Thema: Katholische Todsünde - Völlerei (Jes. 54, 7-10)

 

Jes. 54, 7-10

7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.

8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser.

9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.

10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

 

1.       Einleitung

Guten Morgen.

Diese Predigt soll - so die Vorgabe der Predigtreihe - sich heute mit einer weiteren Todsünde, nämlich der der Völlerei, beschäftigen.

Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen dazu machen:

1. Es ist ungewöhnlich, dass evangelische Kirche sich mit Todsünden beschäftigt; denn wir Evangelische kennen solche Sünden nicht. Mehr noch: Wir halten die katholische Todsünden für eine Irrlehre.

2. Vorbemerkung: Wir Evangelischen haben keine moralische Sündenlehre. D.h. es ist für die Evangelischen im Blick auf unseren Glauben unerheblich, ob Menschen moralische Verfehlungen begehen. Denn nicht diese Sünden oder Sündchen, also menschlich-moralische Verfehlungen und Missachtungen sind der Sünden Tod, sondern es gibt nur eine Sünde, nämlich SICH-SELBST-ERLÖSEN-WOLLEN.

Und 3.: Es ist schlicht dem Evangelischen widernatürlich zu glauben, dass es so etwas wie eine Sünde geben kann, die das Evangelium aushebelt und die Gnadenzusagen Gottes in Frage stellt.

Insofern stehe ich vor einem Dilemma, welches jeder aufrichtige Evange­lische mit dem Thema hat: Denn nirgends könnten wir Evangelischen weiter von der vatikanischen Staatskirche entfernt sein, als in der Frage, ob die Gnade Gottes durch eine menschliche Sünden- und Morallehre verlustig gehen kann. Sie kann es nicht!

Weder durch Fressen, Saufen oder Sex oder sonstige als moralisch zweifelhaft angesehene Verhalten von Menschen kann der getaufte Mensch der Gnade Gottes verlustig gehen. Denn sollte die Gnade Gottes eine lässliche, einer vergängliche sein; oder auch eine, auf deren Zusage MANN und FRAU sich nicht mehr in Taufe und Abendmahl verlassen darf, dann sollten wir hier einpacken und nach Hause gehen.

So, soviel zu der evangelischen Botschaft zu Beginn.

Dass ich mich diesem Thema der Völlerei nun doch widmen will, hängt mit zwei Aspekten zusammen. [1] Zunächst wurde über die Frage von Völlerei - wenn auch mit anderen Begriffen -  in den letzten Tagen und Wochen in unserer Gesellschaft auf das Heftigste kontrovers diskutiert. Es geht dabei um nur eine Frage, der wir uns also heute stellen müssen, die die gesamte Bandbreite einer katholische Moraltheologie - vor allem in der Abgrenzung zum Evangelischen - in sich trägt. An nur dieser einen Frage wird schnell die Bandbreite der geschilderten Problemstellungen deutlich. Die Frage lautet: Kommt Uli Hoeneß in den Himmel?

Also: Kommt der Uli in den katholischen Himmel, wäre wohl richtiger gefragt. Was hat nun Völlerei mit Uli Hoeneß zu tun, kann man sich fragen, weil es geht doch um Fressen, Saufen, vielleicht auch Sex?

Ganz einfach. (a) Völlerei ist nicht anders als DEN HALS NICHT VOLL GENUG KRIEGEN. Egal ob Essen, Getränke, Geld, Liebe, Zuneigung, Wohlstand, Achtung oder sonst etwas.

Sodann (b): Völlerei ist ein katholisches Sündenproblem; und Uli Hoeneß ist ja nun mal katholisch.  Und schließlich (c): Es wird bestraft.

Insofern gebietet es die Verkündigung des Evangeliums heute sich auch - aber in eindeutiger Abgrenzung zum Katholischen, sich mit der Frage der Völlerei und damit der Frage, ob Uli Hoeneß in den (katholischen) Himmel kommt, zu beschäftigen. Bevor wir uns aber auf das katholische Glatteis begeben, ist aber ein [2] zweiter Aspekt entscheidend für das Thema heute. Denn auch der heute vorgegebene Predigttext beschäftigt sich mit der Frage der Verlässllichkeit der Gnade Gottes wenn Menschen fehlen.

 

2.       Textbezug: Jes. 54, 7-10 (vorlesen)

Schon die Verfasser dieses Jesajatextes waren scheinbar evangelisch angehaucht. Sie reden nicht von vergänglicher, von verlierbarer oder zeit­lich bedingter Gnade Gottes. Die Jesajaschreiber haben scheinbar mehr evangelischen Grips als manche katholische Dogmatik. Denn Gottes Wort ist ewig, unauslöschlich, unausweichlich. Vers 10: "Meine Gnade soll nicht vor dir weichen."

