Thema: Des Lebens Traum
(10.9.2001 – einen Tag vor dem Terroranschlag auf das World Trade Center fertig gestellt)

Predigttext: Genesis 28, 10-19

1.         Einleitung

Als Jonathan Edwards im Jahre 1754 in der neuen Welt, in Boston, sein Buch ‚On the freedom of the will’ schrieb; zu deutsch ‚Von der Freiheit des Willen’, konnte niemand ahnen, dass er damit eine ganze Nation mit einem Traum infizierte, der bis heute anhält. 1776 wurden die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet, die schon damals den Traum der großen von Gott gewählten Nation in sich aufnahm. Edwards Traum war der Traum, dass in der neuen Welt und in den Menschen, die die alte Welt Europas verlassen hatten, eine Verheißung zum tragen kommt, wie sie nur dem Volk Israel zugesprochen wurde. Gott selbst – so der Traum Edwards - hat dieses Land und diese Menschen ausgewählt, um seine Verheißung des gelobten Landes Wirklichkeit werden zu lassen. Es ist Gottes Willen, dass die Menschen in den damals noch recht dürftigen United States of America, das Gelobte Land verwirklichen. Dieser Traum hat eine ganze Nation beseelt. Sicher es ist nicht allein der Pfarrer und Philosoph Jonathan Edwards gewesen, der diesen Traum in das Gedankengut der Amerikaner gepresst hat. Aber er ist es gewesen, der der unverbrüchlichen Zukunftsgläubigkeit den geistigen und philosophischen Boden bereitet hat, der durch die Erziehung in Familie, Kirche und Schule bis heute andauert.

in jedem guten amerikanischen Film ist diese Botschaft zu spüren und zu hören. Nämlich dort, wo davon die Rede davon ist, dass ein Mensch nur seine eigenen Fähigkeiten, seine eigenen Möglichkeiten ergreifen muss, um sein Leben erfolgreich und auch gottgefällig zu planen und zu gestalten. Reichtum, Erfolg oder auch Ansehen ist in Amerika keine Schande wie bei uns, die wir unser Geld, unseren Reichtum und Erfolg vor den Neidern verstecken müssen, sondern dies ein Ausdruck der Verwirklichung des Traumes.

Der Traum des Leben, das ist heute das Thema der Predigt und des Bibeltextes. Ich weiß nicht, was Ihr Traum des Lebens ist und wie weit Sie diesen Traum schon leben. Oder hecheln Sie dem Traum nur immer einen Schritt hinterher. Woran liegt es, dass Sie vielleicht keinen Lebenstraum haben, den es zu verwirklichen gilt? Worin liegt dieser Lebenstraum gegründet? Geht es um Reichtum, um Macht, um Familie oder Ansehen in der Gesellschaft. Liegt der Traum vielleicht in der Verwirklichung einer speziellen religiösen Ansicht, an der die Gemeinde vielleicht mit genesen soll? Liegt Ihr Lebenstraum brach, sind Sie enttäuscht vom Leben, Partner/in, Familie, Gesellschaft oder sonst wem? Sind immer die anderen Schuld, dass Ihr Traum nicht verwirklicht wird. Ein Glück, dass wir den Schulden so leicht finden (ich hatte am 1.7 davon geredet). Dann brauche ich mich nicht zu bewegen. Und die Amerikaner sind eh etwas seltsam, mit ihrer Tellerwäsche-Millionär Theorie. Der Traum des Leben – was ist das?

2.         Textbezug

Im Bibeltext geht es um einen Blender, einen Betrüger, der auch einen Traum hat. Jakob, der seinem älterem Bruder mit List das Erstgeburtsrecht versucht streitig zu machen. Sie kennen vielleicht die Geschichte mit dem Linsengericht. Jakob ist der große Betrüger der Urgeschichte der Bibel. Auf diesem Betrüger gründet sich ein Traum einer großen Nation. Und selbst die Redakteure des 1. Buches Mose haben Schwierigkeiten die Aspekte des Betruges und der Verheißung im Jakobs-Traum mit dem Volk Israel in Einklang zu bringen. Schon der ganze Bibeltext, den ich vorgelesen habe, enthält Widersprüche und inhaltliche Brüche:
Der scheinbare einsame Ort (V.11) ist bevölkert mit einer Stadt, die Lus heiß (V. 19b). Der Predigttext soll eigentlich mit Vers 19 a enden: „und er nannte die Stätte ‚Bethel, Haus Gottes“ enden. Nur um die Brüche zu glätten. Das ist recht stümperhaft. Und eigentlich wird von einer Leiter zum Himmel geredet, aber die Ortbeschreibung „Beth-El“ (Haus Gottes) verweist auf einen Tempel. Hier scheinen mehrere Erzählschichten im Laufe der Jahrhunderte durch die verschiedenen Bibelredaktionen vermischt zu sein. Wir haben drei Strömungen dabei:

a.    Jakobs Geschichte als einer der Urväter des Volkes Israel, der vor seinen Verwandten fliehen muss.
Sie scheint einen realen Kern zu haben, weil niemand würde schlecht über einen Großvater schreiben, der ein großer Gründungsvater war.

b.    Die Erklärung warum Bethel als Ort diesen Namen trägt.
Dies ist wie ein Märchen, eine Sage zur Erklärung eines Ortsnamens; Dies nennt man Ätiologie. Eine Ätiologie will zumeist Ortsnamen erklären. Ein Beispiel: Die Namenssage von Frankfurt. Die Furt der Franken, die auf der Flucht vor den Sachsen durch eine Hirschkuh eine Furt durch den Main entdecken und damit nicht vernichtet werden. Eine Sage für den Namen der Stadt Frankfurt, weil es die Furt der Franken war. Und das dritte – das für uns heute wichtigste:

c.    Den Traum, in dem Gott dem Volk Israel das Land zuspricht und Gott seinen Segen den Kindern und Enkel Jakobs zuspricht.

