Thema: Vernunft - weil Gottvertrauen  (als PDF)

Predigttext: Röm 12, 1-3 (4-8)

 

Das Leben als Gottesdienst

1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.

 

1.       Einleitung

Unser Leben sei ein vernünftiger Gottesdienst, Gott wohlgefällig!

Was ist heute schon vernünftiges Dienen und Handeln? Und was wäre denn ein wohlgefälliges Gottvertrauen, hier, jetzt? Gottvertrauen und vernünftig Handeln -darum geht es heute. Was wiegt mehr von beiden mehr, wenn es darauf ankommt? Vernunft und Verant­wor­tung oder Gottvertrauen?

Vernünftig Dienen kommt doch zuerst - oder? Hilfe für den Nächsten, Bedürftigen erzeugt doch wohlgefälliges Gottvertrauen. Z.B. für die, die zu uns kommen. Werden wir also durch das vernünftigen Dienen an Gott zum Gott Wohlgefälligen?

Oder muss das Gottvertrauen Vorrang haben vor der Vernunft? Denn wer von Vertrauen redet, weiß auch um die Angst, wenn Vertrauen missbraucht wird. Angst davor, dass die Welt eben nicht Gleiches mit Gleichem gezahlt. Angst davor, dass Vertrauen enttäuscht, missbraucht und wie in Köln mit Füßen getreten wird. Ist es so, dass die, die auf Gott vertrauen, letztlich vor den Wirren der Welt schon kapituliert haben?

Selten wird heute das Thema zwischen Vernunft und Vertrauen so Ping-Pong-mäßig ausgespielt wie bei der Asyl- bzw. Flüchtlingsfrage oder der schon vergessen Frage nach der Finanzierung Griechenlands oder den Umgang mit dem Kalifat-Terrorismus.

In all diesen Fragen geht es letztlich nur um die Abwägung von Vernunft bzw. Verantwortung auf der einen Seite und von Vertrauen auf der anderen Seite. Und eines sollte uns dabei bewusst sein. Besserwisser, Genauwisser und Wisser, was richtig oder falsch ist, gibt bei diesen Fragen zuhauf. Also solche, die - wie Paulus schreibt: Mehr von sich halten als es gebührt<. Es gibt immer genug Würstchen, die ihren Senf dazu geben müssen. Und dieses Besserwissen ist häufig gerade die Ursache dafür, dass wir uns mit allem Möglichen beschäftigen statt dem Wesentlichen. Also 70 Mrd € oder 91 Mrd griechische Hilfe. Oder 200.000 oder 1 Millionen Flüchtlinge jährlich. Letztlich ist das unnötiger Senf zu der Frage nach sinnvollem Handeln und Gottvertrauen. Und das Spielen mit der Angst vor Vertrauensmissbrauch ist sehr beliebt. Angst vor Überschuldung, vor Überfremdung, vor - was auch immer. Wenn wir es aber nicht schaffen, diesen unnützen Senf in Vertrauen und einen vernünftiges Handeln zu übertragen, wird nichts, gar nichts wohlgefällig; auch nicht Gott gegenüber.

Überwiegen die Ängste statt Vertrauen - wollen sich Menschen abschotten; berechtigerweise muss man. Überwiegt das Vertrauen in die Vernunft heißt es, auch das schaffen wir; berechtigerweise muss man auch hier sagen! Also - scheint wichtig, dass wir uns nicht wirr und irre machen lassen von dem Besserwissern und denen die Mehr von sich halten.

Was wäre also ein sinnvolles Handeln und ein Gott wohlgefälliges Vertrauen? Das ist letztlich die Frage, die uns heute am 1. Sonntag nach Epiphanias beschäftigt.

2. Bibeltext

Unser Text für die Predigt ist dem Brief des Paulus an die Römer entnommen, Kapitel 12, 1-3: Die Verse des Predigttextes sind für Paulus die Einleitung in einen neuen Themen-Abschnitt. In diesem Abschnitt von Kap. 12 bis 15 erinnert, ja ermahnt Paulus die römischen Christen an die Bedeutung unseres Lebens in der Welt (also im damaligen Rom).

