Thema: Prophetie – aber richtig (Jer 23, 16-29)

Bibeltext

16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.

17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.

18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?

19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.

20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.

21 Ich sandte die Propheten nicht und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen und doch weissagen sie.

22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.

23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR.

25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.

26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen

27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?

28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der HERR.

29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt? 

 

1.      Einleitung

Das Erste, was man auf einer Schule für Propheten lernt, ist der Unterschied zwischen den drei prophetischen Ausgangszuständen, nämlich:

1. Gleichförmig, 2. Kompliziert und 3. Komplex.

Schule für Propheten – noch nie gehört?

Propheten – das sind die Menschen, die die Zukunft weissagen können, die Wind, Wetter, Aktienkurse, Wirtschaftsentwicklungen, Leistungen und selbst Schulnoten vorhersagen können. Schule für Propheten. Sie schauen mich so ungläubig an. Die gibt’s und zwar an vielen Stellen. Sie glauben mir nicht? Warum? Machen wir mal einen Test. Wer hat das gestrige EM-Spiel Ergebnis der deutschen Fußballer gegen Portugiesen exakt vorhergesagt? Melden. Wer hat unschärfer als Prophet betätigt und nur auf Sieg, unentschieden oder Niederlage getippt? Sehen Sie; Sie sind Propheten. Ob sie „recht“ hatten, ist erstmal zweitrangig.

Wir sind umgeben von einer Unmenge an Propheten, die uns vorhersagen, Weissagungen und Prognosen erstellen. Sie raten uns beispielsweise dieses oder jenes Mittel zu nehmen, wenn Birkenpollen fliegen; sogar im Rundfunk. Die Propheten sagen uns am Telefon oder im Internet die Ankunftszeit des Fluges in drei Stunden vorher. Oder die 5 Oberpropheten Deutschlands (die so genannten Wirtschaftsweisen) sagen uns die Entwicklung der Wirtschaft vorher. Wirtschaftsweise. Ausbildungs-, Renten- Krisenexperten. Wettervorhersager. Die Meteorologen erscheinen zu Hauf im Fernsehen, Zeitung oder im Alltag und machen 7-14 Tage Wetterprognosen. Selbst Prinz Charles habe ich gelesen – überbrückt nun die Wartezeit zum Königwerden mit Wettervorhersagen. Die Wirtschaftspropheten sagen uns den Untergang des Euro vorher. Nur eine Randnotiz: Ich hab mal den Untergang mit Euro ausprobiert. Das Ergebnis des Feldversuchs war nicht eindeutig mit dem Untergehen des Euro. Die Münzen gingen im der Badewanne unter, die Scheine schwimmen, zum Teil. Aber Spaß beiseite. Weissagen, Vorhersagen, Prophetische Aussagen sind nicht allein ein Akt der Vergangenheit und des Mittelalters. Es hat auch wenig mit Voodoo oder so zu tun, sondern mit dem Alltag von Ihnen und mir.

Propheten – gibt’s auch heute. Selbst in der Schule (ich komm sicher dran, weil ich die Sachen nicht dabei hab). Oder zu Hause: Gleich explodiert Mama, wenn Sie mein Zimmer sieht. Oder: der Nachbar macht sicher am Mittwoch bei EM Spiel gegen Holland wieder so eine irre laute Gartenparty. Wollen wir mal die Wettervorhersage anschauen, vielleicht regnet es ja. Dann fällt die Feier ins Wasser.

Schule der Propheten und die drei Ausgangszustände für Prophetik: 1. Gleichförmig, 2. Kompliziert, 3. Komplex. Da war ich stehen geblieben. Prophetie wird studiert, nennt sich Vorhersage, Prognostik, statistische Hochrechnung oder Probabilistik (Wahrscheinlichkeitsrechnung).

Gleichförmig ist einfach, weil immer ziemlich sicher wiederkehren. Beim Vater unser läuten die Glocken. Die rote Ampel schaltet auf Grün, ziemlich sicher. Die S Bahn benötigt 26 Minuten von Bad Soden zum HBF in Frankfurt. Nur bei technischen Defekten der Orgel, Ampel oder einem Unfall treten diese Vorhersagen nicht ein.