Sicher - wir dürfen nicht vergessen, dass diese Worte ca. 600 Jahre vor Jesus, dem von uns geglaubten Christus, geschrieben wurden. Geschrie­ben in einer Zeit nach dem verlorenen Krieg gegen Nebukadnezar im Jahr 587 v. Chr. Geschrieben in der Verbannung in Babylon, wohin die Sieger die Verlierer als Sklaven mitnahmen. Und unser Text ist genau in dieser Zeit der Verbannung entstanden. Davon berichtet das Jesajabuch im Alten Testament in seinem zweiten von drei Hauptteilen, in den Kapiteln 40-55. Eingebetet ist dieser Text in die große Story "Jesaja".

Über den Propheten Jesaja ben Amoz (Sohn des Amoz) wird in der Kapiteln 1-39 erzählt. Hier geht es um die Bedrohung des Staates Juda um die Zeit zwischen 740 und 700 vor Chr. Der zweite Hauptteil (Kapitel 40-55), in dem unser Text steht, ist also ca. 200 später geschrieben und der Ursprungsgeschichte von Jesaja angehängt. Schließlich gibt es noch den Dritten Jesajateil in den Kapiteln 56-66. Der dritte Teil des Jesajabuches berichtet von der Zeit nach der Befreiung aus dem Exil, die im bzw. nach dem Jahr 539 v. Chr. erfolgte. Der Staat Babylon [heutiger Irak] wird durch den persischen König Kyros II [580-530 v. Chr.] - heutiger Iran, erobert und die Judäer dürfen nach über 50 Jahren wieder heim­kehren. Unser Text ist also KEIN Jubeltext, denn die Schreiber wissen noch nichts von der Errettung durch einen Perserkönig. Er ist eine Erinnerungstext, eine Traditionstext, ein Text, der uns auf unsere Stärken zurückwirft.

3.       Christologisch-Evangelisch

Und das ist auch heute das Thema, wenn es um katholische Völlerei geht. Egal bei Uli, bei Tebartz, bei uns oder sonst wo. Evangelische Völlerei ist keine Todsünde, ja sogar überhaupt nicht als Sünde erkennbar. Fressen, Saufen und von mir aus auch Sex - ist eben nicht eine die Gnade Gottes verlustig gehende menschliche Handlung. Eben nicht. Es gibt kein moralisches Urteil der Evangelischen zu Völlerei, zu den Hals nicht voll genug bekommen. Das ist die Aufgabe der katholischen Fraktion. Wir enthalten uns solcher Stammtisch-Theologie. Dass wir eine "private" Ansicht haben mögen, ist eine andere Frage. Evangelisch gesehen ist Völlerei harmlos. Wir stehen fest im Glauben (sola fide) und deshalb können wir die Sünde begrüßen. Denn die Sünde, die unserem Mensch­sein quasi schöpfungsgenetisch verwoben ist, ist ein Teil des Leben.

Während im Katholischen Sünden als moralische Verfehlungen anerkannt sind, ist bei uns allein die (eine, einzige) Sünde bekannt - die Abkehr von Gott. Abkehr von Gott - was heißt das evangelisch anderes - als sich der eigenen Selbstüberhöhung hinzugeben. Was heißt das anderes als Endlichkeit, Vergänglichkeit, Sterben und Tod als nicht existent zu betrachten. Gott aus dem Blick nehmen, quasi als eigener Gott oder Göttin vor dem Spiegel zu posen und die eigene Kraft, Schönheit, Klugheit über die menschliche Begrenzheit zu stellen. Dabei ist Sünde ist ja gerade nicht Fressen, Saufen, Sex, Steuerhinterziehen oder auch Steuern verschwenden, sondern Sünde ist: sich außerhalb der Endlichkeit stellen zu können. Herr über Leben und Tod und die anderen sein zu dürfen. Wer sich über Uli stellt, der hat ein Problem als Evangelischer, weil er sich besser glaubt, fühlt, darstellt als den anderen. Er spielt Gott. das ist Sünde! Menschliche Handlungen - so unsere Botschaft - sind Schall und Rauch bei der Gnade Gottes. Gottes Gnade muss eben nicht verdient werden. Es helfen uns keine Spenden, Wohltaten, Obdachlosenspeisungen oder Steuerehrlichkeit. Das ist nichts wert im Himmel.

