Thema: Endlich

Predigttext: Kolosser 2, 12-15

 

12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.

13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.

14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.

15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

1.     

Thema: Endlich (Kol. 2, 12-15)

1.      Einleitung

Endlich! Endlich? Endlich.

Was is en das? Keine Angst, Konfis, der Kerl auf der Kanzel stottert sich heute hier keinen ab.

Endlich. Wann ist endlich Schluss? Endlich meine Ruhe! Wenn ich nur endlich konfirmiert wäre! Endlich mal ausspannen. Endlich, diesen Job. Endlich.

Endlich – Um welches Ende geht es dabei überhaupt?

Die Blickrichtung von Endlich ist eine zweigleisige. Entweder nach vorne gerichtet oder nach hinten.
Endlich mit dem Blick nach vorne (>Fingerzeig nach vorne<); als Abschluss, als Überwindung einer meist als negativ empfundenen Sache, die ich hinter mir lassen will. Der Aufbruch in eine Neue, in eine „bessere“ Situation ist im Blick. Endlich habe ich diesen Mist überwunden und kann mich auf das Kommende freuen.

Endlich mit dem Blick nach hinten (>Fingerzeig/Daumen über Schulter< Daumen hoch zeigen eigentlich auf das Erreichte, also nach hinten); als Zielerreichung, als schlichte Feststellung, etwas geht oder ist zu Ende. Endlich geschafft als Positives als Blick auf das Erreichte.

Endlichkeit von Schulunterricht. Manche hoffen darauf. Ich habe dieses den 30. Jahrestag Abitur. Heute sehne ich mich nach einige Erfahrungen, Dinge von damals zurück; einigen, nicht allen.

Wie ist das mit euch hier unten? Morgen - Endlich wieder Schule?

Tja, auch Ferien, Urlaub, Erholung, Ausruhen, Spannung gehen zu Ende.

Alles hat ein Ende, manche Würste haben zwei. Und dennoch endet es.

Das Ende kommt und irgendwie ist das Ende zugleich Neuanfang.

Endlichkeit – und das ist das heute Thema der Predigt – macht sich am besten daran deutlich, wie endlich unsere Lebensabschnitte, unser Tun und Lassen sind.

Was ist dauerhaft? Was beständig? Was sicher? Was bleibt?

Immer Ferien? Immer Ruhestand, Ruhe? Immer Arbeit? Immer Liebe? Immer Lernen; lebenslang? Immer und dauerhaft soll es im Moment sein.

Ewig. Aber nein es ist Endlich. Das Leben ebenso wie die Wurst. Manchmal sucht halt vergeblich nach dem richtigen Ende. Bei den Ferien wie auch bei der Schulzeit. Beim Lieben und Verliebtsein, beim Trauen und Versinken, ebenso wie bei der Wut und dem Frust.

Wenn man alles, was uns ausmacht, auf einen Punkt bringen müsste, dann ist die Antwort auf alle Fragen nur eine: Es ist endlich. Das Leben, die Liebe, die Schule, das Arbeitsleben, das Freuen, das Leiden.

Nichts wird in diesem Dasein ewig dauern, sondern eine Zeitspanne haben und vergehen, damit ein Neues aufbricht. Es ist dabei auch unerheblich, ob das Neue mir gefällt, wohlgemeint, hilfreich, herausfordernd, belastend oder frohsinnig ist, denn alles, was wir leben und tun, bleibt unter diesem einen Vorbehalt der Endlichkeit bestehen.

Und zwar genau mit diesen zwiespältigen Gefühlen;

endlich überwunden – uff; und endlich erreicht – wow.

2.      Textbezug: Endlich aus der Kiste

Der Predigttext beschreibt auch eine Endlichkeit. Und zwar doppeldeutig.

Text vorlesen (Kol. 2, 12-15)

Der Brief des Paulus oder seines Sekretärs ist an die frühchristliche Gemeinde in Kolossai verfasst. Kolossai war eine Stadt in Kleinasien; heute ungefähr in der Mitte zwischen Izmir (Westküste der Türkei) und Antalya (Südküste der Türkei) im Hochland gelegen; bei Denizli.
In diesem Brief an die Kolossergemeinde wird – abweichend von der sonstigen Interpretation – für die Kreuzes- und Auferstehungsgeschehen eine allumfassende Sicht der Welt und des Kosmos dargestellt.

Christus wird als Retter nicht nur allein für einzelne Menschen dargestellt sondern als es ist eine Heilstat, die den gesamten Kosmos; also Erde, Sterne und Planeten und alles, was uns sichtbar und unsichtbar umgibt.

So folgt unserem Predigttext unmittelbar ein Hymnus, eine Loblied auf den Gott dieses Kosmos und die Heilstat Christi:

„15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. 16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. 17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. 18 Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. 19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. 20 Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“

Theologisch ausgedrückt bietet der Kolosserbrief eine kosmologisch Gegenwartseschatologie. Was ist das?

Die Verse 12/13 unseres Predigttextes machen dies deutlich: In Christus ist diese Endlichkeit, ja der Kosmos durchbrochen.

12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.

13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.

Die Christen sind durch die Taufe bereits mit Christus gestorben und auferstanden in einer erlösten Welt.

Und Zeit, Endlichkeit wird in der Taufe für uns aufgelöst. Taufe ist eine Umarmung, ein „Hineingetauft-Werden“ ist die gnädige Erlösung durch Jesus Christus.

3.      Christologischer Bezug: Endlich Leben

Christlich sein, meint somit. Hineingenommen-Werden in die Tat Jesus von Nazareth. Das hört sich nun komisch an. Wie soll man das verstehen? Vielleicht so: Wenn ich mich freue, wenn ich liebe, dann umarme ich Menschen, weil das Glücksgefühl mich umfängt und ich durch die Umarmung es weitergeben möchte. Genauso bei Trauer: In den Arm genommen zu werden, sich geborgen zu fühlen, trotz, ja wegen der eigenen Ohnmacht vor schrecklichen Erfahrungen, seien es Albträume, Lebenskrisen, Krebs, Sterben oder Tod. Die Geborgenheit zu spüren, was ist das anderes als die Endlichkeit zu vergessen. Die Zeit entrückt.

Diese Geborgenheit bricht die Endlichkeit auf. So kann man es sich vielleicht das Vorstellen, wenn der Predigttext uns vom „Lebendig-Machen“ (13) redet. Es ist fast unmöglich, diese Geborgenheit mit Worten zu beschreiben. Weil diese Geborgenheit, diese Grundgewissheit, „ich werde nicht fallen oder abheben“, weil ich gehalten bin, hier und doch jenseits der Endlichkeit des Lebens und der endlichen Erfahrungen.

Niemand kann Liebe erklären, Sterben verstehen, Jubel hinreichend beschreiben; und dennoch existiert da etwas, was die Endlichkeit von unseren Erfahrungen letztlich in Atem hält. Das ist „Quasimodogeniti“ – wie der heutige Sonntag genannt wird; Wie neu geboren – das bedeutet „Quasimodogeniti. Quasi wie im Modus einer (neuen/zweiten, lebendig machenden) Geburt.  Wir als Getaufte sind eben nicht allein in einem endlichen Modus, einem Modus operandi gefangen. (Modus operandi – wer von euch Konfis hat Latein? Was heißt das? Es ist, die Art zu handeln.)

Es geht also um den christlichen Lebensstil; meinen, deinen Modus zu leben. Es ist die Frage. wie wir unser Bewusstsein an den Tag legen. Wie wir diese getaufte Geborgenheit, das Wissen um Gottes Fürsorge für uns, nach außen im Leben sichtbar und griffig wird. Nicht das Abschalten gegenüber der Endlichkeit ist die Lösung. Offline-Modus ist keine christliche Lebensart.

Wir können problemlos den christlichen Online-Modus wählen, weil uns die Taufe durch die Endlichkeit hindurch trägt. Weil wir trotz allem Schrott, Jubel und Beweglichkeit in dieser Welt, in Christus umarmt sind, geborgen in Gott sind.

4.      Endlich leben - Lebe endlich

Dieser christliche Modus, in den wir durch die Taufe gerufen sind, ist unsere eigene, unsere eigentliche Aufgabe im Leben. Es ist eine Aufgabe für das eigene Selbst. Es wird zu meiner Aufgabe von Offline auf Online zu schalten. Es geht eben bei der Aufgabe, dem Modus unseres Lebens nicht darum, sich selbst und andere aufzugeben. Selbstaufgabe, die uns durchaus überfallen kann; sich selbst aufzugeben, ist nicht die christliche Aufgabe, die die Endlichkeit besiegen lässt. Nicht Passiv-, sondern der Aktivmodus ist die Aufgaben. Und das bedeutet, die Endlichkeit für sich selbst wahrzunehmen, anzunehmen und zu gestalten. Es gibt genügend Menschen, die gerne in ihrer Selbstaufgabe, in ihrer begrenzten Endlichkeit leben. Wir Christen brauchen dieses Gejammere eben nicht zu befördern. Wenn ich heute einige unsere Kirchenvertreter reden höre, mit dem unsäglich Angstgeschrei von Kirchenkrise, von weniger Leuten und Geld; und ach wie schwer doch alles sei und wird, dann wird mir übel. Wo ist der modus evangelii, der Modus froh zu sein, den christlichen Lebensstil gerade im Angesicht alles Endlichen zu leben und darzustellen.

Ich gestehe, wenn selbst meine bezahlten Pfarrkollegen jammern; wenn Kapitäne sich als Erste von Bord machen, dann könnte Panik auftreten. Könnte! Muss und wird es aber nicht. Es gilt aufzuwecken. Online zu gehen. Wir sind es. Sie, du und ich. Jeder von uns trägt den geheilten und umarmten Kosmos in sich. Wir sind und dürfen die Knalltüten sein, um die verängstigen, verlorenen Menschen wieder aufzuwecken.

Endlich, ist das Leben. Endlich, ist es Zeit. Es ist Aufgabe, diesen christlichen Modus in uns immer wieder neu zu aktivieren; auch gegen die Bedenkenbeter. Das kann in einer Umarmung von Trostsuchenden erfolgen, einem Blick und Zwinkern für Freude und Wohlbefinden, im Nicht-Weg­sehen vor Leid- und Unrecht. Der aufrechte Lebensmodus ist gefragt. Und selbst beim Betteln. Will ich mich offline schießen oder lebe ich Online, in diesem endlichen Leben. Aufrecht beim Managen von Unternehmen oder beim Führen von Menschen. Oder – Endlich wieder Schule. Endlich 50, 60 oder 80 Jahre geworden.

Missionarische Volkskirche will unsere Kirche sein. Online gehen mit neuen Missionsinstitute, Personaleinstellungen und Glaubenskursen, damit Mission läuft. Unsinn. Wissen Sie, wo das anfängt? Ganz einfach. Nächsten Sonntag bringen Sie Ihren Nachbarn hierher mit, damit er oder sie wieder die Umarmung, den christlichen Lebensmut, unseren Modus operandi evangelii spüren kann.

Wir leben endlich. Also leben wir endlich!

Amen

Und weil Gottes uns umfängt und trägt und leitet, stärke er unseren Lebenmodus, auf dass wir mit Hoffnung, Vertrauen und Zuversicht endlich leben. Amen. Lied: 113,1-4