Thema: Glaube ist "SINNLOS" (Röm 11, 33-36)

Röm 11,33-36

Lobpreis der Wunderwege Gottes

33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!

34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13)

35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste«? (Hiob 41,3)

36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

 

1.       Ordnung und Chaos

Etwas zu wissen, Zusammenhänge zu erkennen, sind wesentliche Bestandteile menschlicher Fähigkeiten. Wie ein Motor funktioniert, chemische Verbindungen zusammengehören, der menschliche Körper aufgebaut ist. Wissen und Erkennen ist - so die sprichwörtliche Annahmen - Macht. Macht mit sich und seiner Umwelt umzugehen. Die Macht besteht nun auch darin, etwas Leisten zu können, was Veränderungen hervorruft.

Betrachten wir selbst die wesentlichsten Sprünge, die wir als Menschen oder auch als Gesellschaft machen, so sind Sie alle - so scheint es - mit der Fähigkeit Wissen und Erkennen für eine Handlung zu nutzen.

Die Überwindung der Erdanziehung und das Wissen um Aerodynamikbeispielsweise macht es uns möglich, zu fliegen. Die Nutzung von Wissen um Geldwirtschaft lässt sogar Anwendungen von gänzlich unsinnigen Dingen zu. So ist ein Stück Papier wenig wert; bis man es als bedrucktes Papiergeld oder als Banknote ausgibt. Dem Papier wird - und hier kommt das Unsinnige, eigentlich Widersinnige ins Spiel - ein NEUER Wert beigemessen, der in keinem Verhältnis zum Realwert des Papiers steht. Auf ein normales  DIN A 4 (80 gr./qm; Banknoten 85gr/qm) gehen ungefähr 5 200 Euroscheine mit einem Wert von 1.000 Euro. Ein DIN A4 Blatt kosten aber nur 1 Cent; also nur das 1/100.000 des Papiergeldes. Widersinnig oder?

Wissen und Leistung benötigt - das macht das Geldbeispiel oder auch das Fliegen deutlich - einen weiteren Faktor: Vertrauen.

Das Wissen und das Können allein reichen nicht aus, damit die Welt voran kommen. Ohne Vertrauen in die Sicherheit des Fliegen oder die Werthaltigkeit von Papier als Geld ist das Wissen und Können letztlich eine Mär. Eine nette Geschichte ist es mit dem Papiergeld, unglaublich für die alten Römer, dass man mit Papier genauso bezahlen kann wie mit Denar, Gold-Aureus oder Sesterzen; solange bis das Vertrauen in diese Verbindung funktioniert.

Entscheidend für den Einsatz von Wissen und Erkennen ist also - in aller Regel - Vertrauen.

Vertrauen darauf, dass ein Flugzeug wirklich fliegt, ein Geldschein wirklich ein Zahlungsmittel für den Wert ist, der draufsteht.

Wissen und Können ist ohne Vertrauen nichts. Das Vertrauen darauf, dass ein Medikament auch hilft. Das Vertrauen in die Bildungschancen in unserer Gesellschaft. Das Vertrauen auf ein gerechtes Gerichtssystem.

Ohne Vertrauen wird Wissen und Erkenntnis lediglich ein neugieriges Testen und Erproben von Dingen, weil das Vertrauen (noch) nicht vorhanden ist. Oder das Vertrauen ist maßlos erschüttert durch Skandale, Vertrauensbrüche, Betrügereien oder Fehlverhalten.

2.       Bibeltext

Betrachten wir unseren heutigen Predigttext zum Sonntag, an dem wir die Trinitatis, die Dreiheit Gottes feiern. Auch hier geht es um Wissen und um  Können und dem Vertrauen dahinter; Gottes Weisheit und Vertrauen.

Text verlesen: Röm 11, 33-36

Auch hier wird von Wissen und Erkennen, von Weisheit und Erkenntnis gesprochen. Letztlich ist aber unser Text eine Huldigung auf das Vertrauens hinter dem Wissen und dem Erkennen. Ohne dieses Vertrauen bringt auch das menschliche Wissen und Erkennen nichts.

