Thema: Bilanzierung des Lebens

Eph 2, (1-3) 4-10

Das neue Leben als Geschenk der Gnade

1 Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden,

2 in denen ihr früher gelebt habt nach der Art dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.

3 Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Sinne und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.

4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,

5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht - aus Gnade seid ihr selig geworden -;

6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,

7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.

8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es,

9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.

10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

 

 

1.       Bilanz im Leben

Wenn wir heute eine Bilanz ziehen müssten, was käme dabei heraus? Eine Bilanz - sagen wir mal der letzten 10, 20 oder 30 Jahre unseres Lebens. Oder - weil auch einige hier auch jünger sind - wie sieht die Bilanz des letzten Jahres aus?

Bilanz ziehen - was bedeutet das eigentlich?

Im Grund ist der Begriff "Bilanz" ein wirtschaftlicher. Dabei wird in einer Bilanz die Veränderung zwischen einem früheren Stichtag und einem aktuellen Stichtag festgehalten. Wie hat sich der Wert eines Hauses, mein Notendurchschnitt, die Anzahl der Evangelischen in Raunheim; sagen wir mal zwischen dem 1.1.2014 und dem 7. August 2016 entwickelt.

Eine Bilanz aufzustellen ist also eigentlich nichts anders als einen Zustand von früher mit einem heutigen Zustand zu vergleichen.

In Wirtschaftsunternehmen und mittlerweile auch in der Kirche werden überwiegend derartige Bilanzen immer am Ende eines Kalenderjahres aufgestellt. Aber das ein Jahresprinzip ist nicht verpflichtend.

Wesentlich für eine Bilanz ist, dass wir die Abweichungen zwischen damals und heute gut nachzeichnen können.

Die einfachste die Bilanz, also den vergleich zwischen früher und heute, sind Fotos, oder auch die Striche bei Kinder im Wachstum am Türrahmen. Sofort werden die Veränderungen sichbar.

Und weil Bilanz ziehen scheinbar ein wesentlicher Punkt unserer westlichen Gesellschaft ist, wird der begriff auch in der Werbung und Mode überall verwendet; aber in seiner Englischen Fassung.

Balance [deutsch: baˈlaŋsə] halten oder balance [engl.: ˈbælən(t)s] ist ein häufig verwendetes Werbewort. Wie man das Gleichgewicht findet, oder hält oder den Ausgleich im Leben. Überall wir von Balance oder "balance" geredet. To draw a life balance - hört sich doch viel besser als "lass uns mal Bilanz ziehen oder halten.

In Balance sein ist letztlich nichts anderes als eine Pendelwaage (beide Hände auswägen), zwischen dem, was ich selbst tun, sein sollte oder haben möchte (linke Seite, das was Aktiv sein sollte) und das, wie es ist (die Passiv Seite). Un

Jede Bilanz stellt unweigerlich und recht unverblümt die Frage nach den Realverhältnissen zwischen zwei Stichtagen; im Leben, im Unternehmen auf der Waage oder wieder modern beim Bodymassindex. Wie ist es wirklich; im Leben, mit dem Kontostand, mit der Beziehung oder auch mit dem eigenen Glauben; dem Glauben an das Leben, an Gott, an den Nächsten.

Also - treten wir mal zurück von unserem eigenen Leben und betrachten uns mal SOZUSAGEN von außen.

Was war 1986? Vor 30 Jahren, wo war ich da, wenn ich denn schon überhaupt war? Da war ich 23 Jahre alt vor 30 Jahren und 30 Kilo. Mitten in Studium; gerade von 40 Tagen DDR zurück, wo ich ein Gemeindepraktikum absolviert hatte. Und im Wechsel von der Uni Marburg nach Heidelberg? Wo waren Sie? Was waren Sie? Wer waren Sie? Wie waren Sie?

Was war in 1996? Deutschland war Fußball Europameister durch das erste Golden Goal von Bierhoff?

Wo waren Sie? Was waren Sie? Wer waren Sie? Wie waren Sie?

Was war 2006? Wo waren Sie? Was waren Sie? Wer waren Sie? Wie waren Sie?

Oder die Jahresbilanz zum Sommer vor einem Jahr, 2015?

