Predigttext: Johannes 4, 19-26
Ein Glaubens-Experiment:
Stellen Sie sich den Gottesdienstraum als Diskothek vor, in
der ein DJ, eine Art Heiliger der Rave-Musik, am Altar seine Platten auflegt.
Die Kanzel wird umfunktioniert zum Standort für den Beamer, mit dem die Videos
auf die Leinwand vor der Orgel projiziert werden. Die Fenster verhängt und die
Sakristei als Chillout Room, der Raum zum Abkühlen. Laute Musik, ekstatische
Massen von Jugendlichen zwischen 12 und 30 Jahren, die rhythmisch zur Ravemusik
tanzen. Ein abscheuliches Bild?
Dieses Bild ist schlicht Realität. Nachzulesen im Magazin der FR vom Samstag.
(Hochhalten des Magazins). Überschrieben mit dem Titel: My private
pfingstwunder, zu deutsch: mein persönliches Pfingstwunder.
Pfingstwunder - Die Ausschüttung des Geistes als Geburtsstunde der
Organisation, die Geburtsstunde der Kirche, die den Glauben Gottes an die
Menschen, an den Mann, an die Frau, an die Jugendlichen oder Alten bringen soll.
Das Experiment ist außergewöhnlich. Die Aufgabe aber ehrenvoll. Wie bekommt
man Jugendliche dazu, sich mit Gott und Kirche zu beschäftigen? Wie ist es
bestellt mit dem Glauben an unseren Gott, der sich in der Kirche als seiner
Organisation äußert? Der Geburtstag der Kirche gibt Anlass einer kritischen
Bestandsaufnahme.
Hat sich dieser Gott die Falschen ausgesucht, seinen Glauben in die Welt zu
tragen? Die Bedeutung der Kirche sinkt. Die Mitgliederzahlen gehen zurück. Die
Zahl der Gottesdienstbesucher stagniert oder sinkt, trotz der höchstens Zahl
von PfarrerInnen in der Geschichte der ev. Kirche.
Sind die, die wir als Gemeinde aktiv sind, eine aussterbende Minderheit auch
wenn noch 50 Millionen in Deutschland Mitglieder einer der beiden großen
Kirchen sind? Es waren mal 60 Millionen Mitglieder. Und wie sieht es mit dem
Glauben aus? Ist soziales Engagement der Kirche der Inhalt des Glaubens? Was
macht den Glauben an unseren Gott aus?
Wie ist es bestellt mit unserem, meinem, deinem persönlichen Glauben? Fun, Spaß
statt christlichen Werten. Haben wir mit unserem Glauben versagt, weil wir es
nicht mehr schaffen einer ganzen Generation, das Wunder von Pfingsten zu
vermitteln? Oder konzentrieren wir uns zu sehr auf eine spezielle
Glaubensansicht? Nur so darf der christliche Glaube gelebt oder ausgesagt
werden?
Auch im Bibeltext, der heute vorgeschlagen ist, wird von der Form, den Inhalten und dem Ort des Glaubens berichtet. Johannes berichtet im Kapitel 4 berichtet von der Begegnung Jesu mit einer Randgruppe, die von den Juden nicht als richtige Gläubige betrachtet werden. Eine Frau am Jakobsbrunnen, eine Frau mit zweifelhaftem Ruf – wie meine Oma gesagt hätte – gibt Jesus zu Trinken, was an sich schon ein Experiment in den Augen der Juden war, das weit anstößiger ist als das Raven in einer Kirche. Die beiden kommen ins Gespräch über den Glauben, über Glaubensinhalte und -formen. Der traditionelle, klassische Glaube, das ist Glaube, der an einen speziellen Ort, für die Samaritaner der Jakobsberg, für die Juden bis heute der Tempel in Jerusalem, wo die Anbetung Gottes stattfinden soll. Außerdem kann das Heil des Glaubens nur durch die Zugehörigkeit zu den Juden akzeptiert werden. Ein Glaube per Geburt mit einer jüdischen Mutter. Jesus gibt hier der samaritanischen Frau den Blick auf den neuen Glauben, seine Inhalte und seine Form. Der Glaube ohne Ortbezug wie einen Tempel oder Kirche. Darüber hinaus kommt das Heil nicht von den Juden also durch eine Zugehörigkeit einer Volksgruppe, sondern die Zugehörigkeit aus dem Geist Gottes. Nicht das Gotteshaus oder die Mitgliedschaft einer Gemeinschaft ist Garantie des Glaubens und des Heils, nicht die Statik, das Unbewegliche ist Ausdruck des Glaubens, sondern die Dynamik. Dynamik deshalb, weil Gott Geist ist (nicht Ort), weil Glaube nicht Massenüberzeugungen oder Ideologien sind, sondern Wahrheit, die jeder einzelne von uns leben muss.