Paulus wendet sich dabei in seinem Brief an die Christen in Rom. Rom hat er noch nicht besucht. Er hat es aber mit einer durchaus zerfasernden Struktur zu tun. Und die Christen in Rom sind daran nicht unschuldig.  

Wir schreiben ca. das Jahr 55 nach unserer Zeitrechnung, das erste Regierungsjahr von Kaiser Nero. Die ersten 5 Jahre Neros sind - wie der Historiker Sueton (Nero 14-19) berichtet - eine Phase des positiven Neuanfangs. Verblüffend - Nero ist noch nicht der Peter Ustinov mit der Harfe, der "o lodernd Feuer" singt, sondern ein innovativer Kaiser in den ersten Jahren. Kaiser Nero schafft die gefürchteten Prozesse wegen Majestätsbeeidigung ab. Er verabscheut die Todesstrafe und - man staunt - etabliert sich als Bandschützer. Denn er lässt Häuser mit Flächdächern bauen, von denen man bei Feuer den Brand bekämpfen soll. Neros Neuaufbruch überwindet auch die Krise, die gerade die Christen mit ihren Streitigkeiten in Rom verursacht hatten.

Im Jahr 49 (also 6 Jahre vorher) hatte Kaiser Claudius die Juden aus Rom ausgewiesen, weil diese Tumulte - ausgelöst durch einen sogenannten Chrestos - erzeugten. Wir dürfen annehmen, dass die Tumulte der Juden durch Judenchristen ausgelöst wurde, wie der Historiker Sueton berichtet. Sueton schreibt: 'Claudius vertrieb die Juden aus Rom wegen Tumulten, die andauernd durch Chrestos ausgelöst waren." (in Claudius 25,4 : Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit.)

Die ersten Christen in der Hauptstadt der damaligen Welt machen Radau und sind verantwortlich für die Ausschreitungen, die sogar zu einer staatlichen Ausweisung einer kompletten Glaubensgruppe führt. Also die ersten Christen sind nicht die netten, lieben und harmlosen Menschen, die wir so gerne in unseren Idealbildern sehen wollen: Die verfolgten Menschen, die bei Kerzenschein betend, Kranke pflegen, Almosen verteilen, in einer Kommune leben und alles gemeinsam hatten. Die Christen sind von Beginn an richtige Streithansel; und das hat sich - Gott sei Dank - bis heute nicht geändert. In Rom sind es - liest man den Römerbrief daraufhin - wahrscheinlich zwei Streitthemen gewesen: Zum einen dürften es Auseinandersetzung der Juden, die Christen wurden, gewesen sein, die mit der bestehenden jüdischen Gemeinde in Konflikt standen. Und zum zweiten müssen wir auch davon ausgegehen, dass die Heidenchristen - organisiert in Haus- und Familiengemeinden - sich mit der Mutterreligion der Judenchristen stritten. Für die Obrigkeit war diese Auseinandersetzung um Chrestos sicher schwer durchschaubar. Paulus nimmt in den Kapiteln des Römerbriefes dabei diese beiden Themen der christlichen Radaubrüder und -schwestern auf: das Wissen um Gott nach der alten jüdischen Tradition und die Frage nach der Leistung, dem Können alltäglichen Glauben durch die Gebote. Bis Kapitel 11 hat Paulus seine Themen ausgeführt und macht nun deutlich, dass neben dem Wissen der Tradition und dem Können des Glaubens ein dritter Aspekt wesentlich im christlichen Glauben hinzutritt: Das Vertrauen dahinter.

3. Christologisch -

Paulus versucht zu verdeutlichen, dass von jeher das menschliche Wissen und das menschliche Erkennen Bruchstücke sind. Denn Gott handelt niemals nach unserer menschlichen Logik. Die Weisheit und Erkenntnis, die Gott hat, ist und bleibt unergründlich. So wie Papiergeld schlichter Nonsens ist ohne Vertrauen. So wie Fliegen ohne Sicherheitsvertrauen leichtsinnig wird. So wie Liebe ohne Strukturen eine Illusion ist.