Unsere Predigtverse 1-3, also >Seid Gott wohlgefällig. Handelt vernünftig. Tut Gutes. Bleibt auf dem Boden<, bilden sozusagen die Präambel, das bedeutungsvolle Vorwort der Kapitel 12 und bis zum Kapitel 15. In Kap. 12 geht es um das Leben in der Gemeinschaft, mit dem häufig bei Hochzeiten verwendeten Abschnitt von Vers 9: (Die Liebe sei ohne Falsch) bis Vers 21 (Überwinde das Böse mit dem Guten). In Kapitel 13 (1-7) führt Paulus die Frage im Umgangs mit dem Staat und der Obrigkeit aus. Und bis Kap. 15 behandelt er die Frage, wie mit Stärken und Schwächen der Mitmenschen ist. "Darum nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob." (15, 7)

Warum ist das für Paulus so wichtig?

Schauen wir uns mal die Zeitgeschichte unseres Predigttextes an, um beurteilen zu können, was Paulus in welche Zusammenhänge sagen will.  Wir schreiben ca. das Jahr 55 nach unserer Zeitrechnung, das erste Regierungsjahr von Kaiser Nero. Und Nero ist da höchst vernünftig und besonnen; noch nicht der Nero Peter Ustinov mit Harfe und "oh lodernd Feuer, oh göttliche Mach". Nein. Die ersten 5 Jahre Neros sind - wie der Historiker Sueton (Nero 14-19) berichtet - eine Phase des positiven Neuanfangs, bei denen Nero die gefürchteten Prozesse wegen Majestätsbeeidigung abschafft, die Todesstrafe verabscheute und - man staunt - sich als Bandschützer etabliert. Denn er lässt Häuser mit Flächdächern bauen, von denen man bei Feuer den Brand bekämpfen soll.

Auch für die Christen in Rom bricht wieder eine positive Zeit an. Im Jahr 49 (also 6 Jahre vorher) hatte Kaiser Claudius die Juden aus Rom ausgewiesen, weil dese - angetrieben durch Chrestos - Tumulte erzeugten. (Sueton, Claudius 25,4: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit. Claudius vertrieb die Juden aus Rom wegen Tumulten, die andauernd durch Chrestos ausgelöst waren) Wir dürfen annehmen, dass die Tumulte der Juden durch Judenchristen ausgelöst wurde, wie Sueton berichtet. Da sich das Christentum in den ersten Jahrzehnten nach Kreuz und Auferstehung häufig entlang der jüdischen Synagogen im römischen Reich ausbreitet, werden Tumulte und Auseinandersetzungen um Speisevorschriften, Riten und die Frage, wer und was ist dieser Jesus von Nazareth die wichtigsten Fragen gewesen sein. Auch in der Apostelgeschichte wird darüber berichtet. Die Judenchristen und die neuen Christen, die nicht zum jüdischen Volk gehörten (Heidenchristen) müssen einen neuen Weg gehen, der - wie Rom im Jahr 49 zeigte - teils heftige Auseinandersetzungspotenzial bot. Wir Christen treten also auf die historische Bühne mit Tumulten! Um Ruhe in Rom zu bekommen, wies der Kaiser Claudius letztlich die komplette Gruppe aus Rom aus. Ausweisung! So weit entfernt ist die Geschichte nicht von heute.

Vor diesem Hintergrund ERMAHNT Paulus die Christen nun in der Phase des Neuanfangs durch den neuen Kaiser Nero dazu, Gott wohlgefällig und einen "vernünftigen Gottesdienst" zu leben, indem das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene zu tun sei; und man sich bitte nicht wieder für mehr halte als es sich gebührt. Dieses (tumultfreie) Verhalten sei - so Paulus - Gottes Willen. Denn es gehe um das Evangelium aus Glauben zur Gerechtigkeit Gottes.

3. Christologisch - Gottes Evangelium ist Vernunft und Dienen

Gerechtigkeit Gottes im Evangelium von Jesus als dem Christus - ist das große Thema Paulus. Und in der Folge sei es unsere Aufgabe vernünftig zu dienen zum Wohlgefallen Gottes. Die Botschaft damals und heute ist denkbar einfach: Nicht wir müssen die Welt retten und Tumulte um das Richtige oder Falsche, Streitereien um das Vernünftige und Sinnlose beginnen, sondern vernünftig, verantwortlich leben! Leben - nicht streiten. Handeln - nicht plappern, weil Gott an uns gehandelt hat. Und Gottes Handeln an uns ist schlicht nichts anderes als uns von Selbstüberheblichkeit (Luther: Sünde) zu befreien. Wir müssen nicht überheblich sein, weil Gott selbst die Fäden für uns gezogen hat.

