Thema: Selbsterkenntnis – der Weg zur Rettung

Lukas 19, 1-10

1.         Einleitung

In Japan gibt es eine einfache Art den Schuldigen zu finden.
Bei uns ist das ja etwas schwerer. Kaum ist ein Problem ein Fehler oder ein Faux pas passiert, können wir in Deutschland unser einer speziellen Reaktion gewiss sein. Rechtfertigung und Schuldabwehr. Ob das ein Mülleimer ist, der nicht nach draußen gebracht wurde, eine schlechte Note oder ein Fehler, der ein Unternehmen viel Geld kostet – die Rechtfertigung folgt auf dem Fuße. Ich konnte nicht, hatte nicht, wollte noch – all das ist hören als Ausreden. Oder auch der aktive Angriff ist denkbar: ‚Man hat mir nicht die nötigen Unterlagen zu kommen lassen’ oder ‚Ich musste für Oma etwas anderes machen’. Den Schuldigen zu finden, hat bei uns Hochkonjunktur. Und wenn wir im Fernsehen einen Politiker sehen, der eine schwarze Kasse weit von sich weißt, dann wissen wir, der hat es gemacht. Offenheit und Schuldeingeständnisse haben Seltenheitswert und sind schlicht verblüffend. Stellen Sie sich mal jemanden vor, der frank und frei erklärt, ja das war mein Fehler ohne wenn und aber. Kommt selten vor.
In Japan ist das anderes. Die Frage nach dem Schuldigen wird aktiv geklärt. Der Schuldige schämt sich, weil er einen Fehler gemacht hat und gelobt Besserung. Ein seltsames Verfahren – nicht?

Unsere Rechtfertigungsverhalten hat etwas damit zu tun, dass wir seit der Schulzeit zu Fehler – Experten erzogen wurden. Im Diktat, der Mathearbeit werden die Fehler, das, was zu 100% fehlt gezählt.Sie sehen sofort die Fehler bei einem Kuchenbuffet, einem Fest oder bei der Arbeit, wen ein Kollege etwas präsentiert. Ihnen fallen sofort die möglichen Verbesserungen ein, wenn sie vor dem Fernseher sitzen und das Gekicke beim Fußball sehen oder die Fehler bei der Formel eins. Fehler von außen zu beurteilen, ist einfach, ob es das Verhalten der Politiker betrifft oder das des Ehepartners, Freunds, Kindes, Enkel oder Oma. Vielfach ist es aber erst das eigene Einsehen der Fehler und der eingefleischten Gewohnheiten, die eine Veränderung des eigenen Lebens und der Richtung im Leben deutlich machen. Oft geschieht dies in Notsituationen wie Veränderungen im privaten, beruflichen oder familiären. Notwendig erscheinen dann Maßnahmen. Notwendig – Not macht wendig. Ein schönes Wort. Aber dann, wenn Veränderungen nicht als notwenig angesehen werden (meistens dann wenn es mir gut geht), dann sind Ausreden und Rechtfertigungen an der Tagesordnung.

2.         Textbezug

Der Predigttext spricht auch von dem Umgang mit denen eigenen Fehlern und der eigenen Situation. Zachäus, ein Oberzöllner – eine bekannte Geschichte. Auch hier geht es um die unnötige Veränderung eines Menschen im Leben. Gut situiert, wohlhabend, zwar nicht anerkannt, aber das lässt sich aushalten. Schließlich gibt es überall Neider. Spannend ist in der Geschichte die Neugier des Zachäus. Schon hierin unterscheidet er sich von viele der heutigen Zeitgenossen. Neugier auf Jesus. Diese Neugier ist faszinieren, aber auch nichts besonders. Ein Baum zu erklettern, das machen auch Menschen im Fußballstadion oder bei der Formel eins oder auch bei Musikkonzerten von Popstars. Nun denn, die Neugier ist da. Dass Irritierende ist das Verhalten Jesu, der sich neben den vielen gerade diesen Menschen Zachäus aussucht. Oberzöllner- also nicht geliebt und nicht angesehen, aber wir wissen, dass Jesus unkonventionelles liebt. Sicher hat er an der Kleidung des Zachäus gesehen, dass dieser Mensch der Tross von Jüngern und Jüngerinnen für den Abend bewirten und aufnehmen kann. Da hängt ein mit edlem Zwirn nicht in den Seilen, nein im Baum. Sicher geht da der Chef hin. Und seine Vermutungen werden voll auf gerechtfertigt. Die Neider posaunen Jesu Schimpfnamen heraus: „Fresser“, „Weinsäufer“, „Der, der bei den Huren sitzt“ (Nicht der, der mit dem Wolf tanzt). Auch im Umfeld Jesu scheint es einige Spinner zu geben, die diesen Neidaspekt fördern wollen. „Wie kannst du nur, bei einem Oberzöllner sitzen?“ Auf diesen Vorwurf eines Oberneiders reagiert Jesus aber gar nicht. Er lässt es sich munden. Und sicher können wir sein, dass das Mahl mehr als ausreichend für den Tross von sicher 50 Menschen um Jesus herum war. Das eigentlich Spannende ist aber die Selbsterkenntnis des Zachäus. Zachäus erkennt, dass sein Leben in falschen Bahnen läuft. Von sich aus, nicht mit Rechtfertigung, bietet er Jesus die Spenden und die Wiedergutmachung an. 50 % das ist bei einem Reichen viel Holz, Sesterzen oder Euro. Sicher - weh tut das dem auch nicht, weil der hat ja noch. Na – der Neid bricht wieder durch. Die Selbsterkenntnis des Zachäus ist bezeichnet für die, die Jesus bevorzugt. Die Selbstgefälligen, die die sich als die Kings im Leben sehen, sind auf der Nichtbeachtungsliste Jesu und Gottes. Denn die haben ihren Teil schon im Leben gehabt. Im Himmel würden die Neider auch eher stören.