Gerade die göttliche Tat in Jesus von Nazareth als dem Christus/ Messias macht unsere Weisheit und Erkenntnis zunichte. Im Grunde ist dieser Gott ein Skandal für das menschliche Denken und Wissen. Nicht Leistung, nicht Wissen, nicht Logik nach menschlichen Kriterien bestimmt sein Handeln, sondern ein Vertrauen, welches sich für uns Christen in diesem Jesus von Nazareth als dem Christus offenbart hat.

An einen Gott zu glauben, der Macht hat in und durch die Schöpfung (aka Vater), an einen Gott zu glauben, der Güte und Vertrauen schenkt in Christus und an einen Gott zu glauben, der Trost und Zuspruch (aka Heiliger Geist) verheißt - das ist Nonsens; ohne Sinn und Verstand.

Christlicher Glaube ist SINNLOS. SINNLOS wenn nicht das Vertrauen hinzutritt. An Papiergeld und seinen Wert zu glauben, ist sinnlos ohne Vertrauen und die Erfahrung, es wird als Wert akzeptiert. Ebenso der Glaube. Denn die Logik Gottes schlägt die Logik der Menschen durch das, was dahinter ist: ein Ereignis, das da heißt: Ur-Vertrauen.

Auch wenn wir Menschen versuchen, Gottes Vertrauen und sein Handeln in Wort oder menschliche Logik zu fassen, bleibt immer mehr als nur das Menschliche.

Wie lässt sich ein solches Ur-Vertrauen beschreiben?

Nicht das Wissen um die FUNKTION der Güte, der Zuwendung, der Macht Gottes erzeugt dieses Ur-Gefühl, was Glauben ist. Ein Ur-Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Ruhe, welches allem Wissen und Erkennen fehlt.

Vertrauen kann niemals mit Worten ausgedrückt, erfahren oder geglaubt werden. Vertrauen ist ein Ereignis, das sich unserem Verstehen, Wissen, Leisten und Können verschließt.

4. Ur-Vertrauen und Vertrauen in der Welt?

Wie sieht es mit dem Vertrauen in der Welt aus? Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das eigene Wissen, die eigene Möglichkeit, mobil, liquide, beliebt, angenommen, beachtet oder auch einbezogen zu sein?

Als Menschen ist uns Vertrauen ein höchst flüchtiges Gut.

Elektroautos - denen vertraut man noch nicht. Atomenergie - der vertraut man hier in Deutschland immer weniger. Der eigenen Unversehrtheit - nun ja mit steigendem Alter und Gebrechen geht da schon einiges an Lack ab. Dem eigenen Wissen und Können vertrauen wir in jungen Jahren vielleicht mehr als später oder umgekehrt. Bei allem ist entscheidend wie das Vertrauen nicht nur von uns selbst erzeugt wird, sondern wie wir bereit sind, diese Vertrauen auch anderen zu gewähren bzw. an uns gewähren zu lassen.

Trägt Freundschaft und Vertrauen beim Geld leihen? Trägt Liebe und Geborgenheit bei den vielen Dating-Möglichkeiten? Trägt die Rente bei dem ganzen Gerede? Trägt das Geld das Leben bei diesen Zinsen? Trägt die Kirche den Glauben in sich bei diesen Kürzungs-/Zusammen­legungs-Maßnahmen? Trägt die Nation bei diesen Flüchtlingszahlen und -erfahrungen? Trägt das Vertrauen uns und wir das Vertrauen in unsere Umwelt und Gesellschaft?

Letztlich ist aber nicht das menschliche Vertrauen der Schlüssel zur Geborgenheit in die drei Wesenszüge Gottes als Schöpfer, Versöhner und Tröster, sondern etwas ganz anderes: Das bedingungslose Vertrauen Gottes ins uns.

Er trägt, hält, führt, leitet, lebt, stirbt, betet oder liebt mit uns in unserem Leben; und über das Leben hinaus.

Das ist die Botschaft der Trinitas, der Dreiheit Gottes: Vertrauen gilt.

 

Und das Vertrauen Gottes schenke uns einen klaren, aufrechten Blick, einen wachen Verstand und zupackende Hände für diese Welt. Amen.