Kompliziert – Eine mechanische Uhr ist kompliziert. Viele Teile greifen ineinander. Die Vorhersage wird möglich, vor allem dann, wenn die Rahmenbedingungen sich nicht ändern. Wetter kann bedingt vorgesagt werden, wenn mal kein Vulkan ausbricht.

Komplex und das ist die höchste Form der Prophetie/Vorher­sageanfor­derung ist ein Lage dann, wenn Faktoren eintreten und beeinflussen, wodurch es zu eigenständigen Rückkopplungen kommt, die man nicht mehr schnell genug berechnen kann.

Und nun das ist das Besondere: Alles im Leben, in der Wirtschaft, in der Liebe oder beim Fußball kann gleichförmig oder kompliziert oder auch komplex sein. Also: Propheten haben es nicht einfach, denn morgen kann ich erfahren, überprüfen, ob es gestimmt hat mit der Vorhersage.

2.      Textbezug: Wider die Gesundbeter

Im Predigttext – und deshalb mein Gerede über Propheten – wettern ein Prophet, nämlich Jeremia als Prophet Gottes wider die anderen Propheten. Und seine Aussage ist einfach: Diese, also die anderen Propheten sind nicht dazu da, eine Vorhersage zu treffen, sondern die Wünsche den Menschen von den Lippen abzulesen. Es sind falsche Propheten. Ihr redet – so Jeremia über die unliebsame Konkurrenz – aus Eigennutz und aufgrund eurer eigenen Wunschvorstellungen. Ihr habt keine Legitimation auf eine verlässliche Vorhersage. Die kann nur der geben, der das Wort Gottes predigt – auch wider die Wünsche der Kunden.

Jeremia – soviel wissen wir – wirkte etwa 625 bis 585 v. Chr. in Südreich Juda. Das jüdische Volk war um 926 v. Chr. in mehrere Staaten zerfallen. Das Nordreich Israel und spätere Südreich Juda. Das Nordreich Israel war ca. 100 Jahre vor Jeremias Auftreten um 722/721 v. Chr. von den Assyrern zerschlagen worden. Das Südreich um Jerusalem erstarkte und wiegte sich in einer Sicherheit zwischen den großen Mächten um Juda herum: Gomer, Perser, Meder um nur einige zu nennen.

Jeremia predigt die Buße und Umkehr zu Gott, andernfalls prophezeite er schon Jahre zuvor den Untergang Jerusalems und des Tempels, der im Jahr 586 v. Chr. tatsächlich eintrat.Jeremias selbst wird nach Ägypten verschleppt oder kommt unmittelbar nach der Zerstörung Jerusalems um. Genaueres ist unklar.

Unser heutiger Predigttext ist im Kernstück des Jeremiabuches (Kap. 21-24/25)  mit einer eindeutigen Prophezeiung: Jerusalem wird zerstört werden! Und es folgt – so die Prophezeiung Jeremias - ein 70-jährigen Exils. Die Kernaussage ist einfach: Bekehrt euch zum Gott Jahwe. Glaubt nicht den falschen Propheten. Was will Jeremia in die Gesellschaft und die politische Riege Judas hineinsagen? Allein im Glauben an Jahwe, den israelitischen Gott sind die einzigen tragfähigen gesellschaftlichen Grundpfeiler des Staats verankert. Sie sind: unverbrüchliche Solidarität untereinander, die Achtung der Armen und die Wahrung der den Staat tragenden Gemeinschaftsstrukturen. Dagegen seien aber – so Jeremia Täuschung, Betrug und egoistisches Gewinn- und Wunschstreben prägend für die Gesellschaft. Deshalb spricht Jeremia seine Prophezeiungen und Kritik gegen die anderen Propheten, Priester und Könige. Schlicht gesagt: Die Judäer kümmern sich nur noch um sich und ihre Selbsterhaltung, statt sich um die Werte zu kümmern, die den Staat zu dem gemacht haben, was er ist: Das Vertrauen und Hoffen auf Gottes Macht, der aus der Verbannung und Versklavung geführt hat.

