Thema: Vollmacht

Predigttext: Jeremia 23, 16-29 (1. Sonntag n. Trinitatis) 25. Juni 2000

 

1.         Einleitung

Heute, genau heute vor 470 Jahren war ein wichtiger Tag. Der 25. Juni 1530 ist die Geburtsstunde der Evangelischen Kirchen.

Auf dem Reichstag in Augsburg, das war die Versammlung der Adligen vor dem Kaiser Karl V. Ein Reichstag (nicht ein Gebäude) war so etwas wie eine Parlamentssitzung. Unter der Aufsicht und der Macht des Kaisers konnten die Adligen Ihre Forderungen vortragen. Wie schon 9 Jahre zuvor, 1521, beim Reichstag in Worms ging es um die Reformation, die Erneuerung der Kirche. Die Ideen des Mönches Luther hatte die deutsche Nation in Aufruf versetzt. Nicht der Papst und der Kaiser sind die höchste Autorität und haben die Macht über die Menschen, sondern Gott allein. Und nur Gott hat die Macht über Glauben und Gerechtigkeit zu entscheiden. Keine Macht der Welt, weder die Kirche noch der Kaiser haben das Recht sich zwischen den Glauben des einzelnen Menschen und Gott stellen. Dies bezeugen die sogenannten Protestanten, 1529 durch die Protestnote auf dem Reichstag in Speyer, 1530 durch Ihr sogenanntes Augsburger Bekenntnis. Sie waren damit in der Minderheit und mussten sich viele Schmähungen gefallen lassen.

Dennoch waren sie bereit, mit Ihrem Bekenntnis die evangelische Kirche z gründen. Gott hat die Macht und seine Vollmacht ist es, die wir in der Kirche bezeugen; vor allen anderen Mächten. Wir stehen am 25. Juni 1530  im Auftrag Gottes hier vor dem Kaiser und dem Reichstag.

 

2.         Situation Jeremias

Jeremia steht in einer ähnlichen Situation. Die Mehrheit der Menschen in Israel wollen nicht auf Ihn hören. Jeremia predigt gegen die Schönredner, die nicht wahr haben wollen, dass Gott mit Israel andere Wege vorhat.

Wir schreiben das Jahr 600 vor Christus. Alle reden schöne Worte, aber Jeremia widerspricht den Gesundbetern.

Er redet von den falschen Profeten, die nicht mit der Vollmacht Gottes reden. Jeremia wird nicht ernst genommen von Mehrheit. Sie wollen keinen Prediger haben, der Unheil verkündet. Sicher war Jeremia frustriert. Er hatte aber die Aufgabe im Auftrag Gottes zu predigen. Er steht im Dienst und hat die Vollmacht seines Gottes, das Unheil über Israel zu verkünden.

Jeremia stellt den anderen Propheten die Frage nach der Vollmacht, mit der jemand auftritt und Aussagen macht.

Vers 16: So spricht Gott, der Herr: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn.

Aus dem Herzen weissagen die falschen Propheten. Was kann daran falsch sein? Ganz einfach, sie sagen den anderen nicht die unangenehme Wahrheiten. Sie wollen nicht weh tun und verletzten damit gewaltig. Heute wurden wir sagen, was nützt der beste Freund oder die beste Freundin, wenn sie mir nicht auch sagen: Das hast du falsch gemacht, überdenke das bitte, du könntest abnehmen, so nicht. Diese besten Freunde kann ich nicht gebrauchten. Denn ich will auch wissen – zwar tut das weh- was nicht in Ordnung ist.

Das tut Jeremia. Der sagt die unangenehme Wahrheit, weil der von Gott dazu beauftragt ist. Jeremia steht damit gegen die Mehrheit.

Das ist das Thema der heutigen Predigt. Wie steht es mit der Vollmacht, etwas zu tun und wie steht es damit auch unangenehme Wahrheiten auszusagen?

 

3.         Politik und Macht

Wir heute haben uns in unserem Staat und auch in der Kirche dem Mehrheitsprinzip verschrieben. Demokratie ist nicht das Herrschen der einzelnen sondern das Regieren und Agieren nach Mehrheiten.

Sicher können nicht alle Menschen im Stadtparlament oder im Bundestag sitzen. Nicht alle können im Kirchenvorstand oder Landessynode angehören. Aber die Vollmacht, die die Vertreter und Vertreterinnen in Politik und Kirchenpolitik haben, baut auch auf der Mehrheit der Stimmen auf.

Die Aufgabe, Unangenehme Wahrheit auszusagen, wird in der funktionierenden Demokratie vom Volk, der Öffentlichkeit (Medien) oder der Opposition wahrgenommen. Dass dabei auch persönliche Interessen eine Rolle spielen, ist deutlich. Wenn ich etwas unangenehmes über meinen politischen Gegner aussage, bringt mich das – so glaubt man – weiter. Presse giert nach Sensationen und das sind oftmals Enthüllungen.