Es geht um dem Lebenstraum eines Volkes, des Volkes Israel, den es zu leben und zu verwirklichen gilt.

3.         Der Christliche Traum vom Leben

Dass wir als Christen recht wenig mit dem israelitischen Anspruch auf das Land Palästinas zu tun haben, dürfte auch heute noch deutliche sein, wo die Israelis, diesen Anspruch und diesen Lebenstraum mit Waffen vertreten.
Als Christen sind wir nicht an einen Ort, an ein Land gebunden, wo die Verheißung Wirklichkeit wird, sondern an eine Botschaft, die den Traum des eigenen Lebens wiederspiegeln sollte.

Der Traum, der uns als Christen vereint, ist recht einfach:

Lebe dein Leben im Bewusstsein, dass Gott die Grenze und Möglichkeit deines Daseins ist. Was heißt das?

Das bedeutet nichts anderes, dass wir unsere Grenzen des Machbaren und die eigene Unfähigkeit, uns selbst zu erlösen, erkennen müssen. Wir sterben an Unfällen, an Krebs, an Alterschwäche, an was auch immer. Unsere Heimat ist zwar vorübergehend hier auf dieser Erde, aber der christliche Traum unseres Lebens lässt sich nicht im Hier und Jetzt verwirklichen. Sicher kann ich Reichtum, Haus, Familie oder Macht anhäufen. Aber wir leben im Bewusstsein des Jenseits. Das wollen viele Menschen nicht hören. Sie schalten ihre Ohren auf Durchzug und das Fernsehen lauter. Ich gebe zu, auch ich möchte es ab und an nicht hören, weil ich zu sehr am Leben hänge. Aber die Zeit schreitet voran. Wir werden älter, nicht immer klüger oder einsichtiger. Aber wir werden den Traum des eigenen Lebens als Christen nicht hier erleben, sondern dort, woher wir unsere Hilfe her bekommen. Von Gott, der in Jesus Christus die Grenze zwischen Himmel und Erde durchbricht und eine Leiter (vielleicht), einen Weg zu unserem Lebenstraum ermöglicht.

4.         Übertrag

Hier geht es nicht um Binsenwahrheiten. Und bitte auch nicht um Träumer, die wir im Leben und auch in der Kirche finden, die ziemlichen Blödsinn von der Kanzel oder in Zeitschriften verkünden. Es geht in unserem bedingten Lebenstraum, nicht um ein Gesundbeten der eigenen Gefühle und dem Zusäuseln von religiösen Floskeln. Es geht um den bewussten Umgang, mit dem, was das Leben ausmacht. Der Traum des eigenen Lebens ist die klare Aufgabe, das eigene Leben zu gestalten, zu verändern, sich und andere zu Einsichten und positiven Veränderungen zu bewegen. D.h., auch

·         Macht zu ergreifen, um sie verantwortungsbewusst zu nutzen,

·         Geld zu verdienen, um das Leben lebenswert zu machen,

·         Familien zu gründen, um den kleinen Menschen ihren Traum von Leben zu ermöglichen,

·         Menschen zu erziehen, damit andere das eigenen Bewusstsein schärfen und nicht verdummen lassen,

·         Freude zu leben, damit Gemeinschaft entstehen kann.

Den Traum des Lebens zu leben, bedeutet auch:

·         Kranke Gehirne zu bekämpfen, um Menschen ihren Raum für den eigenen Lebenstraum zu schaffen

·         Einsichten wider die Masse zu vertreten, wenn es um Menschen und deren Würde geht

·         Politik die Grenzen aufzuzeigen, die durch die Geborgenheit von Flüchtlingen gesetzt ist.

Der Traum des eigenen Leben ist dies alles, aber im „Sich-bewusst-sein“, dass meine Grenzen und meine letztendliche Erfüllung nicht hier vonstatten gehen kann.

Da irrt Amerika. Da irren die Cowboys gewaltig. Gottes eigenes Land liegt nicht zwischen New York und Hawaii und auch nicht zwischen Sinai und Golanhöhen. Gottes eigenes Land, der Traum des Lebens – so sehr er auch hier mit einem erfüllten Leben beginnen kann -, der Traum des eigenen Leben ist die Fähigkeit, diesen Traum nicht hier als verwirklicht zu sehen, sondern jenseits dieses unseres Lebens.

Dort liegt das gelobte Land, und das ist die Botschaft dieses Sonntags. Amen

Und die Weisheit Gottes, die unbegreiflicher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn. Amen