Glaube, das heißt, im christlichen Sinne also dynamischer Glaube eines jeden einzelnen von uns. Glaube – was ist das?
3.1 Christlicher Glaube ist nicht „ich glaube, dass....“
Zwar drücken wir heute auch mit dem Verb glauben Wünsche und Hoffungen aus, aber das ist nicht der christliche Glaube. Der Alltagssatz ‚Ich glaube’ drückt einen Wunsch aus. Hier ist die Rede von „Ich glaube, dass es schönes Wetter gibt“, „Ich glaube, dass mein Leben gut verläuft“. Das sind Wünsche, die ich ausdrücke. Es geht nicht um wirkliche Glaubensaussagen, weil Glaube etwas mit Überzeugungen, Werten, Verbindlichkeiten zu tun hat. Was aber ist Glaube und an was glauben wir als Christen.
3.2 Glauben AN
Zunächst das entscheidend Wort unseres Glaubensbekenntnisses, das wir eben gesprochen haben hat nur 2 Buchstaben: glauben AN. Dieses „Glauben AN“ drückt die Überzeugung aus, die das eigene Leben ausmacht. Ich glaube an – das drückt aus, worauf ich mich verlassen will, wo mein Herz schlägt oder was mich in Krisenzeit auch tragen kann. Wo schlägt ihr Herz? Worauf verlassen Sie sich? Stellen Sie mal die Frage. An was glaube ich? Es ist die Frage nach den Grundüberzeugung, die das eigene Leben bestimmen soll. An was glauben Sie? Was ist die Quintessenz, die letzte Wahrheit Ihres Lebens? Für was leben Sie? Für was stehen Sie letztendlich ein? Auf was vertrauen Sie? Was kann Sie tragen in Ihrem Leben? Das „Glauben an“ etwas, ist mehr. Es spiegelt die innersten Überzeugungen, Glaubenssätze und Verbindlichkeiten eines Menschen wider. Überlegen Sie mal, wann Sie im Alltag “Ich glaube an ..“ gesagt haben. Oft geschieht dies nicht, denn hier drehe ich meine eigenen Überzeugungen nach außen und gebe ein Bekenntnis ab.
Es gibt Menschen, die glauben an Geld, an Aktien, an die Selbstheilungskräfte des Marktes, an die Macht, an Verbindungen und an Freundschaften. Oder an Bestechung glauben, das heißt, ich bin der Überzeugung, dass sich alles mit einem Bakschisch regeln lässt – egal wie tief ich in der Scheiße sitze. Die Frage stellt sich aber, wie tragen diese Glaubensinhalte mein Leben. Wie kann ich mich auf Geld, Macht, Verbindungen oder Aktien verlassen, wenn es Krisen gibt. Menschen glauben an die Macht der Liebe in Beziehungen und werden dann bitter enttäuscht, weil eine Liebe vielleicht nicht das ganze Leben durch trägt. Tragen unsere Glaubenssätze? Diese Glaubenssätze, die wir haben, machen uns aus. Also ist Glauben nichts anderes als das, was wir als Menschen ganz darstellen mit unseren Hoffnungen und Sehnsüchte. Es ist die Gewissheit der Überzeugung, die wir als Christen ausdrücken.
Diese Gewissheit des christlichen Glaubens hat drei Inhalte, die wir mit dem Satz „Ich glaube an“ ausgedrückt werden.
a.) Ich glaube an Gott den Vater, den Schöpfer.