 

4.         Wirtschaft und Macht

In dem Bereich, in dem ich neben meinen Pfarrerdasein tätig bin, geht es auch oft um die Frage der Macht. Sie wissen, ich betreibe eine Managementagentur und bin zugleich auch Pfarrer der ev. Kirche. In meiner Agentur sind wir sind Menschen, die Wirtschaftsunternehmen dabei helfen, sich zu verändern. Dort wird nicht nach der Mehrheit der Beteiligten gefragt, sondern wie kann ein Unternehmen zukunftsfähig bleiben. Die Antworten sind nicht immer ganz einfach.

Die Frage nach der Vollmacht ist hier eine Frage der Macht. Die Macht des Geldes, aber auch die Macht der Besitzer, der Gewerkschaften, der globalen Konzerne. Manager handeln im unternehmerischen Interesse – oder sollten es tun, weil Ihre Vollmachten dazu dienen sollen, Gewinne zu erwirtschaften. Dadurch werden Menschen in Arbeit und Brot – wie es mal hieß gebraucht.

Unangenehme Wahrheiten werden vielfach versucht zu verschleiern, so dass kein negativer Eindruck entsteht und das Image eines Unternehmens leiden könnte. Unangenehme Wahrheiten führen im Wirtschaftsbereich oft zu einem Rücktritt von Verantwortlichen oder vermeintlich Verantwortlichen.

Das ist ganz ähnlich beim Sport wie wir in der letzten Woche sehen konnte. Diese Wahrheit beim Fußball war schon recht unangenehm.

 

5.         Überleitung

Aber was bedeutet das alles für uns als Christen heute.

Die Frage ist, mit welcher Vollmacht könnten, dürfen, sollen  oder müssen wir reden und handeln.

Die Antwort nach der Vollmacht, mit der wir etwas tun oder handeln ist einfach und es ist die Botschaft von Augsburg vom 25.6.1530 oder auch von Jeremia. Gott hat uns beauftragt. Er hat uns die Vollmacht ausgestellt in seinem Namen zu agieren.

Seine Vollmacht trägt einen Namen und einen Auftrag in sich.

Es geht nicht um Macht oder um Recht haben zu wollen, sondern um das Angebot, den Menschen von den zu berichten, was Gott anbietet. Es ist kein Taktieren wie in der Politik und kein Profitgedanke der Wirtschaft der uns antreibt.

Gott selbst fordert uns auf, in die Welt zu gehen und seine Botschaft zu verkünden. Gott besiegelt sogar unsere Vollmacht – nicht mit einer feierlichen Zeremonie – sondern durch seine Ohnmacht in Jesus Christus.

Was wir verkünden müssen sind keine glorreichen Heldentaten: Es ist das Kreuz und die Auferstehung. Kreuz und Auferstehung ist das Vorbild für unsere Vollmacht, wie wir mit Menschen umgehen sollen, wenn wir unangenehme Dinge/Wahrheiten sagen müssen, wenn wir ein klares christliches Nein sprechen müssen.

Wo? Ganz einfach, laut schreien wie Jeremia müssen wir nicht.

Pressewirksam auftreten müssen wir auch nicht und erst recht nicht finanziellen Profit machen. Wir dürfen  hier und heute, in Freizeit und Beruf bezeugen, das Gott für mich einsteht.

Was bedeutet Vollmacht haben anderes als, dass derjenige von dem ich die Vollmacht habe auch in Zeiten der Krise zu seiner Vollmacht steht, die er uns ausgestellt hat.

Was bedeutet die Vollmacht Gottes anderes als auf den Menschen zuzugehen, sie wahrzunehmen und auch unangenehme Wahrheiten zu sagen.

Meinen Ehepartner liebevoll sticheln, meinen Freund oder Freundin unter vier Augen auf Fehler hinweisen, meinem Chef klar ein Feedback geben. Den Politikern Rede und Antwort abfordern, ebenso den Kirchenpolitikern und Pfarrern.

Nicht zuletzt – und das ist die schwierigste Aufgabe – müssen wir jemanden die unangenehme Wahrheit sagen, dem wir das gar nicht tun wollen.

Uns selbst.

Mir selbst als Christ darf ich mit der Vollmacht Gottes auch die Wahrheit, auch die unangenehme Wahrheit sagen.

Dass ich nicht tapfer genug glaube,

    dass ich vergesse zu beten,

    dass ich vergesse, auf meine Mitmenschen zuzugehen,

    dass ich mehr auf Reichtum vertraue, denn auch Gottes Zusagen,

    dass ich ungerecht gehandelt habe.

Das ist die Botschaft, die wir mit der Vollmacht Gottes aussagen dürfen.

Aber zeitgleich haben wir die Vollmacht Gottes, diese Sünden, die unangenehmen Wahrheiten, als vergeben und vergessen anzusehen im Horizont der Auferstehung Jesu.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen