Predigt 31.12.00

Johannes 12, 44-50

Thema: Gott für alle Menschen

1.         Einleitung

Es gibt ein Silvester, das mir immer in Erinnerung bleiben wird.

Am 31.12.1992 feierte ich Silvester unter Palmen. In Nordsulawesi in Indonesien, in einer evangelischen Kirche, die etwa genauso groß ist, wie unsere Kirchengemeinde und auch die Landeskirche mit etwa 2 Millionen Mitgliedern vergleichbar mit der, die wir in Hessen Nassau haben. Eine Kirchen, die vor 250 Jahren von Deutschen missioniert wurde und sehr viel von unserer Tradition übernommen haben.

Für mich ist deshalb dieses Silvester so in Erinnerung, weil der Kirchenvorsteher, bei dem ich wohnte eine besondere Delikatesse uns zu bereiten wollte. Sie müssen wissen, dass in Indonesien der Gastgeber das Gesicht verliert, wenn man als Gast ein Essen nicht möchte. So war ich an Silvester 1992 in einer argen Zwickmühle, weil die Fleischgerichte nicht unbedingt von den mir gewohnten Tieren kamen. Auch mein Hinweis, ich würde diese kleinen haarigen Tiere nur essen, wenn ich es selbst geschossen habe, half nicht. Am 31.12.1992 ging es zur Jagd in den Urwald. Unvergesslich. Wie es ausgegangen ist? Nun ja, lassen Sie es mich so sagen: Der Kirchenvorstandsvorsitzende hat nicht sein Gesicht nicht verloren und ich war um eine Erfahrung, geschmackliche zumindest, reicher.

Obwohl es über all auf der Welt christliche Kirchen gibt, haben diese Kirchen doch ihre kulturellen und nationalen Eigenarten bewahrt. Für mich – der ich schon viele Länder und Kirchen überall auf der Welt besucht habe - war dies ein neue Erfahrung dessen, von dem unserer Predigttext redet.

2.         Text (Johannes 12, 44-50)

Jesus ist nicht in die Welt gekommen als Richter, sondern als Retter der allen Menschen das Licht bringt, nicht die Finsternis.

Johannes baut in seinem Evangelium mehrere Passagen ein, wo es um die Unsicherheit oder die Ungläubigkeit geht. Dort ist z.B. vom ungläubigen Thomas die Rede (Kap. 14) die Rede. Und der heutige Predigttext ist eingebunden in die Perikope vom Unglauben des Volkes. Interessant ist die Passage, dass der, der die Worte Jesu nicht bewahrt nicht gerichtet wird. Denn Vergesslichkeit und Ungläubigkeit ist ein Grundwesenszug von uns Menschen. Dieser Gott, auf den Jesus verweist, ist ein Gott der sich den Menschen zugewandt und nicht von Ihnen abgewandt hat.

Auch das Bild vom Licht für die Welt kommt bei Johannes öfters vor. „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht im Dunklen stehen, sondern wird das Licht der Welt haben.“ (Kap. 8,12) Um dieses Licht der Welt geht es auch in unserem Predigttext. Als Retter der Welt – so Johannes – ist Gott in Jesus Christus der Heilsbringer. Der Heilsbringer für die ganze Menschheit und nicht nur für einige Auserwählte oder eine auserwählte Nation oder ein Volk. Dieses Licht ist an Weihnachten zu uns in die Welt gekommen. Was heißt das? Damit ist nichts anderes gemeint, als dass Gott sich seine eigenen Grenzen überwindet und diese Grenzen zugunsten der Menschen verschiebt. Der Himmel bekommt einen neuen Vorhof. Und dieser Vorhof ist die Erde mit seinen Menschen. Für den Evangelisten Johannes ist das die entscheidende Botschaft. Für ihn hat das Wort/der Geist Gottes Gestalt genommen in Jesus von Nazareth, den Gesalbten, den Messias. Wie Johannes im Kapitel 1 schreibt.

