Predigt zum 4. Sonntag nach Epiphanias

Text: Jesaja 51, 9-16 (während Predigt verlesen)

Thema: Rituale sind notwendige Lebenshilfen

1.         Einleitung

Um die Angst und Unsicherheit bei der Kontaktaufnahme zu überwinden, sind schon zu allen Zeiten, Formen und Riten entwickelt worden. Die Clubs der einsamen Herzen, das Fragen und Bitten, um einen Tanz, bei dem man und frau sich -geordnet- annähern konnten – das alles waren und sind solche Hilfen in besonderen Situation. Heute treibt dieses für die Menschheit notwendige Spiel manchmal seltsame Blüten durch das Fernsehen. Nun ja. Die Rituale, oder auch in der Tierwelt ‚Balzrituale’ genannten Formen, sind aber notwendige Hilfestellungen für nicht alltägliche Situationen. In alltäglichen Dingen haben wir gelernt, wie ich mich verhalten und wie ich reagieren muss. Wir hatten Zeit zum Lernen und Zeit für Fehler, aus denen wir gelernt haben. Außergewöhnliche Situationen fehlt oft diese Zeit des Lernens. Und dennoch können wir Menschen, ob jung oder alt, auf Erfahrungen zurückgreifen, die diese Situationen leichter machen können. Gerade an Übergängen im Leben wie Geburt, Einschulung, Erwachsenwerden, Hochzeit, Trauer und Abschied gibt es eine Vielzahl von Erfahrungen, die Menschen in sogenannte Übergangsrituale gefasst haben. Gerade die Religionen haben eine guten und positiven Anteil an diesen Ritualen. Sie haben die Aufgabe, jungen und alten Menschen zu helfen, mit neuen Situationen klar zu kommen.

Taufe, das hineinnehmen eines neuen Menschen in die Verheißung Gottes, ist ein solcher Ritus. So wie wir heute den kleinen Maximilian Schichtel mit dem heiligen Sakrament ausstatten werden. Auch die Einschulung stellt z.B. eine solche Besondere Situation dar. Ein Ritus für die Kinder, und bitte nicht vergessen auch für die Eltern, zum Aufbruch für neues. Die Konfirmation als Übergang von Kind zum Erwachsenen. Hochzeit als Form der neuen Zweisamkeit in dem eigenen Leben. Schließlich auch die Bestattung, die Abschied und Trauer in einer festen Form begleiten will. Neben diesen festgefügten Riten gibt es auch Rituale, die wir Menschen uns selbst aneignet.Rituale sich kleine Riten, also Formen, die uns helfen sollen das Leben zu gestalten.

Rituale für Angst und Geborgenheit (Bei Kinder, das Nuckeln, Kuscheln).

Rituale für Unsicherheit und Freude. Jeder von uns hat seine eigenen Rituale. Formen, um in besonderen Situationen, Schritte in die Zukunft wagen zu können. Es geht um jeden persönlich, weil in diesen Schritten die Fragen nach der eigenen Person und der eigenen Identität oder Herkunft gestellt und auch beantwortet werden kann.

2.         Predigttext

Mit einem Ritual, das bei einem Übergang helfen soll und mit Vergewisserung der eigenen Identität haben wir es heute in unserem Predigttext auch zu tun. Lassen Sie mich kurz die Rahmenhandlung erläutern, bevor ich den Predigttext lese. Da ist ein Volk, das unter sehr schweren äußeren Bedingungen in einem Exil, also in Gefangenschaft lebt. Neben dieser äußeren Bedrohung hat offenbar auch nach innen ein Prozess der Auflösung und Verlust der eigenen Identität eingesetzt. Umso mehr, je länger die Verbannung dauert. Es gibt einen Propheten, der sich seinem Volk sehr verbunden fühlt und diesen Prozess um jeden Preis aufhalten und ihm entgegen steuern will. Dafür entfaltet er sein ganzes, breites Repertoire von Trost, Ermutigung, Ermahnung und auch Provokation und Anstiftung. Da ist Gott, der offenkundig zu Beginn der Handlung schläft, der aber als mächtig und gewaltig in der Vergangenheit geschildert wird. Feinde des Volkes kommen vor; eine bewegte Vergangenheit und eine verlockende Zukunft spielen eine wichtige Rolle. Die Gegenwart, der Anlass für die Inszenierung - das erschließt sich aus dem Kontext - ist die Situation unmittelbar vor dem Aufbruch oder besser dem Signal zum Aufbruch nach Hause, nach Jerusalem.

