Thema: Das Ansehen vor Gott

18. Sonntag nach Trinitatis: Jakobus 2, 1-13

1.         Einleitung

Dass man im meinem Alter selbst gewissen Dummheiten unterliegt, hat mir vorgestern der Postbote deutlich gemacht.

Er hat mir nämlich einen sogenannten Kickskooter vorbeigebracht. Sie wissen nicht, was das ist. Na, dann wird es aber Zeit.

(Kickskooter zeigen) Ein Tretroller. Wieder etwas Neues aus den USA, denen wir ja so viel Neues zu verdanken haben. Ja, Sie haben es vielleicht schon gesehen, ganz viele Menschen sind plötzlich mit Tretrollern unterwegs. Nun auch ich.

Auffallen und IN – Sein, ist heute angesagt. Wer von Ihnen hat ein Handy? Wer hat einen Internetzugang? IN - Sein heißt mit der Zeit gehen.

Ich erinnere mich noch an die Zeit als alles - scheinbar - eine gewisse Ordnung hatte. Familie war die Mitte der Gesellschaft – heute die Singles. Sonntags, war ein Ruhetag und kaum eine Tankstelle war geöffnet; geschweige denn ein Supermarkt wie das heute der Fall ist. Der Pfarrer war noch eine Respektsperson und die Kinder haben die Älteren auf der Straße gegrüßt. Es gab eine Ordnung in der Familie. Der Vater hat gegen Geld gearbeitet und die Mutter, die noch Mutter war und nicht Karrierefrau, hat Kinder betreut. Das Leben war geordnet und scheinbar klar. Ob das damals besser war, ...?

Was sind heute die Standards/Regeln, nach denen ich mich orientieren muss? Wann muss ich Kleider neu kaufen. Früher, wenn es aufgebraucht waren; heute, wenn es die Mode fordert oder meine Freundin.

Heute muss ich jung, dynamisch und mobil sein. Die Zahl der Seniorenfahrten hat dramatisch zugenommen. Und wenn Sie zwischen 55 und 70 Jahren sind, dann gehören Sie statistisch gesehen zu der potenziellen Kundenzielgruppe mit dem meisten verfügbaren Geld – statistisch gesehen. Modetrends sind die Dinge, die mich und Sie jeden Tag neu überrollen. Wenn ich bei meinem Sohn mir das anschaue, dann schüttele ich so mit dem Kopf wie es meine Eltern bei mir auch gemacht haben. Da muss ein Piercing her, ein Tattoo, Plateauschuhe, der PC zum Surfen und Chatten. Modetrends. Harry Potter – wie noch nicht gelesen? Na, ob sie da IN sind?

Powerwalking – schnelles Gehen ist stark im Kommen. Wie, noch nie gemacht? Ach du schreckt. Ich meine nicht schnell gehen, weil sie spät dran waren, sondern eine halbe Stunde fast im Preußischen Eilschritt (9km/h) gehen. Sie sind völlig out? Na, denn.

In Gruppen sind es diese Modetrends und Regeln, die Menschen festlegen. Da müssen Kinder modisch gekleidet sein, wie Modepuppen.
Da sind Standards im gehobenen Management, die als unwritten rules (ungeschriebene Gesetze) gelten. Was darf ich tun, was sollte tunlichst lassen. „Was ist mein Ansehen bei den Menschen?“

Oder in kirchlichen Gruppen werden, Menschen aussortiert, weil Sie nicht die richtigen Glaubensstandards haben.

Wie ich mich nach außen gebe, so werde ich wahrgenommen. Wie ich mich in die Gruppen und Gesellschaft einpasse, so werde ich akzeptiert oder als Außenseiter gebrandmarkt.

Das Äußere bestimmt unser Leben und grenzt uns auch ab. Das ist das Thema heute.

2.         Textbezug

Im Predigttext wird ein Konflikt berichtet, um das Ansehen der Person in der Gemeinde (Überschrift im Luthertext).

Jakobus, vielleicht der Bruder Jesu (die Forschung ist sich nicht ganz sicher), ermahnt hier „kein Ansehen der Person“ in den Vordergrund zu stellen.

Er beschreibt, wie sich Menschen gegenüber denen verhalten, die angesehen, reich und wohlgestaltet sind.

Am Beispiel von Arm und Reich macht Jakobus deutlich, dass es keinen Unterschied der Person vor Gott und im Glauben gibt.

Es ist nicht recht (Vers 4) mit den eigenen Trendgedanken andere Menschen zu beurteilen. Menschen, die nach dem Äußeren vielleicht gerecht erscheinen mögen, weil Sie angesehen, Wohltäter, beachtet und akzeptiert sind, sind dies noch lange nicht im Sinne des christlichen Gottes – so Jakobus. Denn das Äußere ist Gericht und Gesetz – also das, was wir menschliche Konventionen und Absprachen nennen.

Glaube verdrängt aber nach Jakobus das Gesetz und das Äußere durch Barmherzigkeit.

Schein und Sein – das ist die Frage die Jakobus an uns stellt.