3.      Christologischer Bezug: Dienst für andere

Überträgt man dies auf unseren christlichen Zugang, dann erscheint Gott in Jesus Christus selbst als der Diener für andere, für uns. Die Selbstaufopferung in Christus, so unser Glaube, ist der Dienst Gottes für andere, für uns. Es geht nicht darum, dass wir vieles nicht selbst schaffen oder erzeugen könnten: wie Wetter, Liebe, Lottogewinn. Dennoch ist jedes Streben auch verwurzelt in die dahinter liegenden Werte und Vorstellungen.

Wer keine Werte mehr hat, braucht Geld als Mammon als Ersatzgott oder Ersatzwert. Wer sich und seinen Körper in den Vordergrund stellt, braucht Klamotten, Superstarallüren, Labels oder Gesäßfalten-OPs. Wer keine Werte hat, hat auch keine Augen und Gedanken für andere. Das ist die christliche Botschaft. Andere sind der Fokus, auf den wir uns einlassen sollen. Das Andere, was Gott uns in Christus vermitteln will, ist Verständnis und Einsicht unseres Lebens, dass wir niemals die Endlichkeit, das Sterben, das Scheitern durch Prognostik, „Schätze anhäufen“ oder „Zinsen machen“ überwinden können.  

„Für andere“ – das ist die Ausgangslage der heutigen, evangelischen Prophezeiung. Sie fordert auf, nicht die eigenen Tagträume, Wünsche und Sehnsüchte in den alleinigen Fokus zu stellen, in die Mitte allen Denkens und Handelns; sondern gerade die anderen mit in die Verheißung der Zukunft hinein zunehmen. Also es ist simpel: Evangelische/r Prophet/in sind wir dann, wenn wir heute die Zukunftsbotschaft für andere ansprechen, prophezeien und leben.Es geht nicht um Mission oder so eine Sache, sondern um was viel einfacheres. Der Blick ist auf den anderen gerichtet, den neben mir, den ich nicht mag, der verwirrt scheint oder ist. Im Grunde geht es um das Teilen unserer Zukunftsgewissheit mit anderen. Geld wird dann aus dieser Erkenntnis geteilt, dass wir endlich, einsam und bedürftig sind, Es geht um Vertrauen und Gewissheit in einer Welt, die sich täglich aus ihren Angeln hebt, ihre eigenen Werte vergisst, verrät und instrumentalisiert.

4.      Mut zur Zukunft

Und so bleibt es eine einfache Aufgabe, nach außen und prophetisch gesprochen, die wir zu erfüllen, zu leben haben: Den anderen, die anderen sehen als endliche Geschöpfe Gottes. Sehe ich den anderen, die anderen noch? Sehe ich Ausgrenzung der Armen, Schwachen, Lernschwächeren, der mit weniger weißen Zähnen oder derjenigen, die scheinbar nichts mehr für die gesellschaftliche Zukunft leisten? Die Leistung für die Zukunft – das ist auch die Botschaft des Jeremia an seine Könige, Fürsten und Volksgenossen – ist keine Leistung, die wir durch falsche Prophetie der Eigenwünsche uns selbst erfüllen können. Die Zukunft des eigenen Lebens liegt in der Sicht auf und für den anderen, weil allein dadurch wir die Werte des Evangelium um tragen kommen. Unsere Prophetie lautet: Ich, du, wir sind die Zukunft, gerade dann, wenn wir mit, für und bei anderen diese Zukunft eröffnen; sei es durch Hilfen, Lächeln, Liebe, Worte, Geld, Erfahrungsaustausch oder einfach, dass wir den anderen sehen.

Augen auf – das ist Botschaft; Herz öffnen – das ist der Auftrag.

Amen

Und weil Gott in uns Zukunft sieht und fördert, stärke er uns mit anderen die Zukunft zu gestalten.

Amen. 351, 1-4 Ist Gott für mich, so trete