3.         Christlicher Bezug

Gott geht auf uns zu. Das ist die christliche Botschaft. Als Licht der Welt bringt er das Licht in alle Gegenden unserer Erde. Auch nach Sulawesi, nach Rom, nach Kamerun, nach Brasilien und alle Enden dieser Erde. Dass wir als Christen in unserer Geschichte diese Botschaft und den Auftrag zur Missionierung teils übertrieben haben, ist klar. Denn die Menschen, die den Einwohnern das Licht der Welt näher bringen wollten, haben vergessen, dass es nicht um die Kultur oder die Ansichten der Christen geht, sondern um die Botschaft Gottes. Das ist und wird leider heute noch vielfach verwechselt. Es geht bei dem Licht nicht darum, die Schatten der Kulturen, die durch das Licht entstehen, als Glaube zu verkaufen, sondern es geht um das Licht selbst. Die Kolonisierung der neuen Welt, die Missionierung der asiatischen Länder ist oft einher gegangen mit der Finsternis, die in den westlichen Kulturen herrschte. Aber was hat die Kleidung, die Nahrung, die Erziehung oder das Rechtssystem mit dem Licht dieser Welt zu tun? Sicher ist es gut, wenn alle Menschen lesen und schreiben können. Sicher ist es gut, wenn es demokratische Strukturen gibt, und keine Diktaturen oder selbstherrliche Regime. Und dennoch verfallen wir in der westlichen Welt auch heute wieder in diese Art, dass alle Menschen unsere Vorstellungen und unsere „guten“ Dinge benötigen. Ob dies die Wirtschaftsbezüge, die Werte und Normen, die politischen Systeme, die Essregeln oder auch nur unsere moralischen Ansichten sind.

Die christliche Aufgabe ist nicht den Schatten in diese Länder und Nationen oder Kulturen zu transportieren, sondern das reine Licht.

Dieses Licht der Welt ist nicht der Richter über die Vorstellungen von Menschen oder Kulturen, sondern die Rettung. Diese Rettung besteht darin, diesem Licht seinen Platz zu geben und so die eigenen Vorstellungen und Werte bescheinen zu lassen. Was sich dadurch ändert, können, dürfen und sollen wir getrost dem Geist Gottes überlassen, der durch das Licht auch in den anderen Ländern wirkt.

4.         Übertragung

Was heißt das für uns heute hier?

Sicher brauchen wir uns nicht als Missionare die fernen Länder zu begeben, um dort von Licht Gottes zu erzählen oder davon Beispiel zu geben. Unsere Aufgabe ist beschrieben durch die christliche Botschaft.

a)      Das Licht leben lassen

Gott ist in der Welt durch Jesus Christus. Es ist unsere Aufgabe diese zu leben. Licht bedeutet auch die dunklen Seiten in unserem, meinem Leben zu erhellen und etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Die Schatten, die sich beim Licht immer ergeben, gilt es zu überprüfen.

Zuerst bei mir. Was sind meine Schattenseiten, die ins Dunkel abzudriften drohen? Was sind die Menschen, die ich im Schatten stehen lasse und nicht ins Licht hole. Weil mir die Kleidung, die politische Ansicht, die Nase, das Parfum, die Ausbildung, die Wortwahl, das Auto oder der Arbeitsplatz nicht gefällt. Oder vielleicht auch die Herkunft und Hautfarbe, die ungewöhnliche Sprache anderer Länder, die Religion. Wo verstelle ich dem Licht die Möglichkeit, die Schatten aufzuhellen? An der Arbeit, in der Familie, bei Freunden oder Feinden, im Verein oder allein dadurch das die eigenen Ansichten einige dunkle Flecken tragen.

Zum Zweiten ist unserer Aufgabe beschrieben:

b)     Helfen nicht Richten

Richter in der heutigen Zeit gibt es genug. Besserwisser - und auch ich zähle ab und an dazu – helfen meistens nicht, sondern hinterlassen das Gefühl, da richtet, entscheidet, beurteilt jemand über den eigenen Kopf, die eigenen Gefühle hinweg. Vor allem in der Frage des Normalen spiegelt sich das wider.Nur der so ist, wie ich mir das vorstellen kann oder will, ist auch mein Freund. Ob dies Fragen über alltägliches Verhalten, Ansichten, Auftreten oder moralische Aspekte geht. Helfen ist dort angesagt, wo Hilfe erforderlich ist. Gott hilft uns Menschen in Jesus Christus. Deshalb ist eine christliche Aufgabe, Menschen auch teils gegen die eigene Ansichten und Vorstellungen eine Hilfe zu sein – gegen alle normalen Hilfskonstruktionen. Hilfe kann im Kleinen passieren. An der Straßenecke, in der Warteschlange, auf der Straße, im Gespräch, im Zuhören, im Ratgeber-sein oder ganz einfach auch nur Da-zu-Sein für einen anderen. Dies ist aber nur Hilfe ohne die Schatten, die richten. Auch wenn man es gut meint.

Die Botschaft für den heutigen Silvester-Sonntag ist eindeutig:

Bringt das Licht in die Welt als helfende Hand und leuchtet eure Schatten aus, um Menschen zu begegnen.

Amen

 

Und das Licht Gottes, das heller leuchtet als alle unsere Vorstellungen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.