Modern würde man sagen: Wir als Christen werden davor gerettet, unvernünftig zu sein oder die Vernunft auszublenden.

So ist es Sünde, also eine Selbstüberheblichkeit, anzunehmen, dass wir in Deutschland eine abgeschottete Insel der Glückseligen seien. Und es ist ebenso selbstüberheblich, also Sünde, zu glauben, wir Christen, wir in Deutschland müssten jeden ohne wenn und aber aufnehmen, versorgen und pampern.

Die Botschaft des Paulus damals wie heute ist recht klar: Legt ab die Selbstüberheblichkeit und handelt vernünftig. Ihr müsst nicht die Welt retten oder die Flüchtlinge oder Griechenland oder was sonst noch. Weil ihr aber selbst von dieser Überheblichkeit befreit wurdet, könnt ihr als Christen mutig auftreten, reden, handeln - und zwar VERNÜNFTIG. Das ist das heutige Dienen an Gott, der vernünftige Gottesdienst - hier, jetzt.

4. Übertragung auf heute: Gott vertrauen bringt Verantwortung

Und dabei ist es egal, ob es um meine Familie, den Nachbar, um die Gemeinde oder Stadt oder unser Land geht. Es ist auch egal, ob es um Flüchtlinge oder um die gestrige / morgige Rettung Griechenlands geht. Gottvertrauen und Verantwortung gehören für Christen zusammen.

Also heißt das für uns heute, eben nicht gegenüber der einen oder der anderen Seite blind zu sein. Nicht Angst siegt, sondern Zutrauen. Nicht Überheblichkeit, sondern Vernunft ist das Gebot der Stunde. Weder den Gesundbetern für Griechenland oder der Flüchtlingsaufgabe ist das Wort zu reden, noch den Angstschissern vor Geldverlust und Überfremdung.  Um wieder zu einem evangelischen Dienen an Gott zu kommen, wird es für uns erforderlich sein, das Vertrauen in die Menschen vernünftig zu gestalten; und nicht pauschal. Wir helfen, wir treten ein, wir unterstützen - das ist alles keine Frage! Aber wie dumm müsste man sein, dass wir das unvernünftig und ohne Planung machen. Und wie bescheuert wäre es zu glauben, dass wir uns Brandstifter ins Haus holen und diese dann noch füttern und kleiden.

Es gibt etwas in dieser Welt zu gestalten. Und das ist auch die Botschaft des heutigen Sonntags. Vernunft mit klarer Kante. Das tun wir als Christen. Aber bitte - weil wir Christen sind NUR vernünftig und vertrauensvoll. Ohne Überheblichkeit, ohne Ängste. Und auch ohne Scheu.

Ja - sogar mehr. Wenn Andere glauben, uns zu Opfern in unserem Land zu machen, darf es ein bisschen mehr sein. Wenn also Testosteron gesteuerte marodierende Banden junger Männer glauben, uns ihre Verantwortungslosigkeit aufzuzwingen, dann darf es ein bisschen mehr sein, gegen diese .... Menschen vorzugehen. Vernunft und Besonnenheit schließen doch eine klare Kante nicht aus. Was es ausschließt - zumindest für uns Christen - ist, dass wir zurückfallen in das finstere Zeitalter, dass Frauen oder auch Homosexuelle oder vielleicht wieder Juden oder wer/was sonst noch zu einer Gruppe werden, die straf- und folgenfrei verfolgt und misshandelt werden darf. Und ekelhaft ist nicht allein das Verhalten dieser Männer, sondern es sind auch Forderungen, dass sich Frauen beispielsweise "züchtig" verhalten oder kleiden sollten aus Eigenschutz. Fehlt nur noch eine Kleiderordnung, eine Burka oder vielleicht wieder ein gelber Stern!

Vernunft und Verantwortung ist das Gebot der Stunde, weil wir Christen sind. Das ist ein vernünftiges Dienen an Gott, ein dem Herrn wohlgefälliger Gottesdienst. Das ist die Botschaft des heutigen Sonntags.

Amen

 

Und Gottes Vertrauen in uns, erzeuge und bewahre unsere Verantwortung als Dienen an ihm. Amen.

Lied 200, 4-7


 


 

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