deutlich, was das Leben letztlich ausmacht: Die Gruppe, die Anzahl von Menschen, in die hinein wir uns wie ZUHAUSE fühlen, in der wir beheimatet sind. Hier richten wir uns ein, hier bauen wir Heimat.

Wenn wir heute im Gottesdienst die Verstorbenen verlesen und ihrer Gedenken, dann ist das auch ein sich Erinnern an unserer eigenen Bezüge, Lebensräume und die eigene Existenz; an uns selbst - und das was unser Leben ausmacht und ausgeprägt hat. Das hört sich nun sehr theoretisch an und ist dennoch mit so vielen Erlebnissen, Begebenheiten, Erzählungen, Stimmungen, Emotionen, Gerüchen verbunden, dass das Fehlen des Partners, Elternteils, des Freundes eines Mitglieds der Gruppe, zutiefst schmerzt. Denn ein Stück des Rahmens ist verschwunden, ein Stück der gefühlten Heimat.

2.        - Predigttext

Unser Predigttext beschäftigt sich auch mit der Frage, was kommt, was bleibt, was wird neu. Text lesen

Dieser Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes wird unzweifelhaft von den Theologen geliebt. Der Rest der Offenbarung eher nicht. Das hängt damit zusammen, dass Johannes in seiner "Apokalypse" (απο-καλυψις  - "Entschleierung" / καλύπτειν - Verschleiern) die Schreibung für die Wiederkunft des Herrn sehr kriegerisch und letztlich blutrünstig schildert. Viele Horror- / Science Fiktion Filme und auch Sekten hängen sich deshalb an die Erzählungen des Schreibers der "Offenbarung".

Nach wie vor sind einige wesentliche Teilen der Apokalypse Allgemeingut: das Buch mit sieben Siegel (Off. 5). Anfang und Ende als A & O; der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets, Alpha und Omega (Off 22,12), das Bild vom Lamm Gottes oder die apokalyptischen Reiter (Off 6). Letztlich ist das ganze Buch eine Komposition aus allegorischen Symbolwelten von Tieren, Farben oder auch Zahlen. Die Zahl der Erretteten von 144.000 oder die Zahl des Tieres "666" (vielleicht auf den Kaiser Nero nach 65 n. Chr. bezogen) werden häufig zitiert.

Insgesamt ist das Buch ein ein bildhafter Deutungsversuch wie denn nun die Wiederkunft Christi in einem Kampf zwischen Gut, Böse, zwischen Welt- und Gottesreich vonstatten geht. Ich hatte ja letzte Woche von der Eschatologie, den letzten Dingen, jenseits gesprochen. Und dies muss auch hier für den neuen Himmel und die neue Erde gelten von denen Johannes schreibt. Ob Johannes frustriert war oder ob ihm langweilig war oder er Gottes Visionen sah, weil die erwartete Wiederkunft Christi sich nun nach mindest 20-30 Jahren der Auferstehung immer weiter hin zog. Wesentlich für die christliche und evangelische Tradition bleibt die Frage nach der Kernaussage. Und diese Aussage über den neuen Himmel, die neue Erde und das neue Jerusalem ist recht einfach: Es ist ganz anders als wir uns das vorstellen. Gott macht alles neu. Der alte Mensch wird ein anderer. Die alte Schöpfung wird anders sein. Die alte Gesellschaftsordnung wird umgekehrt. Und letztlich spiegelt dieses voluminöse Bilderwelt des Johannes nur eines dar, was für uns heute wesentlich ist: Das Leben geht weiter - egal wann und egal wo.

3.       Christologische Aussage

Das Leben geht weiter - das ist die Kernbotschaft des Evangeliums. Es geht weiter - auch ungeachtet wie wir uns das Leben vorstellen.

Zunächst als tröstliche Aussage, die alle Tränen und Trauer abwaschen wird und in der es keinen Tod mehr geben wird (V4).

Ja das Leben geht weiter, für die Verstorbenen, die wir betrauern und beweinen. Ihr Tod mündet in ein Leben, welches so ganz anders ist, als wir uns das Vorstellen; oder: sie erhalten einen neuen Referenzrahmen, eine neue Heimat. Das Leben geht weiter für alle, die wir heute vorgelesen haben und die im Glauben in die Auferstehung hinein weiterleben. Sie leben weiter, grandios, ohne Schmerzen, ohne Leid, Not und Sehsucht. Sie leben weiter und bereiten uns, die wir folgen werden dorthin - in diesem neuen Himmel, dieser neuen Erde und dem neuen Jerusalem eine Ankunft für den Weg vor, den jeder von uns noch zu gehen hat. Das ist und bleibt Evangelium: Das Leben geht weiter, gerade und im Besonderen über den Tod hinaus.

Dieser banale Satz ist in unserem Glauben so gewaltig, so groß, so mächtig, dass er den Abgrund des Todes mit der Brücke der Auferstehung überspannt. All das ist nicht Hoffen, sondern Hoffnung; also Gewissheit, die Johannes so bunt, so ergreifend ausformuliert.