Wie sah das eigene Zeugnis damals aus? Was ist heute der Notendurchschnitt? Wie hat sich der Job, das Leben, die Gesundheit entwickelt?

2.       Bibeltext

Auch der heutige Predigttext, der sich etwas altbacken anhört, spricht im Grund von nichts anderen. Er redet von früher im Vergleich zu heute und zwar im Blick auf das Leben vor Gott. Was hat Bestand Gott gegenüber?

Text: Lesen.

Früher - ein Leben in selbstgewählter Leistung, im Rennen nach dem, was der Welt wichtig, mächtig, wesentlich erscheint.

Nun aber  ein Leben, welches eine neue Mitte und ein neues Ziel bekommen hat; durch die Barmherzigkeit Gottes. Diese Barmherzigkeit, die in die menschliche Bilanz von außen hineingetragen wird.

Der Text redet von >in Christus auferweckt< und dadurch >mit Christus lebendig gemacht<, und alles >durch Christus im Glauben gewandelt<; "in", "mit" und "durch" Christus, ist die Bilanz im Leben der Christen gänzlich anders als noch früher.

Der Text aus dem Epheserbrief ist eine Bilanz zwischen der Zeit vorher und der Zeit heute.

Betrachtet man den Text im Epheserbrief genauer, so hat er viel Ähnlichkeiten mit einem anderen Brief im NT; dem Kolosserbrief. Beide Briefe sind wahrscheinlich nicht von Paulus, eher von einem Schüler geschrieben und stellen eine ART RUNDSCHREIBEN dar. Hier wird ca. 50 Jahre nach dem Wirken Jesu Bilanz gezogen. Ein konkreter Anlass ist auch in dem kurzen Brief nicht zu sehen; vielmehr ein Schreiben, welches offenbar überall im Mittelmeerraum bei den Christen verbreitet war.

Und die Botschaft der Bilanz des Schreibens ist recht eindeutig.
Das Alte, das leben in der Welt und mit der Welt und nach den Maßstäben der Welt ist in ein NEUES übergegangen, welches in den Worten >in, mit, durch Christus zum neuen Leben< einen Ausdruck findet.

3.       Gottes Gnade als Geschenk in, mit durch Christus

Die Bilanz, die im Rundschreiben - ggf. das für Ephesus fand Aufnahme in die Textsammlung des neuen Testaments - angedeutet wird, ereignet sich aber in einer anderen Art der Bilanzierung, wie wir diese kennen, gewohnt sind.

Unsere Bilanzen beschäftigen sich mit unseren Leistungen, Veränderungen und Entwicklungen. Es geht darum, was wir aus etwas, aus uns oder durch die eigenen Hände oder Hirn Arbeit zur Veränderung angetrieben haben. Welche Strategie wir auch immer anwenden, um ein Ziel zu erreichen oder eine Veränderung des früheren Zustands zu realisieren - all diese Maßnahmen treffen auf die neue Währung, auf die neue Form der Veränderung durch Gott.

Diese Bilanzveränderung in unserem Leben ist für uns selbst unverfügbar - Ohne Leistung, Bilanz oder Werke. Wie die Barmherzigkeit, die dem kleinen Sem in der Taufe zugesagt wurde.

Seine Geburt, die Liebe der Eltern oder auch die Zuneigung und Freundschaft zwischen Menschen - all das lebt ebenso wie Bilanzierung Gottes von einem Vorgang, der nicht vom Menschen selbst erzeugt wird oder erarbeitet werden kann, sondern von außen in die Bilanz des eigenen Lebens von anderen eingetragen wird.

Barmherzigkeit wird geschenkt, Geburt ist nicht unsere Leistung. Liebe ist unverfügbar - und dennoch erscheint diese auf unserem Bilanzzettel. i

Gottes Handeln an uns offenbart sich

·         In Christus - trotz unseres Rennen, unsere Leistung um Veränderung im Leben.

·         Mit Christus - wegen seines Mit-Leides, seiner SYMPATHIE an uns.

·         Durch Christus - weil wir letztlich zum Glauben nichts beitragen.

Bilanz Gottes ist nicht Balanced, nicht ausgeglichen. KEINE unserer Leistungen wiegt dieses Geschenk Gottes auf.