Schöpfung und Vater sind Bilder für die Rahmenbedingungen
unseres Lebens. Wir haben uns nicht selbst gezeugt oder geboren. Wir stammen von
jemandem ab und auch derjenige hat wieder einen Vater und Mutter. Die erste
Ursache ist dieser Gott, von dem wir reden. Das heißt, wir leben mit
Bedingungen, die es akzeptieren gilt. Körperliche Aspekte, Geistige Aspekte, in
welche Bedingungen ich hineingeboren werden. Es heißt auch die eigenen Möglichkeiten,
die in mir verborgen sind zu nutzen. Etwas aus mir zu machen, mein Leben zu
planen und zu gestalten.
Glauben an Gott Vater, das ist das Vertrauen auf die Rahmenbedingungen des
eigenen Lebens zwischen Geburt und Tod und darüber hinaus. Es ist der Glaube,
dass das die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft eine Grenze hat, die
ich akzeptieren kann, in der ich aber auch selbst Handeln und Agieren muss. Schöpfung
heißt Handlungsfreiheit im Leben.
b.) Zweite Glaubenssatz: Ich glaube an Jesus, den Christus, den Erlöser.
Wir beschreiben hiermit das Vertrauen nicht nur in uns selbst. Christus, das heißt, wir können uns nicht aus der Klammer der Schöpfung selbst befreien, sondern bedürfen der Hilfe. Das Selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen ist ein Lüge wie ein Perpetuum mobile, dass uns weismachen will, wir vermögen alles. Der Schöpferglaube schenkt uns die Handlungsfreiheit. Der Glaube an den Erlöser, die Freiheit zu eigenen Fehlern und die Freiheit das eigene Leben und die eigene Person in diesem Leben nicht aus sich selbst heraus zu begreifen, sondern immer im Horizont dessen, dass ich Fehler machen kann.
c.) Ich glaube an den Heiligen Geist ist der Glaube an den Begleiter.
Glaube an den Heiligen Geist ist die Überzeugung, dass uns
unserer Gott trägt und begleitet. Im Leben gibt es Situationen, die wir
scheinbar nicht meistern können. Das ist dort, wo wir getragen werden, wo wir
uns verlassen können auf unsere Glaubenssätze. Ob durch Gebet oder scheinbare
Wunder oder Hilfe von Anderen. Der Glaube an die Begleitung heißt, Vertrauen
haben in die beiden ersten Aspekte, in die Rahmenbedingungen des Leben (die Schöpfung),
Gestaltung und auch Sterben und Tod, in die Gewissheit der Fehler als Menschen,
dass ich nicht alles kann und muss (die Erlösung). Neue Gottesdienstformen
gestalten, erproben und Fehler machen, gehört auch dazu.
Das Experiment – übrigens auch in der Katharinenkirche in Frankfurt durchgeführt
- ist gänzlich in die Hose gegangen. Denn es ging des jungen Menschen nur um
das Raven, das fett Feiern an einem coolen Ort. Dennoch haben wir die Aufgabe
unseren Glauben ohne festen Ort und ohne eine Bedingung an eine Zugehörigkeit
auszusagen wie dies Jesus der Samaritanerin darlegt. Glaube ist Überzeugung,
die es zu leben gilt. Wie sich diese Überzeugung, an welchem Ort und in welcher
Form äußert – das gilt es als Christen immer neu zu probieren. Weil wir
Fehler machen dürfen (Erlöserglaube), erst dadurch können wir die
Rahmenbedingungen des Lebens ausfüllen (Schöpfungsglaube). Die Gewissheit der
Begleitung (Trösterglaube) ist das, was heute die Kirche ausmacht, an Ihrem
Geburtstag.
Und das ist die Botschaft für den Geburtstag unserer Kirche:
Leben verstehen im Blick der eigenen Endlichkeit, Fehler akzeptieren im Horizont Jesus und das Gestalten im Wissen um die Begleitung durch Gottes Geist – das gilt es neu zu testen jeden Tag, an jedem Ort mit allen auch fehlerhaften Konsequenzen.
Und der Glaube an eine Gott, der die Bedingungen des Lebens, die Anfrage an die eigene Person und die Begleitung im Alltag ist, bewahre unser Denken, Fühlen und Handeln in Christus Jesus. Amen