Letztlich sind diese Bilder und Worte des Johannes nichts anderes als menschliche, irdische Versuche etwas auszudrücken, was letztlich unser Referenzrahmen nicht mehr fassen kann. Nichts von dem, was wir erleben, erlebt haben als Angehörige, Trauernde kann beschreiben, wie wir uns fühlen oder damit umgehen.

Aber - und auch das ist die Botschaft des Evangeliums: Hier, wir, unter uns - auch hier geht das Leben weiter in seiner irdischen Ausprägung. Die Erde rotiert weiter; trotz das ein Herz still steht. Die Züge fahren dennoch, obwohl keine Bewegung mehr ist. Und selbst das eigene Atmen schöpft das eigene Leben neu ein, ungeachtet dessen, dass der Partner, der Vater, die Mutter, Freund, Verwandter niemals hier mehr atmen wird.

4.       Heute

Auch hier gilt für uns: Das Leben geht hier weiter.

Die bisherigen Referenzrahmen werden vielleicht brüchig. Das tun sie sicher. Der Rahmen reißt oder ein wesentliches Stück des Zuhauses verschwindet. Das kann auch der Auszug der Kinder, die Einschränkung der Mobilität oder das Trennen von Menschen sein - all das lässt die angestammten Welten um uns verändern. Die Sicht- und die Betrachtungsweisen verschieben sich; nicht nur durch den Tod eines Angehörigen. Das Leben geht weiter - diese große Erkenntnis des Evangeliums ist letztlich hier in diesem Leben eine Art Lebenseinstellung, ein evangelisches Prinzip, wie wir mit Veränderungen umgehen können: Egal was morgen ist, wir haben unsere Aufgaben zu bewältigen. Es gilt die eigenen An- und Herausforderungen oder auch nur Gestaltungsfelder anzunehmen; egal in welchem Alter oder bei welcher Motivationslage oder Situation.

Das Leben geht weiter - nichts fasst die Botschaft des Evangeliums so präzise zusammen wie dieser kleine Satz.

Denn - egal ob morgen die Welt untergeht, der neue Himmel, die neue Erde kommt oder auch das neue Jerusalem schon Tickets verteilt: Unsere Aufgabe besteht darin, dieser unendlichen Güte, Größe, Gewissheit nur durch eine Antwort beizuspringen: Jawohl, das Leben geht weiter.

Unser aller Leben geht weiter; auch über den Tod hinaus. Das Leben geht weiter; selbst wenn wir vor scheinbar unlösbaren Aufgaben stehen; vor Bergen, die wir nie glauben überwinden und erklimmen zu können. Das Leben geht weiter.

Deshalb beginnt auch nicht das neue Leben und die neue Welt oder das neue Reich Gottes mit einem Paukenschlag, sondern viel einfacher, kleiner, ruhiger und wesentlich intensiver: Mit dem nächsten ... Atmenzug.

Hierin liegt die Kraft dessen, was wir glauben, hoffen, leben. 

Amen.  

Herr, schenke Kraft zu Atmen, Liebe zu verzeihen und Gewissheit, denn das Leben geht weiter. Amen.

 

 

Kapitel 21

1Καὶ εἶδον οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν. ὁ γὰρ πρῶτος οὐρανὸς καὶ ἡ πρώτη γῆ ἀπῆλθαν καὶ ἡ θάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι.

2καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καινὴν εἶδον καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ ἡτοιμασμένην ὡς νύμφην κεκοσμημένην τῷ ἀνδρὶ αὐτῆς.

3καὶ ἤκουσα φωνῆς μεγάλης ἐκ τοῦ θρόνου λεγούσης·

ἰδοὺ ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ μετὰ τῶν ἀνθρώπων, καὶ σκηνώσει μετ’ αὐτῶν, καὶ αὐτοὶ λαοὶ αὐτοῦ ἔσονται, καὶ αὐτὸς ὁ θεὸς μετ’ αὐτῶν ἔσται [αὐτῶν θεός],

4 καὶ ἐξαλείψει

bullet πᾶν δάκρυον*
bullet ἐκ τῶν ὀφθαλμῶν* αὐτῶν, καὶ ὁ θάνατος οὐκ ἔσται ἔτι οὔτε πένθος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι, [ὅτι] τὰ πρῶτα ἀπῆλθαν.

 5Καὶ εἶπεν ὁ καθήμενος ἐπὶ τῷ θρόνῳ· ἰδοὺ καινὰ ποιῶ πάντα καὶ λέγει· γράψον, ὅτι οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληθινοί εἰσιν.

6καὶ εἶπέν μοι· γέγοναν. ἐγώ [εἰμι] τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος. ἐγὼ τῷ διψῶντι δώσω ἐκ τῆς πηγῆς τοῦ ὕδατος τῆς ζωῆς δωρεάν.

7ὁ νικῶν κληρονομήσει ταῦτα καὶ

bullet ἔσομαι*
bullet αὐτῷ θεὸς καὶ*
bullet αὐτὸς ἔσται μοι υἱός*.