Mit welcher Brille sehen wir Menschen an und wie verhalten wir uns dabei. Welches Ansehen hat der Vorstandsvorsitzende neben einem Penner, der stinkend in der Ecke liegt. Wer ist mehr? Wer ist besser im Ansehen der Person in den Gottes Augen? Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich, wohl gebildet oder Analphabet, Modell-schön oder hässlich wie die Nacht. „Was ist das Ansehen vor Gott“?

Diese Frage wird in dem Predigttext aufgegriffen.

Und die Antwort von Jakobus ist einfach. Sie steht im ersten Satz: Haltet den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn frei von allem Ansehen der Person. Haltet ihn frei, damit wir Gottes Barmherzigkeit nicht verdecken.

3.         Christlicher Bezug: Ansehen vor Gott

Als Christen nehmen wir die Botschaft von Jesus und seinem Verhalten, das in der Bibel überliefert wird, zum Anlass, darüber nachzudenken.

3.1 Wie ist der Umgang von Jesus mit den Reichen?

Der reiche Jüngling, der reiche Kornbauer, der Reiche und Lazarus – das scheinen alles Geschichten zu sein, die darauf deuten, dass Jesus den Lohn der Reichen auf Erden erfüllt sieht und die Armen erhalten ihren Lohn im Himmel. Stimmt das?

Denn es gibt auch Stellen, in denen sich Jesus von den Frauen reicher Männer aushalten lässt, von einem reichen Zöllner, den er mit seinem Besuch beehrt oder sogar der Reiche Josef von Arimathä, der das Luxus-Grab Jesu bezahlt.

Es ist nicht das Geld und der Reichtum, um den es geht, sondern um das, was den Menschen ausmacht und wie er zu seinem Reichtum steht.

„Was ist das Ansehen vor Gott?“

Äußeres scheint diesen Jesus auch im Umgang mit Ausländern (Samaritanern, Römer) oder auch den Umgang mit Randgruppen (Kindern, Huren, Zöllner) nicht besonders zu schrecken.

„Was ist das Ansehen vor Gott?“


Es geht um das, was den Menschen in seinem Innersten ausmacht. Es geht um das Innere, die Seele, die Gott-Ebenbildlichkeit wie es im Schöpfungsbericht heißt.

Warum schaut dieser Jesus durch die Menschen hindurch in ihr Innerstes? Die Antwort ist einfach: Das Äußere ist ein vergänglich. Reichtum, Macht, Schönheit, Ansehen ist nicht, was den Menschen Gott gegenüber ausmacht. Es ist sein Wesen, sein Glaube, sein Leben, sein Verhältnis zu sich selbst, den Mitmenschen und Gott gegenüber, was den Menschen ausmacht.

Der Niedrigste ist der Größte, der Ärmste der Reichste. So Gott selbst in Jesus Christus. Der den niedrigsten Weg ging, sich selbst entäußerte wie der Philipper - Hymnus (Phil 2) beschreibt, ans Kreuz.

Und die Auferstehung, was ist das anderes als das Zeichen an uns, was IHM wichtig ist.

4.         Übertragung

Was heißt das heute für uns? Ansehen vor Gott. Wir haben 2 Aufgaben:

Als erstes (Hinterfragen): Schauen wir uns unsere Brillen an, mit denen wir die Welt und andere Menschen sehen. Auf was achten Sie im Umgang mit Menschen?

Was zählt für mich? Was ist das Ansehen vor meinen Augen? Was gefällt mir und wo wende ich mich ab? Äußeres, Sprache, Wortwahl, Kleidung, Ansehen, Geruch, ....? Was ist meine Brille? Das gilt es zu hinterfragen.

Wie und mit welchen Augen sehe ich z.B. meine Kinder. Gerade wenn es um Leistungen geht. Ob es Schulkinder oder Jugendliche oder Erwachsene Kinder sind. Sehe ich das, was ich gerne sehen würde oder sehe ich es nicht. Geht es meinen Kindern besser oder haben sie ihr Leben vertan in meinen Augen?

Oder wie sehe ich meine Eltern, Lehrer, Vorgesetzen? Als Belastung, als Hilfen, als nörgelnde Hemmschuhe, die mir verbieten einen Tretroller zu kaufen oder die Gehaltserhöhung?

Oder wie sehe ich mich selbst, wenn ich in den Spiegel sehe, auf die Waage oder auf mein Bankkonto schaue?

Was sehe ich? Schaffen ich es mich zu hinterfragen, meine Fassade zu durchbrechen, um an meine Seele zu kommen?

Hinterfragen - das ist das erste.

Und das zweite ist Barmherzig sein. Sich selbst und den Anderen Akzeptieren. Mit Liebe und Zuneigung den Menschen erkennen; nicht nur den Tyrannen, die gehasste Nachbarin oder den doofen Lehrer oder Pfarrer. Das Herz mit ins Spiel bringen, wenn wir Menschen ansehen, das ist die zweite Aufgabe.

Und auch die Botschaft für den heutigen Sonntag ist: Schaue dich an und schaue die anderen an und sehe mehr als das Äußere oder das, was deine Brille sehen will. Denn mit Gottes barmherzigen Augen, sehen wir den Menschen ganz.

Amen