3.         Selbstreferenz als Weg christlicher Erkenntnis

Selbsterkenntnis – das ist der Aha Effekt. Ein plötzliches situatives Erkennen von Wahrheit, das Durchscheinen von Erkenntnis haben. Zachäus hat dafür seinen Platz in der christlichen Bibel erhalten. Er ist das Synonym für diese Erkenntnis und des Bekenntnisses der eigenen Unzulänglichkeit. Fehler eingestehen und wieder gut zu machen (auch ein schönes Wort: wieder gut machen), das ist der erste Weg zur Besserung. Was aber als entscheidende Stufe unseres christlichen Lebens sein soll ist diese plötzliche Erkenntnis in einen regelmäßiges Verhalten zu überführen. Wir reden dann nicht mehr von Selbsterkenntnis, sondern von Selbstreferenz. Selbstreferenz ist die Fähigkeit von Menschen über den eigenen begrenzten Horizont hinwegzuschauen und die alltäglichen Dinge zu hinterfragen. Hinterfragen der eigenen Position des eigenen Verhalten und der eigenen Erkenntnis. Aber auch das Hinterfragen von anderen Positionen, das Verhalten anderer und der Erkenntnis anderer. Das Kriterium dies zu tun, ist durch Gott in Jesus Christus selbst vorgegeben. Es ist die Sicht des Menschen als Mittelpunkt des Handeln Gottes; jenseits von Normen und Gesetzen, von kirchlichen Organisationen oder theologischen Ansichten. Es ist die Sicht, die im Glauben geschenkt ist, die wir aber jeden Tag neu gegen die Gewohnheit und den Schlendrian wieder neu erkennen müssen. Selbstreferenz – das ist die christliche Tugend par excellence. Denn nur so wir Neid, Hochmut, Alltagsgewohnheit und dumme Ideologie im Zaum gehalten. Selbstreferenz ist die Befreiung.

4.         Übertrag

Und heute? Unser Kirchenpräsident hat die TOP Kirchensteuerzahler besucht. Ob dabei Zachäus Effekte (50%) erzielt wurden, keine Ahnung. Es geht auch nicht um das Geld. Gott ist Geld scheißegal. Im Himmel wird nicht mit DM, Euro oder Dollar bezahlt. Die einzige harte Währung, die im Himmel zählt, ist Selbstreferenz. Die Einsicht und Erkenntnis über das eigene Tun und Lassen. Diskussionen mit Gott oder Rechtfertigungen ihm gegenüber, ist ein törichter Versuch. Was hast du in deinem Leben getan? Darauf eine glorreiche Aufzählung der gewonnenen Seelen, der gespendeten Gelder oder der Dienst an Menschen zu beginnen, ist Müll. Das, was zählt, ist die Fähigkeit zur Umkehr. Daraus resultieren dann die Hilfen, die Spenden, die Nächstenliebe. Die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit und die daraus resultierenden Hilfen – das ist der Weg der Befreiung von Unrat und Sünde. Hinterfragen der eigenen Strukturen ist angesagt,

·         ob in der Familie mit der Rollenaufteilung. Nicht um sie einfach ideologisch aufzulösen, sondern mit der Frage nach dem, was den Menschen bedrängt und einengt
·         ob im Beruf mit der Profit oder Karriereorientierung. Nicht um dies aufzulösen, sondern um Profit und Karriere den Platz zuzuweisen der ihnen im Leben gebührt – als vorübergehenden weltlichen Erfolg.
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ob mir selbst gegenüber mit der Ich-Zentrierung. Nicht um diese aufzulösen, sondern als das zu erkennen, was es ist: ein begrenztes Hilfsmittel, die eigenen Fähigkeiten auszubauen.

Und das ist die Botschaft für den heutigen Sonntag: Selbstreferenz – das ist der Weg Gottes mit uns hier im Leben und dort im Himmel.

Amen.

Und die Weisheit Gottes, die unbegreiflicher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn. Amen