Die Welt mag auf "Ausgewogenheit", auf "Gleichheit", auf "sachgerechtes Handeln", auf "gleiches Recht für alle" pochen.

Bei Gott gibt es das richtig und falsch menschlicher Ausgewogenheit schlicht nicht. Was sollte auch eine Leistung bringen? Werde ich durch eine Leistung, mein Vermögen, meinen IQ oder die Gleichbehandlung vo Menschen etwa in irgendetwas im Blick auf meine Geburt besser? Wird die Liebe der Eltern dadurch besser, wenn ich sie versuche zurückzuzahlen? Oder wird Freundschaft dadurch tief und besser getragen, wenn wir dem Freund, der Freundin es gleich mit gleich vergelten wollen?

All das Funktioniert nicht mit dem, was uns geschenkt wird. Jede Bilanz im Leben wird hier letztlich scheitern. Denn das Geschenk, das Vermögen, das Vertrauen - das Gott uns in, mit und durch Christus zuteil werden lässt - macht jede persönliche Bilanz, die auf Leistung aufbaut, lächerlich.

4.       Balance für andere

Was bedeutet das alles für uns hier in Raunheim; heute oder im Rückblick auf die eigene Bilanz?

Die entscheidende Frage, die Christus in unser Bilanzierung einbringt, lautet: Was waren andere bereit für mich zu geben? Was haben Menschen in MICH investiert, durch Liebe, Freundschaft, Zuneigung, Geduld, Nachsicht, Hoffnung oder Zeit? Wer konkret in den letzten 30, 20, 10 Jahren? Welche Geschenke der Freude, der Bildung, der Neugier, des Vertrauens haben mich in der Zwischenzeit erreicht.

Was haben diese anderen Menschen in meiner Bilanz für einen Stellwert; gestern gehabt, heute erhalten und morgen bedankt?

Und jeder Versuch, Gleiches mit Gleichem zurückzuzahlen, wird jämmerlich scheitern.

Denn der Einsatz, den andere an uns tun - die Zuwendung der Älteren an die Jüngeren, der Jungen bei den Älteren, der Nächsten untereinander, der Starken zu den Bedürftigen - all dass ich keine Leistungsbilanz, keine Ausgewogenheit, keine Balance of Life, SONDERN das, was das Leben an sich ausmacht. Es ist Geschenk.

Und so wie wir beschenkt, bedacht, besorgt, behütet, befördert werden in unserem Leben - OHNE JEGLICHEN GEGENLEISTUNG, so ist es die Frage, wem wir als Christen - bedingungslos - unser Vertrauen, unser Lachen, unsere Nähe, Geborgenheit und Liebe schenken. Denn wir füllen unsere Bilanz auf, sondern andere. Und wir schenken den anderen dieses Vertrauen, damit deren Bilanz in einem unvergesslichen Maße zu neuen Veränderungen führt.

Aber - was letztlich unsere eigene Bilanz im Horizont des gelungenen Lebens ausmacht, ist alles, was wir mit dem Geschenk Gottes und der anderen anfangen, indem wir selbst unser Bestes schenken, geben, überlassen, nahebringen, erzählen oder schlicht betend wünschen.

Sem - unser neuestes Gemeindeglied; gerade getauft in die Bilanz Gottes hinein - ihm versprechen wir als Gemeinde Christi diese SEINE Bilanz zu füllen, ihn nicht allein zu lassen, ihn zu halten und zu stützen und bis er die Bilanz seines Lebens zu ziehen hat als Gemeinschaft zu tragen.

Nicht weniger bedeutet Taufe. Es ist unser Versprechen, die Geborgenheit Gottes weiterzugeben, die wir selbst in durch und mit Christus erfahren haben. Deshalb - und NUR deshalb - ist Taufe heilig. Weil durch unser Tun das heilige Tun in dieser Welt ein Gesicht, ein Lächeln, schlicht eine geschenkte Geborgenheit erhält; und somit Gottes Angesicht für jeden von uns sichtbar wird.

Und das ist die Botschaft für den 11. Sonntag nach Trinitatis: Schenke anderen und fülle deren Bilanz, im Bewusstsein, dass Gott deine Bilanz so gefüllt hat, damit du selig , barmherzig, geliebt bist.

Amen