4.       Und Uli?

Und Uli? Was machen wir mit dem? Nun - die Einschätzung ist einfach: In den katholischen Himmel dürfte er wohl nicht kommen. Denn den Hals nicht voll genug kriegen, wissentlich - mit Vorsatz quasi - ist eine katholische Todsünde, die nun mal zum Verlust der Dauerkarte auf den Rängen der himmlischen Allianzarena führt. Katholisch wohlgemerkt.

Evangelisch gesehen behält seine Dauerkarte. Sicher - wir hätten da hier nun nix von. Denn die 2,3 Millionen Euro Kirchensteuer, die er nachzahlen muss, erhält das Erzbistum München und Freising.

Ungeachtet der Sühne und Strafe: Wenn Uli sich auf den Herrn beruft, erhält er - wohlgemerkt evangelisch gesehen - seine Dauerkarte ohne Wenn und Aber. Und - ich schätze mal, weil Kirche heute so gierig auf Geld ist, wird's sicher auch im katholischen Himmel eine Stehplatzticket für Uli im Ablass geben.

Völlerei ist - so sehen wir Evangelische das - einfach eine menschliche Handlung, die ÜBERHAUPT NICHTS mit der Gnade Gottes zu tun hat. Ob wir dem Hungrigen unser Brot brechen - wie wir singen - ist KEINE Verdiensthandlung Gott gegenüber, sondern eine verantwortliches Handeln, weil auch wir in Christus beschenkt wurden. Schenken - ohne Bedingung. Oder eben auch nicht Schenken oder Teilen. Als Ebenbild Gottes ist es uns aufgetragen zu entscheiden, ob wir uns so oder so verhalten. Fasten oder Völlerei, Gier oder Nächstenliebe, Neid oder Zuneigung, Habsucht oder Spenden - diese Gegensatzpaare gibt es bei uns nicht. Und übrigens: Verbohrtes Fasten oder überbordende Nächstenliebe kann sehr wohl ein ÜBEL in der Welt sein.

Wir dürfen mal gierig nach Geld, mal zuneigend, mal spendenfreudig oder habgierig sein. Nichts von unserer Handlung trennt uns von der Gnade des Herrn; wie schon die Schreiber im Jesajabuch wissen:

>Ich zürne dir nicht, ich schelte dich nicht, meine Gnade ist ewig, unverbrüchlich, spricht der Herr.<

Und so hat Luther es auf den Punkt gebracht, was wir Evangelischen gerne und mit Genuss sündigen dürfen, aber durch den tieferen Glauben, den uns Gott schenkt, wir niemals aus seiner Gnade fallen.

Sündige tapfer, glaube tapferer - so Luthers Motto.

Wir enthalten uns katholischer oder gesellschaftlicher Moralcodices oder Hetzjagden. Wie dümmlich diese innermenschliche Sichtweise ist, zeigte letztes Jahr die Wahlkampfwerbung einer kommunistisch ausgerichteten Partei ist. Dort sollten alle Banken und Börsen als Spielcasino angesehen werden. Zocken sei das. Und nun Forderungen nach härterer Strafe für Hoeneß. Nur - Gewinne aus Zocken, aus Gewinnspielen, aus Casinobesuchen sind nach dem deutschen Steuerrecht keine Einkunftsarten, die versteuert werden müssten. Hoeness als Zocker im Casino hätte nix versteuern müssen. Und - wie wir mittlerweile wissen - hat er auf hohem Niveau gezockt. 50 Mal am Tag, 50.000 Mal in 8 Jahren die Kugel rollen lassen. Eben nur an der Börse nicht im Casino. Und nach jedem Spiel hat er hat "NUR" vergessen die Steuer auf den Gewinn - wie bei Börsenspekulationen notwendig - abzuführen. Dafür ist er jetzt Dass nix mehr von dem Geld da ist, weil verzockt, wäre für das Spielcasino egal. Für die Börsenspekulation bei deutschem Einkommensrecht aber eben nicht. Deshalb Knast. Mit Gerechtigkeit hat das gar nichts zu tun. Denn Gerechtigkeit ist allein - so unsere Botschaft - durch die Gnade Gottes erhältlich; auch für Völlerei, für Zocken und alles was verwerflich ist. Das ist die Botschaft des heutigen Sonntags Lätare. Amen

Herr, schenke Kraft und Wissen und Stärke deine Gnade auch im Alltag zu leben beim Völlen oder Fasten. Amen.