Der Text lautet: Lesung von Jes. 51, 9-16

Ich fasse zusammen: In der Eingangsszene wird Gott aufgeweckt durch die Klage seines Volkes und an vergangene, große Taten erinnert. An Taten, die die Mächte der Finsternis ebenso in ihre Schranken verweisen, wie sie den Lauf der Geschichte lenken! So soll es wieder sein! Gott lässt sich wecken. - Und dann gelingt es dem Propheten meisterhaft mit wenigen Worten, die zaghaften Menschen an Gottes Größe teilhaben zu lassen und Angst zu vertreiben. Er macht Ihnen die Möglichkeiten deutlich, die Gott eröffnen möchte. 'Vor wem solltest du dich fürchten und wer könnte dich verderben? Wo doch Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde; Gott, Herr der Geschichte auf deiner Seite ist, mehr noch: dein Gott und Tröster ist!' Gott verheißt durch den Propheten die Zukunft, die Möglichkeiten des Lebens. Eine Zukunft, in der Lust und Freude die Trauer und Klage der Gegenwart ersetzen werden.

3.         Christliche Übertragung

Als Christen reden wir auch davon, dass unser Glaube auf einer besonderen und außergewöhnlichen Situation gegründet ist. Die Jünger sind nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Gott selbst sich zur Vergebung von Schuld und Sünde als Opfer gibt. Auge um Auge ist die Devise, ist der Ritus und das Ritual. Diese besondere Situation löst Gott auf und stellt jedes Ritual und jeden Ritus auf den Kopf. Er schafft somit eine freie Fläche, die von uns mit unserem Tun und Handeln belegt werden kann. Die freie Fläche ist wie eine völlig ebene Landschaft ohne Hindernisse und Weitenbegrenzung. Und wer von Ihnen schon einmal solche Landschaft oder Seelandschaft erlebt hat, weiß um das unendliche und erhabene Gefühl, von der Weite und der damit verbundenen eigenen Identität. Riten und Rituale wollen uns Menschen helfen, die eigene Position und finden; auch in kritischen Zeiten und nicht alltäglichen Situationen. Die christliche Botschaft ist hierin einfach. Deine Möglichkeiten sind grenzenlos. Zwar ist deine Zeit auf Erden begrenzt, aber zur Gestaltung deines Lebens bist du frei zu handeln und dir die eigenen Riten und Rituale immer wieder neu zu setzen. Alles in allem nennen wir das dann manchmal auch die eigene Identität finden auf der freien Fläche unseres Lebens.

4.         Heute

Die eigene Identität finden. Was heißt das heute? Gerade dann, wenn ich das Gefühl habe, die freie Fläche ist schon richtig zugebaut und bin eingezwängt zwischen den Ritualen meiner Eltern oder Großeltern, der Kirchen oder Religionen, der Gesellschaft und Gesetze, was heißt es, die eigene Identität zu finden.

1. Sich der eigenen Potenziale bewusst zu werden.

Was kann ich alles? Was macht mir Spaß? Wo sind meine Stärken und Schwächen? Was habe ich gelernt? Sich dieser eigenen Energie bewusst zu machen, ist eine wichtige Aufgabe, die eigene Identität zu finden. Und bitte, das hat nichts mit dem Alter zu tun. Nicht nur Schulkinder müssen Ihre Identität finden, sondern auch Erwachsene im neuen Beruf, als Ehepartner/in, als Rentner/in oder als Witwe/r. Überall müssen wir die freie Fläche bebauen, gerade im Übergang von Lebensphasen.

2. Sich der eigenen Grenzen bewusst werden?

Was will ich erreichen? Wo will ich meine Identität einsetzen? Wo muss ich mich selbst begrenzen, damit ich andere nicht verletzte? Wo muss ich andere begrenzen, damit die mich nicht einschränken? Sich die Grenzen der eigenen Identität klar zu machen, ist die Grundaussage der christlichen Botschaft. Denn nicht mehr die Sünde trennt uns von Gott (wenn dem so wäre, wäre der Opfertod Jesu nicht die entscheidende Heilsbotschaft, von der wir reden), sondern wir mit unserer Identität trennen uns von Gott, indem wir unsere Grenzen selbst nicht mehr wahrnehmen. Wir dürfen alles, wie Paulus im 1. Korintherbrief sagt, aber nur durch die eigene Identität und die Begrenzung der einen Möglichkeiten, werden wir die freie Fläche, das eigene Leben bewahren. Und dazu gibt es Riten und Rituale, damit wir spüren, wie wir unser Leben im Anblick Gottes gestalten.

Und das ist die Botschaft für den heutigen Sonntag:

Deine Grenzen machen deine Möglichkeiten als Kind Gottes aus. Sie zu nutzen ist unsere Aufgabe.

Amen